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«Herr Rimoldi hat etwas nicht ganz verstanden» – Covid-Arena reisst alte Gräben auf

Die Schweiz stimmt erneut über das Covid-19-Gesetz ab. Die Arena dazu wärmt alte Argumente auf und beleuchtet die zementierten Fronten. Wer davor für das Covid-19-Gesetz war, wird es auch nach dieser Sendung noch sein.

Die Abstimmungsarena zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Bereits zweimal wurde über das Covid-19-Gesetz abgestimmt – und zweimal gab es ein deutliches «Ja» seitens der Demokratie. Doch am 18. Juni 2023 darf das Stimmvolk in der Schweiz erneut über das Covid-19-Gesetz abstimmen, denn ein Komitee hat das Referendum ergriffen.

Ist dieses (bereits dritte) Referendum reine Täubelei oder braucht es tatsächlich eine erneute Abstimmung? Darüber stritten in der «Arena»:

Nicolas Rimoldi, Co-Präsident Referendumskomitee und Präsident Massvoll

Roland Bühlmann, Co-Präsident Referendumskomitee und Präsident Freunde der Verfassung

Daniel Jositsch, Ständerat SP

Tina Deplazes, Vize-Präsidentin Die Junge Mitte

Ausserdem im Studio waren:

Claude Ammann, Inhaber eines Fitnesscenters

Lukas Reimann, Nationalrat SVP

Martin Bäumle, Nationalrat GLP

Matthias Michel, Ständerat FDP

Die Positionen

Moderiert wurde die Sendung von Mario Grossniklaus. In einem Nebenraum koordinierte Katharina Locher die sogenannte «Faktencheck-Redaktion», in der live Unstimmigkeiten zwischen den Gästen geklärt wurden.

Das Referendumskomitee hat den Auftakt. Bühlmann erzählt, dass es in der Schweiz noch nie ein Gesetz gegeben habe, dass die Schweiz so sehr gespalten und das so viel Hass erzeugt habe wie das Covid-19-Gesetz. Darum müsse es weg. Nicolas Rimoldi behauptet:

«Die Coronamassnahmen dürfen nie mehr zurückkommen. Wir haben genug von Spaltung in der Schweiz. (...) Es darf nie mehr passieren, dass Menschen, die frei über ihren Körper entscheiden – beispielsweise sich nicht impfen wollen –, vom sozialen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.»

Tina Deplazes kontert: Es brauche eine Rechtsgrundlage, um im Notfall schnell zu handeln und vulnerable Personen zu schützen, sollte eine neue gefährliche Virusvariante auftauchen. Daniel Jositsch wird deutlich:

«Herr Rimoldi und Herr Bühlmann haben etwas einfach nicht ganz verstanden: Verantwortlich für die Situation war nicht das Covid-19-Gesetz, sondern die Pandemie.»

An dieser Stelle ist die Arena eigentlich erzählt. Die Fronten sind verhärtet. Die Argumente drehen sich im Kreis. Und es sind häufig dieselben, wie sie es bereits bei den letzten beiden Abstimmungen waren.

Bühlmann wirft Jositsch an den Kopf, dass er Fake News verbreite. Und Jositsch hält es für dienlich, wenn die Befürworter des Referendums «weniger polemisch» wären.

Die immer selben Argumente neu aufgewärmt

Das Referendumskomitee setzt das Wort «Pandemie» in Anführungszeichen, seine Co-Präsidenten twittern über «Gesundheits-Faschismus» und werfen den Gegnern vor, «Angstpropaganda» zu betreiben. Es gebe genügend Beispiele von Ländern, die weniger harte Massnahmen und trotzdem weniger Tote und weniger Fallzahlen gehabt hätten, so Rimoldi im 1:1. Das Wichtigste sei jetzt, eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Das betont er mehrfach.

Als Grossniklaus Bühlmann darauf anspricht, dass neue gefährliche Varianten wieder kommen könnten, antwortet der Arena-Gast: «Ich weiss ja nicht, von welcher Wissenschaft – die Sie ja so gerne zitieren – Sie das haben.» Man habe jahrelang von der «absurden Idee» gelebt, dass das Leben aufgrund von mathematischen Modellen planbar sei.

Hier greift die Faktencheck-Redaktion zum ersten Mal ein. Die Wissenschafts-Journalistin Kathrin Zöfel erläutert:

«Viren können grundsätzlich gefährlicher werden. Das kann passieren.»

Rimoldi äussert im Weiteren die Befürchtung, dass man das Gesetz immer und immer wieder verlängern könnte.

«Sie müssen das Medikament ja nicht einnehmen»

Die Befürworter des Covid-19-Gesetzes werfen in den Ring, dass es in erster Linie um die vulnerablen Menschen gehe sowie um die Menschen mit Long Covid. Gerade für sie sei es wichtig, dass weiterhin neue Medikamente entwickelt oder an Medikamenten geforscht werde – und zwar jetzt und nicht erst, wenn es zu spät sei. «Sie müssen das Medikament ja nicht einnehmen», so Jositsch zu Rimoldi.

Deplazes richtet sich in dieser Sache ebenfalls an die Gegner des Covid-19-Gesetzes:

«Mit dem Gesetz haben wir eine super Ausgangslage, Medikamente für Hochrisikopatienten zu importieren. Und Sie sagen da jetzt wieder ‹nein›. Ich sehe nicht ein, wie man so unsolidarisch handeln kann.»

GLP-Nationalrat Bäumle meint, dass es sich schon allein wegen dieser Medikamente lohne, das Gesetz anzunehmen – er würde darum lieber über diesen Aspekt diskutieren, als über das Covid-Zertifikat. Jositsch geht im 1:1 trotzdem auf das Zertifikat ein und erläutert, warum man das Zertifikat nicht einfach abschaffen sollte. Hauptsächlich darum, weil es immer noch Staaten gebe, die das Zertifikat für die Einreise verlangten.

Zum Argument, dass die Covid-Massnahmen Freiheiten beschränkt hätten, sagt er: Impfen und Zertifikatspflicht seien keine Einschränkung der Freiheit gewesen, sondern hätten der Gesellschaft wieder Freiheiten ermöglicht. «Es geht um internationale Kompatibilität», ergänzt Deplazes.

Rimoldi widerspricht: «Die Menschen sind unter massiven Druck gesetzt worden.» Tatsächlich hätten vor allem unter den Jungen Angststörungen zugenommen. Die Faktencheck-Redaktion erklärt, dass es wissenschaftlich nicht klar, ob die Massnahmen, die Pandemie per se oder beides zusammen für diese Entwicklung zuständig sei.

Im Juni geht es an den Wahlurnen also wieder um die Änderung des Covid-19-Gesetzes, welches das Notrecht des Bundes abgelöst hat. Ein Teil des Gesetzes ist bereits ausser Kraft, ein anderer Teil wurde bis Mitte 2024 verlängert. Sollte das Referendumskomitee an der Urne siegreich sein, würden diese Bestimmungen bereits Mitte Dezember 2023 ausser Kraft treten.