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Skandal

Hitlergruss im EU-Parlament: Polnischer Hitzkopf sorgt für Eklat

Es ist beleibe nicht die erste Provokation, für die der polnische EU-Parlamentarier Janusz Korwin-Mikke sorgt. Bei der Debatte um die Einführung eines EU-weiten Führerscheins sorgte er mit einer Hitlergruss-Geste für Empörung.

Den polnischen Politiker Janusz Korwin-Mikke als «Exoten» zu bezeichnen, wäre gelinde gesagt eine Untertreibung. Das 72-jährige Mitgleid des Europäischen Parlaments vertritt neben seinen libertären bis rechtsextremen Positionen auch gesellschaftlich äusserst krude Ansichten.

Zum Beispiel lehnt er ein aktives Wahlrecht für Frauen ab, die er abschätzig als Zwischenform zwischen Kind und Mann bezeichnet. Von polnischen Juden forderte auch schon, in die Ghettos des Zweiten Weltkrieges zurückzukehren, und in einem Interview zum Thema Vergewaltigung sagte Korwin, Frauen würden grundsätzlich nur, vorgeben Widerstand zu leisten. Es liege deshalb im Ermessen des Mannes zu entscheiden, wann Geschlechtsverkehr angebracht sei. Seinem polnischen EU-Parlaments-Kollegen Michal Boni verpasste er letztes Jahr kurzerhand eine Ohrfeige.

«Ein Reich, ein Volk, ein Ticket»

Nun hat der Mann, der zu den reichsten Politikern Polens gehört und mit seiner eigenen Partei Koalition der Erneuereung der Republik Freiheit und Hoffnung (auf polnisch abgekürzt KORWIN) bei den Europa-Wahlen 2014 respektable 7,15 Prozent erreichte, für einen weiteren Eklat gesorgt.

Während der Debatte zur Einführung eines einheitlichen Bahn-Fahrscheins für ganz Europa verlangte Korwin-Mikke das Wort. Er sagte dann Folgendes: «Wir diskutieren die ganze Zeit über Vielfalt. Das Europäische Parlament ist dazu da, die Vielfalt zu bewahren.»

Und dann: «Aber bei jeder Abstimmung geht es um Vereinheitlichung. Ihr seid nicht für Vielfalt, sondern für Vereinheitlichung von allem.» Und dann hebt Korwin-Mikke den rechten Arm zum Hitlergruss und sagt: «Dieses Mal heisst es: Ein Reich, ein Volk, ein Ticket.» Sein Votum beendet er mit einem «Dankeschön».

Dass dem passionierten Bridge-Spieler und nach eigenen Aussagen polnischen Bridge-Landesmeister irgendwelche Konsequenzen drohen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. EU-Parlamentarier geniessen Redefreiheit und paralmentarische Immunität.

Kuriose EU-Parlamentarier

Normalerweise interessieren Debatten im Europäischen Parlament wegen ihren grösstenteils technokratischen Inhalts herzlich wenig.

Dem Auftritt von Korwin-Mikke zu grösserer Publizität verholfen hat der deutsche Spass-Politiker und ehemalige Chefredakteur des Satire-Magazins «Titanic» Martin Sonneborn. Der GröVaZ (Grösster Vorsitzender aller Zeiten) der Partei «Die PARTEI» ist der Sitznachbar von Korwin-Mikke.

Gemäss seinem Facebook-Eintrag fragte ihn Korwin-Mikke vor seiner Wortmeldung, was denn Ticket auf deutsch heisse. Darauf habe er geantwortet: «Sie können 'Ticket' sagen, das versteht jeder.» Dann sei Korwin-Mikke aufgestanden und habe zu reden begonnen. Sonneborn hat es sich nicht nehmen lassen, seinem Sitznachbarn noch das Mikrofon einzuschalten, was dieser vergessen habe. «Anschliessend: Mittagspause im EU-Parlament...», fügte Sonneborn lapidar an.

Sonneborn selbst sorgte seit seinem Einzug ins EU-Parlament 2014 auch für einiges Aufsehen. Beispielsweise erklärte er mehrmals, dass er bei den Abstimmungen abwechslungsweise Ja und Nein stimme. Bei einer Abstimmung war seine Stimme für das Ergebnis sogar ausschlaggebend. Über was da abgestimmt wurde, hatte er aber keine Ahnung. «Wir haben in 40 Minuten 204 Abstimmungen durchgeprügelt», sagte der 50-Jährige zu einer deutschen Zeitung. Und dazu, dass seine Entscheiudung ausschlaggebend war: «Ich war total baff.»

Mit seinen Kurzfilmen für «Spiegel TV» führt Sonneborn regelmässig vor Augen, wie absurd der Politik-Alltag in den EU-Institutionen mitunter sein kann. Ob er sich ernsthaft für seine Wahlversprechen wie «Inhalte überwinden» einsetzt, eine geheime reformistische Agenda verfolgt oder ob seine satirischen Auftritte lediglich Selbstzweck sind, überlässt Sonneborn genüsslich dem Zuschauer.

Allgemein finden sich im EU-Parlament einige zweifelhafte Figuren. Vorzugsweise in den rechten Parteien. Der prominenteste neben Holocaust-Leugner Jean-Marie le Pen ist wohl der Vorsitzende britischen Unabhängigkeitspartei Nigel Farage. Er bezeichnete den damaligen Präsidenten des Europäischen Rates Herman van Rompuy auch schon mal als «Waschlappen» oder «Marsmenschen».

Ein weiterer Paradiesvogel unter den 751 Abgeordneten ist Elena Băsescu, die Tochter des rumänischen Ex-Präsidenten Traian Băsescu, welche mehr durch ihr Jet-Set-Leben in Bukarest und ihre Versuche als Model als als ernsthafte Politikerin auffällt.

Auch zu erwähnen wäre Alessandra Mussolini, die Nichte des italienischen Diktators Benito Mussolini. Die 53-jährige bezeichnet sich selbst als neofaschistisch und orientiert sich an den Positionen ihres Grossvaters. Auch wettert sie regelmässig gegen Muslime und Homosexuelle. Ihr Ausspruch «besser Faschistin als schwul» sorgte 2006 für Empörung. Vor ihrer Karriere als Politikerin machte sie als Sängerin von sich reden. 1982 veröffentlichte sie die Single «Love is Love» und das Album «Amore».

Weniger durch seine politischen Positionen, als viel mehr durch sein Alter fällt der griechische EU-Parlamentarier Manolis Glezos auf. Der Herr ist nicht weniger als 93 Jahre alt. In Griechenland ist Syriza-Mitglied Glezos so etwas wie ein Nationalheld. Während der Nazi-Besatzung kämpfte er in der Wiederstandsbewegung: 1941 riss er die Hakenkreuz-Fahne von der Akropolis und wurde so landesweit bekannt. Später kämpfte er gegen die Militärdiktatur. Er wurde mehrmals zum Tode verurteilt, war zwölf Jahre in Haft und vier Jahre im Exil. Glezos leidet unter Flugangst und reist deshalb für gewöhnlich mit dem Schiff an.

Noch im hohen Alter von 88 Jahren beteiligte er sich im Jahr 2010 an den Protesten gegen den Sparkurs der griechischen Regierung.

Europawahlen sind Ventile

Es gibt mehrere Ursachen, weshalb es im Europäischen Parlament vergleichsweise viele Exoten, Wirrköpfe und Paradiesvögel hat. Zum einen geniessen Europawahlen bei den Bürgern nur geringe Aufmerksamkeit. Das macht es prominenten oder exzentrischen Personen leichter, wahrgenommen und gewählt zu werden. Zudem setzen viele Parteien gezielt auf Prominente als Wahlkampflokomotiven – auch weil ihnen erstklassiges Personal für die Europawahlen fehlt.

Zudem werden Europawahlen oft als Ventil verwendet. Die Bevölkerung lässt mit ihrem Votum Dampf über die eigene Regierung oder Dysfunktionen in der EU im Allgemeinen ab und wählt so vermehrt Protest- oder Splitterparteien.

Diese Parteien schaffen den Einzug aber nur, weil es in vielen Ländern – im Gegensatz zu nationalen Wahlen – bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nur geringfügige oder gar keine Prozenthürden gibt. Das macht einen Erfolg in der Proporz-Wahl für die relativ vielen Sitze des Europäischen Parlaments vergleichsweise einfach. (rhe)