Hurrikan «Melissa» hat in der Karibik eine Spur der Verwüstung hinterlassen: In Kuba, Haiti und Jamaika kamen Dutzende Menschen ums Leben. Der Wirbelsturm richtete massive Zerstörungen an, deckte Dächer ab und zerriss Stromleitungen. Erdrutsche blockierten Strassen, Häuser standen unter Wasser. «So etwas habe ich in all den Jahren, die ich hier wohne, noch nie erlebt», sagte Jennifer Small in Santa Cruz in Jamaika.

Melissa traf am Dienstag als verheerender Hurrikan der Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 295 Kilometer pro Stunde auf Jamaika – einer der stärksten jemals im Atlantik gemessenen Hurrikane. Später schwächte er sich ab und zog weiter nach Kuba. Doch auch Länder ausserhalb des direkten Wegs des gewaltigen Sturms bekamen seine verheerenden Auswirkungen zu spüren.
Viele Tote in Haiti
In einer Küstenstadt in Haiti kosteten Überschwemmungen mindestens 25 Menschen das Leben. Dutzende Häuser in Petit-Goâve stürzten ein. Bürgermeister Jean Bertrand Subrème appellierte eindringlich an die Regierung, den Opfern zu helfen. Lediglich ein Beamter des haitianischen Zivilschutzes war vor Ort, während die Menschen versuchten, sich vor den Wassermassen in Sicherheit zu bringen.
Der Hurrikan tobte am Mittwoch nordwestlich von Kuba und schwächte sich etwas ab. «Melissa» wurde zu einem Hurrikan der Stärke 2 herabgestuft und erreichte Windgeschwindigkeiten bis 165 Kilometer pro Stunde. Die kubanischen Behörden meldeten eingestürzte Häuser, blockierte Bergstrassen und abgedeckte Dächer. Im Osten der Insel suchten mehr als 700'000 Menschen in Notunterkünften Schutz.

«Das war die Hölle. Die ganze Nacht lang war es furchtbar», sagte Reinaldo Charon in Santiago de Cuba. Der 52-Jährige war einer der wenigen, die sich am Mittwoch trotz des immer wieder einsetzenden Regens auf die Strasse wagten.
USA schicken Hilfe
In Jamaika suchten mehr als 25'000 Menschen Zuflucht in Notunterkünften, und im Laufe des Mittwochs kamen weitere hinzu. Bildungsministerin Dana Morris Dixon sagte, 77 Prozent der Insel seien von der Stromversorgung abgeschnitten. Die Wasserversorgung sei hingegen nicht stark betroffen.

Die Stromausfälle erschweren die Bewertung der Schäden. Der amtierende Generaldirektor des Katastrophenschutzes, Richard Thompson, sagte gegenüber dem Nachrichtensender Nationwide News Network, in einigen Gebieten sei es zu einem totalen Kommunikationsausfall gekommen.
Ministerpräsident Andrew Holness wollte sich laut Dixon aus der Luft ein Bild von der Lage in einigen der am stärksten betroffenen Gebiete machen. Die USA kündigten die Entsendung von Rettungs- und Einsatzteams zur Unterstützung der Hilfsmassnahmen in der Karibik an.
Überschwemmungen auf Kuba
Annette Lowe sagte, es sei der schlimmste Sturm gewesen, den sie je erlebt habe. «Mein gesamtes Dach ist weg, und im Moment droht das Wasser auch noch die Rückseite meines Hauses zu überfluten», sagte sie. In der Nähe sass der 84-jährige David Muschette inmitten der Trümmer seines Hauses. Er habe alles verloren, sagte er und zeigte auf seine nassen Kleider und Möbel, die im Gras verstreut lagen. «Ich brauche Hilfe», flehte er.
«Melissa» sei mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde nahe der Ortschaft Chivirico im Südosten von Kuba auf Land getroffen, teilte das US-Hurrikanzentrum (NHC) in Miami mit. Zuvor hatte sich der Sturm von der höchsten Kategorie 5 auf 3 abgeschwächt. Teile der Provinz Granma, insbesondere die Hauptstadt Jiguaní, standen unter Wasser, wie Gouverneurin Yanetsy Terry Gutiérrez mitteilte.
Hunderttausende in Sicherheit gebracht
Auf der sozialistischen Karibikinsel seien mehr als 700'000 Menschen in Sicherheit gebracht worden, sagte Präsident Miguel Díaz-Canel. In mehreren Provinzen waren bereits am Montag zahlreiche Schulen vorsorglich geschlossen worden.
«Melissa» dürfe nicht unterschätzt werden, warnte der Präsident in einer Fernsehansprache. Es sei der stärkste Sturm, der Kuba je getroffen habe. «Es wird viel zu tun geben. Wir wissen, dass es viele Schäden geben wird», ergänzte er.
Die Auswirkungen des Hurrikans könnten die schwere Wirtschaftskrise in dem Land mit seinen rund elf Millionen Einwohnern verschärfen. Diese hat auf Kuba bereits zu lang anhaltenden Stromausfällen sowie zu Treibstoff- und Nahrungsmittelknappheit geführt.
Das Zentrum von «Melissa» sollte am Mittwochabend zunächst über den Südosten der Bahamas hinwegziehen und am Donnerstagabend westlich von Bermuda seinen Weg fortsetzen. (dpa)