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Doppelmandat

Heikle Machtkonzentration bei Schweizer Industrieunternehmen

Im Industrieunternehmen Dormakaba kommt es zu einer heiklen Machtkonzentration. Der langjährige Chef Riet Cadonau strebt zusätzlich zu einem Posten als Konzernchef auch das Verwaltungsratspräsidium des Schliesstechnik-Unternehmens an. Stimmen die Aktionäre dem Begehren zu, wird das Unternehmen für mindestens die nächsten zwei Jahre auf Stufe Geschäftsleitung und Verwaltungsrat von ein und derselben Person geleitet.

Die Machtballung an der Unternehmensspitze von Dormakaba ist insofern bemerkenswert, als mit Hans Hess und Rolf Dörig zwei ausgewiesene Wirtschaftsführer als Vizepräsidenten im Verwaltungsrat sitzen. Es wäre also möglich gewesen, dass einer der beiden als Übergangspräsident eingesprungen wäre. Doch das kam für beide Manager nicht infrage, wie Hans Hess auf Anfrage mitteilt. «Ich hätte ein bestehendes VR-Präsidium abgeben müssen für eine Tätigkeit, die von vornherein auf zwei bis drei Jahre beschränkt ist. Das war für mich persönlich keine Option. Ähnlich hätte sich die Situation auch für Rolf Dörig präsentiert», sagt Hess.

Die Periode für einen Interimspräsidenten von zwei bis drei Jahren wäre aus Sicht von Hans Hess «sehr kurz» gewesen. «Deshalb hat sich der Verwaltungsrat einstimmig für den nun vorgeschlagenen Weg entschieden und Riet Cadonau zum VR-Präsidenten nominiert.» Gleichzeitig sei es der «Wunsch des Verwaltungsrates, dass er das kombinierte Unternehmen noch weitere zwei bis längstens drei Jahre als CEO führt».

Hess verteidigt Doppelmandat

Hans Hess sagt, dass der Verwaltungsrat Riet Cadonau schon länger als Kandidaten für das VR-Präsidium «im Blick» habe. Doch die 2015 erfolgte Fusion von Dorma und Kaba hat die Planung durcheinandergebracht. Der Verwaltungsrat hat damals entschieden, dass der langjährige Kaba-Präsident Ulrich Graf die ersten Jahre der Integration von Kaba und Dorma als Verwaltungsratspräsident begleiten soll.

Das Doppelmandat ist Schweizer Unternehmen auf dem Rückzug. In grösseren börsenkotierten Firmen ist es inzwischen tabu. Ernst Tanner von Lindt & Sprüngli war der Letzte, der Präsidium und Konzernleitung in sich vereinte. Er gab das Doppelmandat 2015 ab. In den 2000er-Jahren gab es intensive Diskussionen um die Machtballung einzelner Manager. Besonders die Rolle von Daniel Vasella bei Novartis befeuerte eine hitzige Debatte in der Schweiz. Als Präsident von Novartis sass er unter anderem im Vergütungsausschuss des Unternehmens und konnte so massgeblich sein Gehalt als Konzernchef beeinflussen.

Das Doppelmandat steht im klaren Widerspruch zum «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance», einem Leitfaden für gute Unternehmensführung, der 2002 unter der Schirrherrschaft des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse erarbeitet wurde. In Artikel 19 heisst es dort, dass der «Verwaltungsrat darauf hinwirkt, dass sein Vorsitz und die Spitze der Geschäftsleitung zwei Personen anvertraut werden».

Dass ausgerechnet Hans Hess und Rolf Dörig in einem Unternehmen aktiv sind, in dem das Doppelmandat wiedereingeführt wird (wenn auch auf maximal drei Jahre beschränkt), ist insofern pikant, als beide im Vorstandsausschuss von Economiesuisse sitzen. Hans Hess ist sogar Vizepräsident von Economiesuisse, Rolf Dörig amtet als Quästor für den Verband. Hans Hess ist zudem Präsident des Industriellenverbands Swissmem, der 2002 zu den Erstunterzeichnern des «Swiss Code of Best Practice» gehörte. Hess sieht keinen Widerspruch: «Mein Swissmem-Präsidium hat meines Erachtens keinen Zusammenhang mit der aktuellen Fragestellung bei Dormakaba», sagt er. Er setze sich bei Dormakaba aus «Überzeugung für den Weg ein, den wir unseren Aktionären vorschlagen, weil dies für die weitere erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens die beste Lösung ist».

Das Schliesstechnik-Unternehmen Dormakaba hat verschiedene Massnahmen getroffen, «um das Gleichgewicht in der Governance wiederherzustellen», wie Hans Hess weiter ausführt. So werde er als «Lead Independent Director umfassende Kompetenzen haben, die sicherstellen, dass unsere Führungsgremien ihre Beschlüsse frei und sachorientiert fassen können». Zudem werde Riet Cadonau, der für seine neue Verantwortung nicht zusätzlich entschädigt werde, in keinem der Verwaltungsrats-Ausschüsse Einsitz nehmen. Und es wird während jeder Sitzung des Verwaltungsrates einen Teil geben ohne Riet Cadonau. «Dies alles sind wichtige Elemente des neuen Gleichgewichtes in der Governance des Unternehmens – die wir in den entsprechenden Regularien auch abbilden werden.»

«Lösung kann kritisiert werden»

Diese Struktur klingt reichlich kompliziert. Die Frage bleibt, ob ein Übergangspräsident nicht die bessere und einfachere Lösung gewesen wäre. «Es gibt immer andere Lösungen», sagt Hess dazu. «Der Verwaltungsrat hat die Stärken und Schwächen der vorliegenden Optionen abgewogen und ist zum Schluss gekommen, dass das zeitlich befristete Doppelmandat von Riet Cadonau für die Unternehmung die beste Lösung ist – im Wissen, dass dies auch kritisiert werden kann.»