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Russland

«Du hattest keine Angst»: Kremlgegner Nawalny in Moskau beerdigt – Mutter nahm an offenem Sarg Abschied

Zwei Wochen nach seinem Tod im Straflager ist der Kremlgegner Nawalny auf dem Moskauer Borissowskoje beerdigt worden. Tausende Menschen sind auf dem Weg zur letzten Ruhestätte.

Bei einer Trauerfeier in Moskau haben Angehörige des im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny am Freitag am offenen Sarg in der Kirche Abschied genommen. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater sassen während der Zeremonie am Sarg.

Bei einer Trauerfeier haben Angehörige des Kremlgegners Alexej Nawalny am offenen Sarg in der Kirche Abschied genommen.
Bild: Bild: AP

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme riskieren in Russland. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied «My way». Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde.

Tausende Menschen versammelten sich in Moskau

Trotz eines Grossaufgebots von Polizei und Sicherheitskräften haben sich schon Stunden vor der Beerdigung Nawalnys in Moskau Tausende Menschen versammelt. Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. An der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone «Lindere meine Trauer» im südöstlichen Bezirk Marjino drängten sich Hunderte Menschen an Metallgittern, um sich von dem Oppositionsführer zu verabschieden.

Hunderte Menschen drängten sich an Metallgittern, um sich von dem Oppositionsführer zu verabschieden. Viele trugen Blumen in den Händen.
Bild: Bild: AP

«Du hattest keine Angst»

Menschen an der Kirche skandierten «Nawalny», «Nawalny», «Nawalny», als der Sarg des im Straflager gestorbenen Kremlgegners bei der Kirche ankam. Einige riefen auch: «Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.» Zur Trauerfeier kamen auch westliche Botschafter, darunter der Deutsche Alexander Graf Lambsdorff.

Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream, wie Männer den braunen Sarg aus einem schwarzen Transporter zogen und dann im Gleichschritt in die Kirche trugen. Hunderttausende verfolgten die Übertragung.

Der Sarg mit Nawalnys Leichnam wird in die Kirche getragen.
Bild: Bild: Sergei Ilnitsky / EPA

Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten

Die Metallgitter vor der Kirche wurden weiträumig aufgestellt, Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten. Auch das mobile Internet sei runtergeregelt worden.

Nawalny, der als wichtigster Gegner von Kremlchef Wladimir Putin galt, versetzt den Machtapparat Beobachtern zufolge auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des vor zwei Wochen im Straflager gestorbenen Nawalny gegen den Kremlchef protestieren könnten. Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer, Angehörige und Menschenrechtler Nawalnys werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen. Der Kreml weist das zurück.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen «Polarwolf» in der sibirischen Arktisregion Jamal im Alter von 47 Jahren. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von «natürlichen» Ursachen die Rede. (dpa)