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Erdbeben in Amatrice

Italiens ehrgeiziger Plan: In 30 Tagen raus aus den Zelten

Für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben hat Italien Regierung ein hohes Ziel. In nur einem Monat soll den Zeltbewohnern eine neue, wintersichere Bleibe garantiert werden.

In den Trümmern des mittelitalienischen Erdbebengebiets wird nach wie vor nach weiteren Opfern gesucht. Doch inzwischen nehmen auch die Pläne der Regierung von Premier Matteo Renzi für den Wiederaufbau konkretere Formen an. Die Regierung und der nationale Zivilschutz arbeiten an mehreren Fronten: an der Bereitstellung von provisorischen, aber winterfesten Unterkünften, an der Planung des Wiederaufbaus sowie an einem Aktionsprogramm mit dem Ziel, alle Gebäude, die sich in erdbebengefährdeten Zonen befinden, zu sanieren.

Der Wiederaufbau müsse «schnell gehen und gleichzeitig gut gemacht werden», betonte Renzi gestern. Und im Hinblick auf mögliche Korruption oder Infiltration durch die Mafia bei der Vergabe der Bauaufträge versprach der Premier grösstmögliche Transparenz: «Jeder Cent an öffentlichem Geld und an Spenden wird rigoros nachprüfbar sein.»

Ausser in der Nacht des Erdbebens hat im Katastrophengebiet niemand im Freien übernachten müssen: Innerhalb von 24 Stunden hatte der Zivilschutz Zeltstädte errichtet, die allen 2500 Bewohnern, die obdachlos geworden waren, in den kühlen Nächten Unterschlupf boten. Die blauen Zivilschutzzelte sollen aber nach dem Willen der Regierung so bald wie möglich wieder verschwinden: In nur einem Monat, so der ehrgeizige Plan der Regierung, soll den Zeltbewohnern eine neue, wintersichere Bleibe garantiert werden. Die Regierung hat es damit nur schon deshalb so eilig, weil das Erdbebengebiet auf über 800 Metern über Meer liegt: Bis der erste Schnee fällt, wird es nicht mehr allzu lange dauern.

Zuerst zu Verwandten

Viele obdachlos gewordene Bewohner von Amatrice, Accumoli, Pescara del Tronto, Arquata del Tronto und den anderen vom Beben heimgesuchten Orten werden in den nächsten Tagen selber eine provisorische Unterkunft suchen – bei Verwandten, bei Freunden, in heil gebliebenen Zweitwohnungen. Ihnen will die Regierung zur Deckung der Kosten mit bis zu 600 Euro monatlich unter die Arme greifen. Für weitere Zeltbewohner werden die Behörden Wohnraum in öffentlichen Gebäuden bereitstellen, etwa in unbenutzten Kasernen. Und wie schon nach dem Erdbeben in L’Aquila vor sieben Jahren werden wohl einige hundert Erdbebenopfer vorübergehend in den Hotels an der Adria untergebracht werden, die in der Wintersaison ohnehin leer stehen.

Dann in Fertighäuser aus Holz

Bereits in etwa drei Monaten sollen die ersten Bewohner dann in die neuen Fertighäuser aus Holz einziehen können, welche die Regierung in der Nähe der zerstörten Ortschaften erstellen will. In diesen Häusern sollen die Betroffenen während der schätzungsweise fünf bis zehn Jahre, die der Wiederaufbau beanspruchen wird, wohnen. Ähnliche Wohnmodule waren auch nach dem Erdbeben von L’Aquila zum Einsatz gekommen, beispielsweise in dem völlig zerstörten Dorf Onna. Dort leben die Bewohner freilich heute noch in den Fertighäusern; der Wiederaufbau hat nie begonnen.

Das soll sich nach dem Willen von Renzi nach dem neuen Erdbeben auf keinen Fall wiederholen. Schon im kommenden Frühjahr, berichteten gestern die italienischen Medien, soll im Erdbebengebiet mit dem Wiederaufbau begonnen werden – und zwar dort, wo sich die zerstörten Dörfer schon immer befunden hatten. Beim Wiederaufbau wird die Regierung Renzi dem Vernehmen nach auf die Hilfe des Star-Architekten Renzo Piano zurückgreifen, mit dem sich der Premier am Wochenende in Genua vier Stunden lang unterhalten hat. Der Senator auf Lebenszeit, Piano, könnte zum Chef einer Task-Force ernannt werden, die sich mit den ortsplanerischen Aspekten des Wiederaufbaus befasst.

Mit gleichem Hochdruck kümmert sich die Regierung um das Aktionsprogramm «Casa Italia», das dafür sorgen soll, dass in Italien künftig nicht mehr nach jedem Beben festgestellt werden muss, dass die meisten Gebäude – auch Schulen und Spitäler – wegen haarsträubenden Baumängeln einstürzten. Zum einen gilt es also, sicherzustellen, dass bei Neubauten künftig die Bauvorschriften eingehalten werden. Zum anderen muss das bereits bestehende Bauvolumen saniert und erdbebensicher gemacht werden. Eine Mammutaufgabe angesichts von rund fünf Millionen sanierungsbedürftigen Gebäuden. Insgesamt will die Regierung laut Medienberichten künftig 2 bis 3 Milliarden Euro jährlich in Form von Subventionen und Steuervergünstigungen für die Prävention zur Verfügung stellen.