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Arbeitsmarkt

Immer mehr Grenzgänger: So viele Menschen wie noch nie leben im Ausland und verdienen ihr Geld in der Schweiz

Im vergangenen Jahr haben sich wieder deutlich mehr Menschen zum Arbeiten in der Schweiz niedergelassen. Und auch die Zahl jener, die täglich über die Grenze pendeln, erreicht einen Rekord. Was politisch umstritten ist, freut die Wirtschaft – besonders in einem Bereich.

Nicht nur die Zuwanderung steigt nach Corona wieder stark an. Auch immer mehr Menschen pendeln zur Arbeit in die Schweiz. (Symbolbild)
Bild: Benjamin Manser

380'821 Menschen pendeln zur Arbeit in die Schweiz. Zum Vergleich: Diese Anzahl Personen, die zur Arbeit täglich die Grenze quert, entspricht in etwa der Bevölkerung des Kantons Tessins. Das ist Rekord.

Konkret ist die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger damit innert Jahresfrist um 6,1 Prozent gestiegen, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Dienstag mitteilt. Und auch ihr Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung hierzulande nahm vergangenes Jahr um 0,4 Punkte auf 7,3 Prozent zu.

Wie das BFS schreibt, erfolgt der Anstieg bei Männern und Frauen im Gleichschritt. Und nach einer Abschwächung des Wachstums in der ersten Coronawelle ist die Zahl der in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgänger seither relativ stabil weitergewachsen.

Nach Regionen betrachtet zeigen sich derweil die altbekannten Unterschiede: Am stärksten steigt der Grenzgänger-Anteil im Kanton Genf (7,6 Prozent gegenüber 2021), gefolgt von der Waadt (10,6 Prozent) und dem Tessin (4,4 Prozent). Dies sind – zusammen mit der Nordwestschweiz – denn auch weiterhin die drei Regionen mit den schweizweit meisten Grenzgängerinnen und Grenzgängern:

Im Tessin pendelt jede dritte beschäftigte Person über die Grenze

Im Vergleich zur werktätigen Bevölkerung sind im Tessin mit 32,6 Prozent die meisten Grenzgängerinnen und Grenzgänger tätig, gefolgt von Genf (28,8 Prozent) und dem Jura (24,2 Prozent).

Dank der brummenden Wirtschaft scheinen die steigenden Zahlen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger derzeit nicht – wie so oft kritisiert – auf Kosten hiesiger Arbeitskräfte zu gehen. Zumindest lassen diesen Schluss die rekordtiefen Arbeitslosenzahlen im vergangenen Jahr zu.

Und wer sich fragt, wo diese Arbeitskräfte aus dem grenznahen Ausland hierzulande denn Arbeit finden, erhält in der aktuellen Grenzgängerstatistik ebenfalls Antworten:

Während Grenzgängerinnen und Grenzgänger schon länger stark vertreten sind in Temporärjobs und im Detailhandel, hat der Kampf um Mitarbeitende im Gesundheitswesen seit der Pandemie zuletzt teilweise dramatische Züge angenommen. Denn nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den umliegenden Ländern (und in ganz Europa) herrscht in diesem Bereich derzeit ein akuter Fachkräftemangel.

Zuletzt kritisierte beispielsweise der Französische Botschafter in Bern die Schweiz für den Abzug von Fachkräften, die dann in französischen Spitälern fehlten. Die neuesten Bundeszahlen scheinen nun Frédéric Journès These zu untermauern. Mit 8 Prozent ist ihr Anteil im vergangenen Jahr am stärksten angestiegen. Und in Genf beispielsweise stellen Grenzgängerinnen und Grenzgänger inzwischen knapp einen Viertel der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen:

Allerdings ist die Situation in Genf kein neues Phänomen. Bereits vor der Coronapandemie lag der Grenzgänger-Anteil im Gesundheitswesen der Rhonestadt bereits bei rund 22 Prozent.

Insgesamt verdeutlichen die Zahlen des Bundesamts für Statistik jedoch, dass das Schweizer Gesundheitswesen immer stärker von Grenzgängern abhängig ist. So hat sich deren Anzahl im vergangenen Jahrzehnt nahezu verdoppelt:

Ganz generell hat der Anteil Grenzgänger an der werktätigen Bevölkerung laut den offiziellen Zahlen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen – von 5,8 Prozent im Jahr 2013 auf 7,3 Prozent im vergangenen Jahr.

Nach Herkunft betrachtet stammt gut die Hälfte aller Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Frankreich (56,3 Prozent), gefolgt von Italien (23,5 Prozent) und Deutschland (17,1 Prozent). Weit tiefer liegen die Werte der anderen Anrainerstaaten Österreich (2,3 Prozent) und Liechtenstein (0,2 Prozent).

Auch Zuwanderung aus EU/Efta steigt rasant an

Nebst pendelnden Grenzgängerinnen und Grenzgängern haben sich im vergangenen Jahr aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt auch wieder mehr Menschen zum Arbeiten in der Schweiz niedergelassen. Konkret kamen aus der EU und den Efta-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen insgesamt 114’393 Personen in die Schweiz, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) vergangene mitteilte.

Das sind knapp 20’000 Zuzüge mehr aufgrund der Personenfreizügigkeit mit den EU- und Efta-Ländern als im Vorjahr. Aus Drittstaaten zogen vergangenes Jahr 48’042 Personen zum Arbeiten zu in die Schweiz.

Italiener, Deutsche, Portugiesen ...

Gleichzeitig haben 73’736 Personen die Schweiz 2022 verlassen. Unter dem Strich betrug der Wanderungssaldo also 81’345 Personen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 19’891 Personen und damit inzwischen wieder in etwa vergleichbar mit dem Vor-Corona-Niveau.

Weil sich nur hier niederlassen kann, wer auch über eine Anstellung verfügt, stieg auch die Zahl der neu angestellten ausländischen Arbeitskräfte um 26 Prozent respektive 90’633 Personen stark an. Insgesamt lebten damit Ende 2022 rund 2,24 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz. Nach wie vor die grösste Bevölkerungsgruppe stellen Italienerinnen (335’000 Personen), gefolgt von Deutschen (317'544) und Portugiesinnen (257'829).