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Sie sprach Klartext

In der «Arena» über Armut: Diese Zuschauerin erklärt, weshalb ihr Geld nicht für den Zahnarzt reicht

In der «Arena» ging es darum, wie schnell Familien aufgrund verschiedener Kostenpunkte wie Miete, Krankenkasse oder Kinderbetreuung in die Armut abrutschen können. Die Politikerinnen und Politiker redeten viel um den heissen Brei herum – aber eine Betroffene sprach Klartext.

Claudia Schwarz hat mit Geldproblemen zu kämpfen. In der «Arena» vom Freitagabend gab sie einem Publikum von mehreren Zehntausend Menschen sehr persönliche Einblicke in ihre finanzielle Situation.

Claudia Schwarz gab einen Einblick ihre Situation.
Bild: Screenshot SRF

Die Moderatorin Nathalie Christen empfing Schwarz herzlich und fragte sie, ob es viel Mut erfordert habe, ins SRF-Studio zu kommen. Schwarz antwortete: «Ja, sich so in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist nicht einfach.» Sie schien nicht nervös. Schwarz’ Auftreten vor der Kamera war sehr souverän – sie performte besser als einige Schweizer Politiker, die bereits dutzende Medientrainings besucht haben.

Schwarz arbeitet 70 Prozent als Sozialversicherungsfachfrau und hat drei Kinder im Alter zwischen 17 und 28 Jahren. Jedes dieser Kinder hat entweder ein körperliches oder psychisches Handicap. Sie wohnt alleine mit ihrem 18-jährigen Sohn, während ihre 17-jährige Tochter unter der Woche in einem betreuten Wohnheim lebt. Obwohl die Kinder fast erwachsen sind, ist die finanzielle Lage immer noch angespannt: «Weil meine Tochter im betreuten Wohnen ist, leiste ich Unterhaltsbeiträge. Das Geld, das mir im Monat noch zur Verfügung steht, ist nicht viel mehr, als wenn ich Sozialhilfe beziehen würde.»

Moderatorin Nathalie Christen sprach mit Claudia Schwarz.
Bild: Screenshot SRF

Mit den 3900 Franken, die nach den Abgaben übrig bleiben, muss sie monatlich die Krankenkassenkosten in Höhe von rund 720 Franken sowie die Monatsmiete von 1400 Franken bezahlen. «Alle Kosten, die unverhofft kommen, werden zu einem Drahtseilakt», erklärte sie.

Es gebe immer wieder Situationen, an denen sie bereits fünf Tage, bevor der Lohn komme, mit fünf Franken im Einkaufsladen stehe, weil nicht mehr Geld übrig sei. Zeitweise habe sie nur dank der Kreditkarte überlebt. Bis heute zahle sie die Kreditkarte ab.

«Ich spare an mir», sagte sie. Sie gönne sich wenig, trage die alten Kleider der Kinder. In den Ferien war sie vor fünf Jahren zuletzt, der 28-jährige Sohn habe sie eingeladen, den letzten Friseurbesuch haben ihre Mitarbeitenden ihr bezahlt. Zahnschmerzen habe Schwarz schon lange, aber das Geld reiche schlicht nicht für einen Zahnarztbesuch. Nun überlegt sie, eine Stiftung um Hilfe für den Eingriff zu bitten.

Schwarzs Situation verdeutlicht: Kinder zu bekommen, birgt ein finanzielles Risiko und kann im schlimmsten Fall sogar den sozialen Abstieg in die Armut bedeuten. Es stellt sich die Frage, wann die Politik gefragt ist, um einzugreifen. Deshalb diskutierten im Studio über das Thema «Familien mit Geldsorgen»:

Barbara Steinemann, Nationalrätin SVP/ZH

Samira Marti, Co-Fraktionschefin SP

Patricia von Falkenstein, Nationalrätin LDP/BS

Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat Die Mitte/SO

Christen und ihr Team hatten ein volles Programm geplant: von Kinderbetreuung über Mietkosten bis hin zu den steigenden Krankenkassenprämien wurden alle Kostenpunkte besprochen, mit denen Familien konfrontiert sind. Die Krankenkassenprämien sorgten bei den Gästen für besonders viel Diskussionsbedarf – nicht zuletzt, weil das Schweizer Stimmvolk im Juni über die Kostenbremse-Initiative der Mitte und die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP abstimmt.

Das ist die Kostenbremse-Initiative

Die Initiative verpflichtet den Bund, in der obligatorischen Krankenversicherung eine Kostenbremse einzuführen: Er muss zusammen mit den Kantonen, den Krankenkassen und den Erbringern von medizinischen Leistungen dafür sorgen, dass die Kosten nicht viel stärker steigen als die durchschnittlichen Löhne und die Gesamtwirtschaft wachsen. Beträgt das Kostenwachstum zwei Jahre nach Annahme der Initiative mehr als 20 Prozent des Wachstums der Löhne und haben die Tarifpartner bis zu diesem Zeitpunkt keine Massnahmen ergriffen, müssen Bund und Kantone kostendämpfende Massnahmen beschliessen. Die Massnahmen müssen im folgenden Jahr wirken. Wie stark die Kosten längerfristig steigen dürfen, muss das Parlament im Gesetz festlegen. Die genaue Ausgestaltung der Kostenbremse und der Massnahmen, mit denen Bund und Kantone die Kosten dämpfen sollen, wird im Initiativtext nicht näher ausgeführt. Das Parlament muss dies im Gesetz regeln.

Für Barbara Steinemann von der SVP ist klar: Die Politik sollte nicht noch mehr subventionieren, sondern deregulieren. Sie lehnt beide Initiativen klar ab, sieht jedoch gewisse positive Aspekte bei der Kostenbremse-Initiative.

Die Politik soll deregulieren, findet Barbara Steinemann.
Bild: Screenshot SRF

Samira Marti, Co-Fraktionschefin der SP, hatte für die Worte von Steinemann nur ein müdes Lächeln übrig. Sie betonte, dass Schweizer Familien endlich finanziell besser unterstützt werden müssen, da die Kinder schliesslich die Zukunft unseres Landes seien. Marti warb in der «Arena» fleissig für die Prämien-Entlastungs-Initiative.

Samira Marti: Das eine machen, aber das andere nicht lassen.
Bild: Screenshot SRF

Das ist die Prämien-Entlastungs-Initiative

Die Kosten im Gesundheitswesen sind in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen und damit auch die Krankenkassenprämien. Gleichzeitig sind Löhne und Renten kaum gestiegen. Die Prämien-Entlastungs-Initiative fordert, dass die von den Versicherten zu übernehmenden Prämien höchstens 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens betragen. Die Prämienverbilligungen müssten zu mindestens zwei Dritteln vom Bund und für den Rest von den Kantonen finanziert werden. Wie das verfügbare Einkommen bestimmt wird und welche Prämie für die Berechnung massgebend ist, müsste das Parlament bei der Umsetzung der Initiative bestimmen.

Patricia von Falkenstein von der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) wollte davon nichts wissen. Sie argumentierte, dass es in der Schweiz viele Stiftungen mit Geld gebe, die Abhilfe leisten könnten. Von Falkenstein lehnt, wie auch Steinemann, die Kostenbremse-Initiative und die Prämien-Entlastungs-Initiative ab. Sie betonte, dass viele Menschen bei der Wahl ihrer Krankenkasse besser beraten werden müssten, um Kosten einzusparen. Es seien die kleinen Dinge, die man ändern sollte. Es gebe viele Prozesse, die optimiert werden könnten, um ebenfalls Kosten zu sparen.

Stefan Müller-Altermatt war für die Prämienentlastungs-Initiative.
Bild: Screenshot SRF

Da platzte Stefan Müller-Altermatt von der Mitte der Kragen. «Es ist widersprüchlich!», ruft er. Es werde immer gesagt, dass die Kostenbremse-Initiative zu unpräzise sei, aber zwei Minuten später heisse es, man müsse die kleinen Dinge verändern. Er schnaufte: «Aber das macht man ja nicht. Darum braucht es jetzt diesen Verfassungsartikel, damit Druck ausgeübt wird, auf diese kleinen Dinge. Und dann sinken die Kosten.»

Es folgte ein Hickhack darüber, was der Markt selbst regeln kann und wo staatliche Unterstützung benötigt wird. Konsens fanden die beiden Seiten in keinem der Punkte. Weder bei der Miete, der Krankenkasse noch der Kinderbetreuung. Doch einer hörten am Schluss der Sendung alle aufmerksam zu – Claudia Schwarz.

Christen fragte Schwarz, was denn für sie als Betroffene wichtig sei in der Diskussion. Schwarz ist überzeugt, dass ein einfacheres System die armutsbetroffenen Menschen entlasten könnte, damit sie nicht für jede Vergünstigung bei einer anderen Stelle nachfragen müssten. Denn wenn eine Zahlung nicht funktioniere, dann breche die ganze finanzielle Situation zusammen. «Ich hätte mir gewünscht, dass es eine Art Ergänzungsleistung gibt, so wie jene für die Rentner. Damit man seine Unterlagen nur einer Stelle zeigen muss, und nicht überall Anträge stellen muss.» Das aktuelle System sei zu kompliziert, berge einen enormen Zeitaufwand und sei eine weitere Belastung: «Man wird müde, und es schlägt auf die Gesundheit.»