Chinas Wirtschaftswachstum geht zurück. Das hält die chinesische Führung aber nicht davon ab, ihre Rüstungsausgaben noch einmal kräftig zu steigern. Um 10,1 Prozent auf 886 Milliarden Yuan (umgerechnet rund 140 Milliarden Dollar) will China sein Militärbudget in diesem Jahr aufstocken. Der Zuwachs ist zwar niedriger als im Vorjahr mit 12,2 Prozent. Der Etat wächst aber bereits im fünften Jahr in Folge zweistellig.
«Der Aufbau einer soliden Landesverteidigung und einer starken Armee ist die grundlegende Garantie für Sicherung der Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen Chinas», argumentierte der chinesische Premierminister Li Keqiang bei seiner Auftaktrede zum alljährlichen Volkskongress, der gestern in Peking begonnen hat. Bereits am Vormittag verteidigte auch die mächtige Sprecherin des Volkskongresses, Fu Ying, den deutlich höheren Etat. «Die laufende Modernisierung der Streitkräfte verlangt eine entsprechende Finanzierung», sagte Fu.
Dabei leistet sich China bereits das zweithöchste Militärbudget der Welt. Die Ausgaben des Kernbudgets lagen im vergangenen Jahr bei umgerechnet 129 Milliarden Dollar, dazu kommen noch Kosten, die in Forschungs-, Weltraum- oder anderen Etats versteckt sind.
Konfliktherde in Ostasien: Es geht um Öl, Gas und die Bombe
Peking streitet mit seinen Nachbar-staaten über Territorien im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer. Die wichtigsten Konflikte:
Ostchinesisches Meer: Die chinesisch Diaoyu und japanisch Senkaku genannten Inseln 200 Kilometer nordöstlich von Taiwan sind unbewohnte Felsen. Angesichts grosser Fischbestände und vermuteter Gas- und Ölvorkommen sind sie aber von strategischer Bedeutung. China macht alte Ansprüche auf das heute von Japan verwaltete Territorium geltend. Der Streit flammte 2012 neu auf, als Japans Regierung drei Inseln von privater Hand kaufte. In China gab es heftige japanfeindliche Proteste. Die Fronten sind verhärtet.
Südchinesisches Meer: China streitet mit Vietnam um die Paracel genannten 130 Korallen-Inseln südöstlich von Hainan. Ausserdem ringt China mit seinen Nachbarn um die Spratly-Inseln genannten 200 Korallenriffe und Sandbänke, die ganz oder teilweise von Vietnam, Taiwan, den Philippinen, Malaysia und Brunei beansprucht werden. In dem Gebiet an wichtigen Schifffahrtswegen werden Öl- und Gasvorkommen vermutet. Die Philippinen haben 2013 das Ständige Schiedsgericht in Den Haag angerufen. Doch erkennt China das Verfahren nicht an.
Nordkorea: Trotz diplomatischer Isolation und Armut baut Nordkorea eine Atomstreitmacht auf, die als grosse Bedrohung angesehen wird. Pjöngjang hat seit 2006 drei Atomtests durchgeführt. Nach US-Einschätzung ist Nordkorea heute in der Lage, einen Atomsprengkopf für eine Interkontinentalrakete zu bauen. Die Sechser-Gespräche über ein Ende des Atomprogramms mit Nordkorea, China, den USA, Russland, Südkorea und Japan sind seit 2009 eingefroren. Pjöngjang unterstellt den USA eine feindselige Politik. (sda)
Nur Sicherung der Grenzen?
Die USA geben zwar etwa sechs Mal so viel für Waffen und Soldaten aus, doch kein Land rüstet derzeit so schnell auf wie China. Volkskongress-Sprecherin Fu Ying wiegelte jedoch ab: «Wir sind einfach ein sehr grosses Land, das in der heutigen Zeit einen entsprechend grossen Militäretat benötigt.» Das Ziel der Ausgaben sei allein, die Landesgrenzen zu sichern. «Es geht hier nur um Verteidigung.»
Für Chinas unmittelbare Nachbarn klingt selbst dieses Versprechen wie eine Drohung. Denn die Vorstellungen der chinesischen Führung vom Verlauf der Grenzen weichen an einigen Stellen ganz erheblich von denen der umliegenden Staaten ab. China beansprucht das gesamte Südchinesische Meer und erklärt selbst Buchten und Meerengen von Malaysia oder Vietnam zu seinem Territorium. Aber auch Chinas Streit mit Japan um unbewohnte Inseln im Ostchinesischen Meer ist noch lange nicht ausgestanden. Im Gegenteil: Für die Regierungen in beiden Ländern ist der Besitz dieser Felsbrocken längst zu einer Frage der nationalen Ehre geworden. Aus Sorge vor einer bewaffneten Auseinandersetzung mit China hat Japans rechtskonservativer Premier Shinzo Abe im vergangenen Jahr beim Besuch in Brüssel einen Partnerschaftsvertrag mit der Nato abgeschlossen.
Chinas Militär ist nicht an Allianzen interessiert und rechtfertigt auch deswegen seine militärischen Mehrausgaben. «Chinas Sicherheit kann nur China gewährleisten», sagte vor kurzem ein ranghoher General der Volksbefreiungsarmee. Die Volksbefreiungsarmee befinde sich in einem rasanten Modernisierungsprozess, der von den ungelösten Gebietskonflikten und der neuen Rolle des Landes als globaler Macht getrieben sei, warnt hingegen das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri kürzlich in einer Studie. Tatsächlich entwickelt China derzeit eine Trägerrakete für atomare Sprengköpfe mit einer Reichweite von bis zu 12 000 Kilometern. Chinas Militär verfügt über Drohnen, Tarnflugzeuge und Flugzeugträger. Und auch ein eigenes GPS-System ist bereits in Betrieb.