Es sah so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen: Am 29. Mai letzten Jahres demolierten Sion-Fans auf dem Rückweg vom Fussball-Cupfinal in Basel gegen Neuenburg Xamax den Zug, mit welchem sie zuvor ans Spiel gereist waren. Die Bilanz der SBB: Totalschaden. Auf rund drei Millionen Franken jährlich beziffern die SBB laut Mediensprecher Reto Kormann die ungedeckten Kosten, die ihnen durch randalierende Sportfans entstehen. Zehn Prozent davon sind Schäden am Material. Eine Discothek würde längst die Türsteher beauftragen, die Krawallmacher hinauszuwerfen. Doch genau das dürfen die Schweizer Transportunternehmen nicht. Per Gesetz sind sie bisher verpflichtet, jede Person, die im Besitz eines gültigen Billettes ist, von A nach B zu transportieren.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV), zuständig für die Sicherheit des Bahnverkehrs in der Schweiz, hat sich nach dem Cupfinal an die Arbeit gemacht: «Wir müssen den Bahnen helfen, so kann es nicht weitergehen», sagte damals BAV-Direktor Peter Füglistaler. Zur Diskussion stand ein Alkoholverbot in Zügen, Alkoholtests, ein Glasflaschenverbot, ein Rausschmiss auf offener Strecke und gewisse Ausnahmen von der Transportpflicht. «Diese Arbeiten sind noch im Gang», sagt Florence Pictet vom BAV. Konkrete Vorschläge seien aber noch in diesem Jahr zu erwarten.
Immer deutlicher zeichnet sich nun ab, dass die Transportunternehmen künftig ein umfassendes Recht erhalten, gewisse Personen nicht mehr zu transportieren. Am 21. Februar hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats einstimmig einen entsprechenden Antrag von Edith Graf-Litscher gutgeheissen. «Es geht mir um die Sicherheit des Zugpersonals und der übrigen Passagiere», sagt die Thurgauer SP-Nationalrätin gegenüber der az. Der Bundesrat wird beauftragt, das Personenbeförderungsgesetz so zu ändern, dass Personen «aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vom Transport ausgeschlossen werden können».
Auch wenn die Kommissionsmotion noch von den Räten behandelt werden muss: Die Richtung ist vorgegeben. Gewalttätige Sportfans werden künftig bald zu Fuss gehen müssen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Ein Ausweichen auf Car-Unternehmen dürfte schwierig werden. Bereits heute weigern sich einzelne Car-Unternehmen, gewisse Fangruppen zu transportieren.
Missbräuche verhindern
Die Verschärfung des Personenbeförderungsgesetzes könnte eine umso grössere Wirkung erhalten, weil mit dem revidierten Hooligan-Konkordat (siehe Box) der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vermehrt Kombitickets vorgesehen sind. Das bedeutet: Fans können für Auswärtsspiele mit Risikopotenzial nur ein Ticket kaufen, wenn sie gleichzeitig ein Zugbillett erwerben. Die Fans reisen so geschlossen in Charterzügen an, was die Kontroll- und Lenkungsmöglichkeiten verbessert. Sollte der Vorschlag der Kommission Gesetzeskraft erhalten, könnten solche Züge künftig angehalten und polizeilich geräumt werden, wenn es zu massiven Sach- und Personenschäden kommt. Je nach Formulierung von Gesetz und Verordnung könnte gewalttätigen Fans auch längerfristig die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel untersagt werden.
Karin Keller-Sutter, Präsidentin der Justizdirektoren, begrüsst die geplante Gesetzesänderung. Sie glaubt nicht, dass Hooligans dann wieder vermehrt die normalen Züge benutzen werden. «Die Fans reisen gerne in Gruppen an. Einzeln macht es weniger Spass.» SP-Politikerin Graf-Litscher ruft aber in Erinnerung, dass ein solches Transportverbot «mit Umsicht» umzusetzen sei. Insbesondere gelte es, willkürliche Verbote zu verhindern. Es sei nun Aufgabe des Bundes, die Details sauber zu regeln.