Unter allen noch lebenden Putin-Gegnern sticht sie weit heraus: Julia Nawalnaja. Für viele ist sie die grösste, vielleicht letzte Hoffnung des demokratischen Widerstands.
Julias Ehemann Alexej Nawalny hat der Kreml-Diktator erst vergiften, später verhaften und in einem russischen Straflager sterben lassen. Entsprechend gross sind die Sicherheitsvorkehrungen bei ihrem Auftritt am Donnerstagabend in einem Zürcher Hotel.
Eine logistische Herausforderung für den «Efficiency Club», der den hochkarätigen Gast in die Schweiz lotste: Vom Bundesamt Fedpol über die Kantons- bis hin zur Stadtpolizei ist an einem solchen Abend alles eingespannt, was Blaulicht hat.
Tatsächlich könnte Nawalnaja zu einer echten Gegenspielerin des Kreml-Herrschers werden. Sie wolle Russland zu einem demokratischen Land machen, sagt sie in Zürich. Dafür erhalte sie überwältigenden Zuspruch aus Russland: «Viele Menschen sind gegen Putin, sie können im Moment einfach nicht öffentlich auf die Strasse», sagt sie. Noch schlummerten die Anhänger der Opposition. «Aber eines Tages werden sie laut sein.»
Für die Zeit nach dem Kreml-Herrscher bereitet sie sich jetzt schon vor. «Wenn Putin nicht mehr da ist, bin ich bereit», sagt Nawalnaja. Ob sie sich dann auch zur Wahl stellt und erste Präsidentin Russlands werden will, lässt sie zwar noch offen. Aber: «Von allen russischen Politikern hat keiner dieselbe Motivation wie ich», sagt sie.
Ein demokratisches Russland für die nächste Generation
In Zürich hat Nawalnaja ihre Tochter Dasha dabei. Die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familie macht sie immer wieder zum Thema. «Ich vermisse das normale Leben mit meiner Familie sehr», sagt sie. Ganz unbeschwert kann sie sich freilich nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegen.
Letztes Jahr hat ein russisches Gericht einen Haftbefehl gegen die 48-Jährige ausgestellt. Ihr wird Beteiligung an einer «extremistischen Organisation» vorgeworfen. «Dem habe ich nicht viel Beachtung geschenkt», sagt sie. In Russland gebe es keine unabhängige Justiz. «Putin ist ein Diktator, der Leute vergiftet und Kriege anfängt, natürlich muss ich vorsichtig sein», sagt Nawalnaja. Ständig über die Schulter schauen möchte sie aber auch nicht. So viel Normalität erhalten, wie möglich, sei die Devise.
Irgendwann, das sei auch Alexejs Traum gewesen, sollen ihre Kinder in ein demokratisches Russland zurückkehren können. Nach Putins Abgang könne das durchaus schnell gehen, sagt sie. Geld sei zumindest nicht das Problem: «Russland ist ein reiches Land, mit vielen Bodenschätzen.» Schwieriger, als die am Boden liegende Wirtschaft aufzurichten, sei die Demokratisierung der durch und durch korrupten Institutionen in Russland.
Bis dahin ist es aber ohnehin noch ein weiter Weg. Putin sitzt fest im Sattel. Das habe durchaus auch mit dem Westen zu tun. Dieser müsse «härter gegenüber Putin auftreten», insistiert Nawalnaja. Durch Trump bekomme er gar noch eine Aufwertung, denn nichts sei Putin wichtiger als Aufmerksamkeit. Nun sei er wieder in aller Munde. Dabei sei eines glasklar, sagt sie: «Putin ist nichts Besonderes. Habt keine Angst vor ihm!»