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Versorgungslage

Gute Nachrichten: Die Strom-Sorgen des Bundes werden kleiner

Atomkraft und Solarboom sorgen für Entspannung an den Energiemärkten. Die Schweiz musste 2024 nur wenig ausländischen Strom importieren.
Schöne Aussichten: Die Energiemärkte entspannen sich.
Bild: Michael Buholzer / KEYSTONE

Es ist noch nicht lange her, da sprach Werner Luginbühl über Vorräte an Kerzen und Brennholz, um einer drohenden Energiemangellage vorzubeugen. Am Donnerstag nahm der Präsident der Elektrizitätskommission (Elcom) deutlich entspannter vor den Medien Platz. Die Versorgungslage im vergangenen und im kommenden Winter beurteilt er mit viel Gelassenheit.

Nur 700 Gigawattstunden Strom hat die Schweiz zwischen Oktober und März importiert – deutlich unter der einstigen Richtgrösse von rund 4 Terawattstunden. Vor allem zu Beginn des milden Winters haben die Speicherseen geholfen, deutsche Dunkelflauten zu überbrücken. Später hatten die hohe Verfügbarkeit von Kernkraft und zunehmend auch der Solarboom ihren Anteil an der Gemütslage des obersten Schweizer Stromwächters: «Die Situation war zu keinem Zeitpunkt kritisch.» Die Pegel der Speicherseen lagen am Ende der Heizperiode über den gesicherten Reserven.

Auch für den kommenden Winter schätzt die Elcom die Ausgangslage als gut ein. Das europäische Klumpenrisiko, die französischen Atomkraftwerke, bereiten anders als vor zwei Jahren keine Probleme mehr. Gleichzeitig macht der Ausbau der Erneuerbaren die Schweiz und Europa abhängiger vom Wetter.

Schlechte Prognosen, teure Rechnung

Das zeigt sich vor allem am Einsatz von Regelenergie: Jene Kilowattstunden, die kurzfristig das Netz stabil halten. Sorgte dies 2023 noch für Kosten von 66 Millionen, sind es heuer vier Mal so viel: 253 Millionen. Ein Preis, den letztlich die Endverbraucher zahlen müssen. Gemäss Elcom-Geschäftsführer Urs Meister liegt der Grund in unzureichenden Prognosen der in Bilanzgruppen organisierten Energieversorgern. Weil diese am Wochenende ihre Wettermodelle seltener anpassen, steht plötzlich zu viel oder zu wenig Energie zur Verfügung – die Rechnung bezahlen die Kunden in der Grundversorgung.

Mittelfristig sieht die Elcom die Zukunft rosiger als auch schon. Sie korrigiert den Reservebedarf bis 2030 nach unten: Mindestens 500 Megawatt Leistung soll die Schweiz etwa in Form eines Gaskraftwerks bereithalten, um jederzeit auf Engpässe reagieren zu können. Bislang galten 700 bis 1400 Megawatt. Eine Empfehlung, an der die Elcom per 2035 festhält. Es ist eine Knacknuss für das Bundesamt für Energie: Dieses tut sich aktuell schon schwer damit, eine Nachfolgelösung für den 2026 auslaufenden Vertrag mit den Betreibern des Gaskraftwerks Birr zu präsentieren.

Der Analyse liegen komplizierte Berechnungen mit vielen Unbekannten zugrunde: etwa Wetter, Verbrauchsentwicklung, Laufzeiten der bestehenden Atomkraftwerke, um nur einige davon zu nennen. Den grössten Einfluss auf die Schweizer Versorgungssicherheit haben aber die rund 40 Leitungen ins Ausland.

Ein Werbespot für ein Stromabkommen

Mehr und mehr geriet deshalb die Jahrespressekonferenz der Elektrizitätskommission zu einem Werbespot für ein Stromabkommen oder vergleichbare technische Verträge, welche der Schweiz den Zugang zum internationalen Kraftwerkpark sichern. «Aktuell sorgen mehrere Abkommen, die über einen Zeitraum von vier Jahren verhandelt wurden, dafür», sagte Luginbühl. Doch diese Verträge müssten jährlich erneuert werden, mit Vetorecht der angrenzenden Staaten.

Man kann es sich ausmalen: Wäre die Schweiz mit einem Stromabkommen ganz in den europäischen Markt eingebunden, Werner Luginbühl würde sich in seinem Stuhl noch ein bisschen weiter zurücklehnen.