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Gripen-Kauf

Historiker Jost zum Gripen-Deal: «Die reden einfach ins Blaue hinaus»

Historiker Hans Ulrich Jost kritisiert Ueli Maurers Handling des Kampfjetkaufs scharf. Viele Parlamentarier würden wie Autohändler argumentieren, so Jost. «Auch Ueli Maurer verglich den Rafale mit einem Ferrari und den Gripen mit einem VW.»

Herr Jost, als ehemaliger Militärpilot haben Sie sicher eine Antwort auf die Frage, ob die Schweiz für drei Milliarden Franken neue Kampfjets kaufen sollte.Hans-Ulrich Jost: Für die nächsten 15 Jahre ist der F/A-18 noch voll einsatzfähig. Zum jetzigen Zeitpunkt muss zumindest ein Ausstand in Bezug auf die Flugzeugbeschaffung überdacht werden.

Warum?
Um es etwas leichtfertig zu formulieren: Ein ausländisches Kampfflug- zeug, das in der Schweiz ein Ziel angreifen will, muss nicht einmal unsere Grenze überschreiten. Mit der äusserst bescheidenen Anzahl von 30 bis 40 Fliegern ist es für ein kleines Land wie die Schweiz ohnehin unmöglich, sich autonom zu verteidigen.

Sehen Sie eine Alternative?
Sinn machen würde die Integration der Schweizer Luftwaffe in die europäische Verteidigung – eventuell in die Nato. Doch hierzulande ist es ein Tabu, dieses Thema überhaupt anzusprechen, obwohl die Integration auch aus politisch-moralischer Sicht sinnvoll wäre: 30 bis 40 Flieger sind für die Schweiz eigentlich wertlos, weil sie bei einem wirklichen Konflikt sehr rasch zerstört würden. Wenn man hingegen 30 bis 40 Flugzeuge in einen gesamteuropäischen Verbund einfügt, haben sie auch ihren Sinn. Dann wären wir auch nicht auf bloss zwei Flugplätze angewiesen, weil auch sie im Kriegsfall sofort zerstört würden.

Sie sprechen von Krieg. Besteht der Auftrag der Luftwaffe denn nicht in 99 Prozent der Fälle in der Erfüllung des Luftpolizeidienstes zu Friedenszeiten?
Das ist richtig, aber die Verantwortlichen haben das nie so gesagt, auch Ueli Maurer nicht. Nach wie vor herrscht Unklarheit über Zweck und Einsatz des neuen Flugzeugs. Mal ist es Luftkampf, dann Raumschutz oder Erdkampf. Die politischen Behörden hatten schon immer sehr wenig Verständnis dafür, was eine Militärluftwaffe ist. Die reden einfach etwas ins Blaue hinaus.

Warum dieses vernichtende Zeugnis?
Viele Parlamentarier argumentieren wie Autohändler. Auch Ueli Maurer verglich den Rafale mit einem Ferrari und den Gripen mit einem VW – mir persönlich stehen in solchen Momenten die Haare zu Berg.

Was ist an der Kommunikation Maurers auszusetzen? Heutzutage haben die Bundesräte doch Heerscharen von PR-Fachleuten.
Zum Beispiel habe ich im Vorfeld der Kampfjetevaluation von niemandem gehört, welche Kriterien bei der Typenwahl im Vordergrund stehen oder welche Personen beim Evaluationsverfahren federführend sind. Historisch gesehen fällten ebendiese Leute die wirklich wichtigen Entscheide. Man hätte schon von Anfang an sagen können, dass es nicht darum geht, das beste Flugzeug zu kaufen, sondern dass der Preis und die Leistung in einem Gleichgewicht zueinander stehen müssen – das wurde erst im letzten Moment kommuniziert, als die Krise schon da war.

Das Lobbying der Kampfjethersteller verstärkt die Verwirrung. Ueli Maurer sprach am Dienstag von «Störmanövern».
Schon in der Vergangenheit mobilisierten die Hersteller bei Kampfjetbeschaffungen unglaublich viele Leute für Lobbying-Dienste. Ich weiss von einem lange zurückliegenden Fall, bei dem ein so genannter «Fachmann» einen Monat lang in die Ferien eingeladen wurde.

Ist heute noch Korruption im Spiel?
Ich kann nur von der Vergangenheit sprechen. Da in der Geschichte gewisse Traditionen Bestand haben, kann man das nicht ausschliessen.

Letzte Frage: Erwarten Sie, dass der Gripen die Abstimmung im Parlament, aber auch im Volk überlebt?

Ich glaube, es wird sehr schwierig, die Verunsicherung ist zu gross. Ueli Maurer, der die beste Armee der Welt wollte, ist nun von seinen eigenen grossen Sprüchen eingeholt worden.