Anderthalb Jahre nach der Abstimmung über einen Wechsel der Stadt Moutier vom Kanton Bern zum Kanton Jura stehen die Verhandlungen über das entsprechende Konkordat zwischen den beiden Kantonen vor dem Abschluss. Am Montag informierten Mitglieder der Delegation für Juraangelegenheiten über die Details.
Demnach sollen der bernische Grosse Rat und das jurassische Parlament in der zweiten Jahreshälfte 2023 über die Vereinbarung abstimmen. Vorher ist eine breite Vernehmlassung vorgesehen. Mit der Zustimmung der Parlamente ist es aber noch nicht getan: 2024 soll in beiden Kantonen eine Volksabstimmung folgen. In trockenen Tüchern ist die Sache aber auch dann noch nicht: Nach den Kantonen muss nämlich auch noch die vereinigte Bundesversammlung ihr Placet zum Konkordat geben.
Endlich eine Lösung für den Sonderfall
Moutier hatte sich im März 2021 für den Wechsel zum Kanton Jura entschieden. Es war bereits die neunte Volksabstimmung zum Thema. Hintergrund ist die besondere Lage der Stadt: Zum einen war sie Hauptort des gleichnamigen Amtsbezirks, der zusammen mit den beiden anderen reformiert geprägten Bezirken Courtelary und La Neuveville stets berntreu war.Als regionales Industriezentrum zog die ehemalige Probsteistadt aber schon früh Arbeiter aus den katholischen Bezirken Delsberg, Pruntrut und den Freibergen an. Diese Bezirke stimmten 1974 für eine Loslösung von Bern und gründeten 1979 den Kanton Jura, der sogleich Anspruch auf eine «Wiedervereinigung» mit den berntreuen Bezirken und dem heute zum Kanton Basel-Landschaft gekommenen Laufental anmeldete. Der berntreue Amtsbezirk Moutier hatte nun einen separatistisch dominierten Hauptort, was auf beiden Seiten der Kantonsgrenze zu Konflikten führte. Den Separatisten wurde dabei vorgeworfen, Moutier demografisch unterwandern zu wollen: An den Referenden nähmen jeweils Personen teil, die nur ihre Schriften in Moutier deponiert, ihren Lebensmittelpunkt aber im Kanton Jura hätten. Zuletzt beschäftigte sich die Justiz 2020 und 2021 mit drei derartigen Fällen. Zwei Personen wurden frei gesprochen, eine jedoch tatsächlich wegen Wahlbetrugs verurteilt. (wap)
Berntreue könnten nationale Volksabstimmung erzwingen
Die vereinigte Bundesversammlung soll voraussichtlich im Herbst oder Winter 2024 entscheiden. Während 100 Tagen haben die Gegnerinnen und Gegner dann ihre letzte Chance: Mit einem Referendum gegen den Bundesbeschluss können sie eine eidgenössische Volksabstimmung erzwingen. Gelingt es ihnen damit nicht, das Projekt zu stoppen, ist der Kantonswechsel ab dem 1. Januar 2026 Tatsache.
Soweit der juristische Fahrplan. In der Praxis setzen die Behörden auf ein etappiertes Vorgehen. Der Kanton Jura werde die Einwohner von Moutier «nach und nach willkommen heissen», hiess es am Montag in einer Mitteilung aus Delsberg. So mache sich die Verwaltung schon jetzt für die Übernahme der Dienstleistungen an die Einwohnerschaft von Moutier bereit.
Einwohner dürfen schon vorher bei den jurassischen Wahlen mitmachen
Berner Staatspersonal, das in Moutier lebt und arbeitet, kann sich schon bei der jurassischen Personalverwaltung anmelden. Bernischen Staatsangestellten, die nicht in Moutier leben, wird ein neuer Arbeitsvertrag angeboten. Derweil sucht der Kanton Jura in Moutier schon jetzt nach Standorten für Steuerverwaltung, IT, Finanzkontrolle und Sportamt.
Bereits vor dem Kantonswechsel erhält die Bevölkerung von Moutier ausserdem das aktive und passive Stimm- und Wahlrecht. Damit werde sichergestellt, dass sie in der nächsten Legislaturperiode von Anfang an in Legislative und Regierung vertreten seien, so die Mitteilung. Gewerbe und Industrie sollen schon jetzt von der erfolgreichen jurassischen Standortförderung profitieren. Ausserdem wird das Spital von Moutier in die jurassische Spitalplanung 2023-2030 aufgenommen.