notifications
OECD

Kein Geld für den Bund: Schaffhausen behält das Geld aus der Mindestbesteuerung lieber für sich

Wie viel Geld bekommen die Kantone, wie viel der Bund? Es war die grosse Streitfrage im Abstimmungskampf um die Einführung einer Mindeststeuer für Konzerne. Nun geht Schaffhausen einen eigenen Weg – auch weil die USA die Schweiz zappeln lassen.
Amerikanische Firmen fühlen sich in Schaffhausen wohl. Das führt zu Problemen.
Bild: Bild: Keystone

Es war eine schöne Aufgabe und trotzdem führte sie zu Streit unter der Bundeshauskuppel: Wie sollen die Steuergelder verteilt werden, welche die Grosskonzerne ab 2024 zusätzlich bezahlen müssen? Grund für den Geldsegen in der Höhe von 1 bis zu 2.5 Milliarden Franken ist die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung von 15 Prozent für alle Unternehmen ab 750 Millionen Euro Umsatz jährlich.

Das Parlament einigte sich auf den Verteilschlüssel 75 Prozent für die Kantone und 25 Prozent für den Bund. Die Bevölkerung sagte dazu in einer Volksabstimmung im Juni deutlich Ja. Die SP hatte die Vorlage abgelehnt, weil sie sich mehr Geld für den Bund gewünscht hat.

Doch Volksverdikt hin und her: Nicht alle Kantone wollen das Geld mit dem Bund teilen. Der Kanton Neuenburg hat bereits in diesem Jahr die Steuern für Grossunternehmen auf 15 Prozent erhöht. Neu gelten unterschiedliche Steuersätze. Ab 40 Millionen Franken Gewinn beträgt die Belastung über alle Staatsebenen rund 15 Prozent – also so viel, wie die OECD-Mindeststeuer vorgibt. 18 Millionen Franken soll die Erhöhung in die Kasse spülen.

Die Änderung ist Teil eines Pakets namens «Vie chère», mit dem Neuenburg die Folgen von Inflation, steigenden Prämien und Energiepreisen abfedern will. Die Steuererhöhung dient zum einen dazu, soziale Massnahmen zu finanzieren. Gleichzeitig ging es der Regierung auch darum, die OECD-Reform umzusetzen und klare Verhältnisse zu schaffen.

Unklar, wie die USA reagieren wird

Nun will ein zweiter Kanton nachziehen. Der Schaffhauser Regierungsrat hat kürzlich eine Vorlage verabschiedet, die ebenfalls eine Steuererhöhung für Unternehmen mit hohen Gewinnen vorsieht. 25 Millionen Franken Mehreinnahmen erhofft sich der kleine Kanton. Für den Bund bleibt dabei kaum etwas übrig. Denn wenn die Konzerne bereits im Kanton Schaffhausen ihre Gewinne zu 15 Prozent besteuern müssen, wird die sogenannte Ergänzungssteuer – die zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt wird – hinfällig.

Die Schaffhauser Regierung hält fest, dass die Lösung des Bundes der Situation im Kanton Schaffhausen nicht gerecht werde. Denn es gibt eine Besonderheit: In keinem anderen Kanton ist die Bedeutung von US-Firmen derart hoch wie in Schaffhausen. Die 50 grössten Firmen im Kanton bezahlen 30 Prozent aller Steuern – nämlich 136 Millionen Franken. Und davon stammen wiederum mehr als die Hälfte von Unternehmen mit US-Bezug.

Die US-Komponente ist von Bedeutung, weil die Regierung von US-Präsident Joe Biden die Schweiz zappeln lässt. Bis heute fehlt die offizielle Klarstellung, dass die USA die Schweizer Ergänzungssteuer bei der Berechnung der Mindeststeuer von 15 Prozent hinzurechnen. Das Finanzdepartement bestätigt diesen Sachverhalt, hält aber auch fest: «Grundsätzlich gehen die OECD/G20 davon aus, dass die nationale Ergänzungssteuer bei Hinzurechnungsbesteuerungsregeln im Ausland angerechnet wird.»

Die Schaffhauser Regierung gibt sich skeptischer. In ihrer Vorlage schreibt sie, es sei nach heutigem Kenntnisstand ungewiss, ob die USA in Zukunft die Ergänzungssteuer anrechnen würden. Das US-amerikanische Schatzamt habe sich noch nicht abschliessend geäussert, was eine Unsicherheit für die betroffenen Unternehmen bedeute. Ohne Anrechnung würden die US-Unternehmen doppelt besteuert: einmal in der Schweiz und einmal USA. Wegen dieser grossen Unsicherheit sei es von entscheidender Bedeutung, für diese Unternehmen im kantonalen Recht Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen. Deshalb will der Kanton die Steuern für ertragsstarke Firmen so stark erhöhen, dass sie möglichst nahe an die Mindestbesteuerung von 15 Prozent herankommen und die Vorgaben der OECD erfüllen.

Die globale Mindestbesteuerung ist ein Projekt der OECD. Die USA haben es zwar vorangetrieben, doch der Kongress lehnt die OECD-Regelung ab. Deshalb haben die USA ein eigenes Konzept für eine Mindestbesteuerung. Noch ist nicht ganz klar, wie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Regelungen funktionieren wird.

Die OECD-Mindestbesteuerung soll 2024 in Kraft treten. Die Schaffhauser Regierung schreibt deshalb von einer grossen zeitlichen Dringlichkeit. Die Steuerreform muss noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

Andere Kantone dürften folgen

Ob es dem Kanton Schaffhausen indes nur um die Rechtssicherheit geht? Die Regierung hält auch fest, dass die zusätzlichen Steuererträge vollumfänglich im Kanton Schaffhausen anfallen sollen. Der Kanton liefere einen vergleichsweise hohen Anteil an direkten Bundessteuern, wo hingegen die Bundesausgaben im Kanton nicht sehr bedeutsam seien. Zudem wird Schaffhausen ab nächstem Jahr zum Geberkanton im nationalen Finanzausgleich.

Schaffhausen und Neuenburg werden wohl nicht die einzigen Kantone bleiben, die die zusätzlichen Steuereinnahmen selbst behalten wollen. Das Eidgenössische Finanzdepartement veröffentlichte letzte Woche eine Übersicht über die geplanten Massnamen in den Kantonen. Demnach prüft auch der Kanton Waadt die Einführung von verschiedenen Steuersätzen je nach Ertragsstärke der Firmen. Das deutet sehr darauf hin, dass auch die Waadt die Zusatzeinnahmen nicht mit dem Bund teilen will.