Das Wichtigste in Kürze
Im Rahmen des EU-Vertragspaket hat die Schweiz eine Schutzklausel für das Personenfreizügigkeitsabkommen ausgehandelt.
Diese erlaubt unter gewissen Bedingungen, den freien Personenverkehr mit der EU vorübergehend einzuschränken.
Der Bundesrat stützt sich dabei auf Indikatoren wie Nettozuwanderung, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfebezug, Wohnungswesen und Verkehr.
16:45 Uhr
mittwoch, 14. Mai
Die Medienkonferenz ist zu Ende
Die Medienkonferenz mit Justizminister Beat Jans (SP) und SEM-Chef Vincenzo Mascioli ist zu Ende. Auf unseren Online-Portalen lesen Sie bald mehr über die wichtigsten Antworten und Reaktionen auf die Vorschläge des Bundesrats zur Ausgestaltung der Schutzklausel für die Zuwanderung aus der EU. An dieser Stelle schon einmal: Besten Dank für die Aufmerksamkeit!
16:29 Uhr
mittwoch, 14. Mai
Schutzklausel als Gegenrezept zur 10-Millionen-Schweiz
Eine Journalistin will von Bundesrat Beat Jans wissen, ob er glaube, dass die Umsetzung der Schutzklausel der «10-Millionen-Schweiz»-Initiative der SVP den Wind aus den Segeln nehmen könne. Jans bezeichnet die Schutzklausel als gegenteiliges Konzept zum SVP-Anliegen. Dieses wolle ab einem bestimmten Bevölkerungswert die Personenfreizügigkeit automatisch aufkündigen.
Die Schutzklausel hingegen sei ein flexibel einsetzbares, sehr griffiges Instrument, das bis zur Festlegung von temporären Nettoobergrenzen bei der Zuwanderung gehen könne. Sie erlaube es, bei von der Zuwanderung aus der EU ausgelösten Problemen Massnahmen zu ergreifen, ohne das Personenfreizügigkeitsabkommen oder die bilateralen Verträge mit der EU insgesamt zu gefährden.
16:13 Uhr
Mittwoch, 14. MAI
Das sind die Schwellenwerte
Auf die Frage eines Westschweizer Journalisten nennt SEM-Chef Vincenzo Mascioli diejenigen Jahre, in denen der Bundesrat gemäss den von ihm festgelegten Schwellenwerten die Auslösung der Schutzklausel hätte prüfen müssen. Es wäre dies in folgenden acht Jahren der Fall gewesen: 2002, 2003, 2008, 2009, 2011, 2013, 2022 und 2023. In all diesen Jahren wäre bei mindestens einem der vier zwingenden Indikatoren – Nettozuwanderung aus der EU, Anteil der Grenzgänger, Anstieg der Arbeitslosenquote sowie Anstieg der Sozialhilfequote – der Schwellenwert überschritten gewesen.
Noch hat der Bundesrat diese Schwellenwerte nicht in Stein gemeisselt. Sie sollen auf Verordnungsebene festgelegt werden, die noch in die Vernehmlassung gehen soll. Doch Migrationsstaatssekretär Vincenzo Mascioli nennt bereits die Schwellenwerte, die der Bundesrat aktuell vorschlagen will:
- Ausserordentlicher Anstieg der Nettozuwanderung aus der EU im Vergleich zum Vorjahr: 0,74 Prozent mehr Zuwanderung im Vergleich zur ständigen Wohnbevölkerung.
- Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger im Verhältnis zu den Gesamtarbeitnehmenden - 0,34 Prozent Veränderung des Bestandes im Verhältnis zur Beschäftigten.
- Veränderung in der Arbeitslosenquote (gesamtschweizerisch) im Vergleich zum Vorjahr: plus 30 Prozent.
- Veränderung der Sozialhilfequote (gesamtschweizerisch) im Vergleich zum Vorjahr: Plus 12 Prozent.
16:09 Uhr
Mittwoch, 14. mai
Wie können Kantone Schutzklausel anrufen?
Nun ist die Fragerunde eröffnet. Ein Journalist aus dem Tessin will wissen, ob es für die Kantone eigene Schwellenwerte gibt, bei denen sie beim Bundesrat beantragen können, die Schutzklausel anzurufen. SEM-Chef Vincenzo Mascioli sagt, die erwähnten Schwellenwerte seien nationale Schwellenwerte. Spezifische kantonale Schwellenwerte habe man keine festgelegt, um keine unnötige Bürokratie zu generieren.
Der nationale Schwellenwert beim Anstieg der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sei jedoch beispielsweise stark von der spezifischen Situation in einzelnen Kantonen geprägt. Die Kantone könnten dem Bundesrat jedoch die Auslösung der Schutzklausel beantragen, wenn sie die Notsituation in ihrem Gebiet plausibel darlegen könne.
16:01 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Schutzklausel als «letzte Verteidigungslinie»
Justizminister Beat Jans betont die Fortschritte, die das neue Vertragspaket in den Augen des Bundesrats gebracht hat. Es erlaube der Schweiz, Massnahmen zu ergreifen und stelle einen Streitschlichtungsmechanismus zur Verfügung, der bei Streitigkeiten nicht die gesamten bilateralen Verträge in Gefahr bringen. Das Vertragspaket erlaube der Schweiz «die Teilnahme an der grossen Markthalle des EU-Binnenmarktes», so Jans. Es sichere dort allen Teilnehmern Fairness und Gleichbehandlung zu.
Die Schutzklausel sei nur die «letzte Verteidigungslinie» bei Problemen mit der Zuwanderung. Die Schweiz habe im Rahmen der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) Ausnahmen ausgehandelt, etwa beim dauerhaften Niederlassungsrecht im Falle von Arbeitslosigkeit. «Die Schutzklausel der Feuerlöscher an der Wand, wenn es brennen sollte», sagt Jans.
Die Personenfreizügigkeit sei für die Schweiz unter dem Strich ein enormer Gewinn. Sie erlaube die Rekrutierung von dringend benötigten Fachkräften und stärke die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Natürlich sei die Sicherung und Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit und der anderen Abkommen mit der EU auch mit Risiken verbunden, «aber Risiken gibt es immer». Doch diese Risiken seien dank zahlreichen Ausnahmeregelungen stark eingeschränkt worden und als Feuerlöscher bleibe ja immer noch die Schutzklausel.
15:58 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Was passiert, wenn der Bundesrat die Schutzklausel auslöst?
Bundesrat Beat Jans erläutert den Mechanismus, falls der Bundesrat die Schutzklausel auslöst. Sie ruft zunächst den gemischten Ausschuss an. Kommt dieser zum Schluss, dass die Situation in der Schweiz eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit erlaubt, so kann der Bundesrat die Massnahmen umsetzen. Die EU darf dann ihrerseits ebenfalls Massnahmen ergreifen, allerdings nur im Rahmen der Personenfreizügigkeit.
Kommt der Gemischte Ausschuss zum Schluss, dass die Massnahme ungerechtfertigt ist, kommt ein Schiedsgericht zum Zug. Dieses entscheidet, ob die Massnahme gerechtfertigt oder nicht. Sollte sie sie für nicht gerechtfertigt halten, kann der Bundesrat trotzdem Massnahmen ergreifen. Die EU darf dann allerdings Gegenmassnahmen ergreifen, auch in anderen Bereichen der bilateralen Verträgen mit Ausnahme der Landwirtschaft.
15:54 Uhr
mittwoch, 14. Mai
Weitere Indikatoren sollen geprüft werden
Neben den vier Indikatoren, bei denen der Bundesrat die Schutzklausel zu prüfen hat, will er bis Ende 2025 weitere Indikatoren festlegen, bei denen er diesen Schritt unternehmen kann. SEM-Chef Mascioli erwähnt etwa eine stark gesunkene Leerwohnungsquote, Belastungen beim Verkehr wie Staustunden oder die Tätigkeit der Baubranche. Mögliche Massnahmen im Rahmen der Schutzmassnahmen sind etwa die Festlegung einer Obergrenze für die Nettozuwanderung aus der EU oder die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Falle von Arbeitslosigkeit bei EU-Bürgern.
15:50 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Hier will der Bundesrat konkrete Schwellenwerte festlegen
Bei vier Indikatoren sollen konkrete nationale Schwellenwerte festgelegt werden, erläutert SEM-Chef Vincenzo Mascioli. Es sind dies ein ausserordentlich hoher Anstieg der Nettozuwanderung im Vergleich zum Vorjahr, der Anstieg der Arbeitslosigkeit - der Gesamtbevölkerung, nicht nur jener der in der Schweiz wohnhaften EU-Ausländer -, ein deutlicher Anstieg der Anzahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie ein starker Anstieg der Sozialhilfequote.
Mit den genannten Indikatoren hätte der Bundesrat seit dem Inkrafttreten des Personenfreizügigkeitsabkommens (FZA) im Jahr 2002 die Auslösung der Schutzklausel acht Mal prüfen müssen, erläutert Vincenzo Mascioli.
15:48 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Kantone können Schutzklausel beantragen
Jeder Kanton könne beim Bundesrat beantragen, die Schutzklausel anzuhören, betont Beat Jans. Wenn die Landesregierung die Schutzklausel anrufen will, sollen immer die zuständigen Parlamentskommissionen, die Sozialpartner und die Kantone angehört werden.
15:47 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Schutzklausel als Absicherung
Bundesrat Beat Jans bezeichnet die Schutzklausel als Absicherung, wenn die Zuwanderungen zu ernsthaften sozialen oder wirtschaftlichen Problemen sorge.
15:45 Uhr
mittwoch, 14. Mai
Die Medienkonferenz beginnt
Bundesrat Beat Jans (SP) und Staatssekretär Vincenzo Mascioli vom SEM haben auf dem Podium Platz genommen. Auch Chefunterhändler Patric Franzen ist vor Ort.
15:25 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Justizminister Jans und SEM-Chef Mascioli informieren
Über die Umsetzung der Schutzklausel im Inland informieren am Mittwochnachmittag Bundesrat Beat Jans (SP), Vorsteher des zuständigen Justizdepartements EJPD, sowie Vincenzo Mascioli, Chef des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Im EU-Dossier sind verschiedene Departemente und Bundesratsmitglieder involviert. Die Verhandlungen mit der EU fanden unter Federführung des Aussendepartements von Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) statt. Die Gespräche über flankierende Massnahmen im Inland zum Schutz des Schweizer Lohnniveaus führte das Wirtschaftsdepartement unter Bundesrat Guy Parmelin (SVP).
15:21 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
Das passiert, wenn der Bundesrat die Schutzklausel auslöst
Löst der Bundesrat die Schutzklausel aus, beantragt er beim Gemischten Ausschuss, in dem die EU und der Bund paritätisch vertreten sind, geeignete Schutzmassnahmen. Kommt der Gemischte Ausschuss zu keiner Einigung, entscheidet ein Schiedsgericht beider Seiten. Urteilt dieses im Sinne der Schweiz, darf der Bund Massnahmen ergreifen. Die EU erhält dann ihrerseits das Recht, verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen zu ergreifen, jedoch nur im Rahmen der Personenfreizügigkeit.
Kommt das Schiedsgericht zum Schluss, dass die Bedingungen für die Anwendung der Schutzklausel nicht erfüllt sind, kann der Bundesrat trotzdem eigenständig Schutzmassnahmen ergreifen. Die EU darf aber ebenfalls ein Schiedsgerichtsverfahren eröffnen und verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Dies auch bei andern bilateralen Verträgen - mit Ausnahme der Landwirtschaft.
15:02 Uhr
Mittwoch, 14. Mai
In diesen Fällen will der Bundesrat die Schutzklausel auslösen
Im Dezember 2024 hat der Bundesrat die Verhandlungen über ein Vertragspaket mit der EU materiell abgeschlossen. Bei der Personenfreizügigkeit soll es eine Schutzklausel geben. Diese erlaubt es der Schweiz unter gewissen Bedingungen, den freien Personenverkehr temporär einzuschränken. Der Bundesrat kann diese Schutzklausel auslösen, wenn «schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme» auftreten.
Am Mittwoch hat der Bundesrat die Kriterien festgelegt, bei denen er die Schutzklausel auslösen muss oder kann. Grundlage für diesen Entscheid bilden Indikatoren wie Nettozuwanderung, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfebezug, Wohnungswesen und Verkehr. Die Probleme können gesamtschweizerisch, regional oder branchenspezifisch sein.
Der Bundesrat unterscheidet zwischen Muss- und Kann-Szenarien. Bei den Indikatoren Nettozuwanderung, Zahl der Grenzgänger, Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfequote legt der Bundesrat konkrete Schwellenwerte fest. Wird ein solcher Wert überschritten, muss er die Anwendung der Schutzklausel prüfen. Deuten weitere Indikatoren darauf hin, dass die Personenfreizügigkeit mit der EU zu schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen in der Schweiz führen, kann er die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Auch Kantone können bei regionalen Problemen deren Auslösung beantragen.