Die drei CVP-Kandidaten für den Walliser Staatsrat haben im ersten Wahlgang deutlich obenaus geschwungen, im Parlament – dem Grossrat aber verlor die Partei sechs Sitze. Überwiegt bei Ihnen Freude oder Enttäuschung?
Gerhard Pfister: Ganz klar die Freude. Denn die Verluste im Grossrat waren absehbar: Das Oberwallis, in dem die CVP traditionell stärker verankert ist, musste vier Sitze ans Unterwallis abgeben, zudem wurde das Wahlsystem für uns unvorteilhaft abgeändert. Dass unsere drei Kandidaten ungefährdet durch den ersten Wahlgang marschieren würden, hätte ich hingegen nicht gedacht.
In einem Interview vor den Wahlen im Baselbiet sagten Sie, entscheidend für die Kraft einer Partei sei, welches Resultat sie beim Parlament erreiche ...
... und wir sind nach wie vor die mit Abstand stärkste Kraft im Wallis.
Bis vor vier Jahren hatte die CVP im Wallis die absolute Mehrheit. Nun setzt sich der Niedergang der Partei auch in den Stammlanden fort.
Die Mehrheit zu verlieren, war eine schmerzhafte Zäsur – aber eine, die uns gutgetan hat. Die Walliser CVP war gezwungen, ihr Profil zu schärfen. Nun hat sie ihren Wähleranteil auf sehr hohem Niveau stabilisieren können. Und in der Regierung wünschen die Walliser offensichtlich, dass die CVP weiterhin die Mehrheit behält.
Der strahlende Sieger Christophe Darbellay, Ihr Vorgänger als Parteipräsident, gilt nicht gerade als Ihr bester Freund. Gönnen Sie ihm den Sieg überhaupt?
Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Ich hatte zu keinem Zeitpunkt gravierende Differenzen mit Christophe Darbellay. Er hat einen hervorragenden Wahlkampf absolviert und sich sein Abschneiden redlich verdient. Ich freue mich sehr für ihn.
Der grosse Verlierer ist SVP-Staatsrat Oskar Freysinger, der mit Nicolas Voide die CVP schädigen wollte. War Freysinger Ihr bester Wahlhelfer, weil er die CVP-Basis gegen sich aufbrachte?
Nein. Den CVP-Erfolg haben sich unsere Leute selbst erarbeitet. Ich bin überzeugt: Ohne Freysingers Störmanöver hätten wir noch besser abgeschnitten.
Freysinger versuchte, mit einer Wertedebatte und Islamkritik zu punkten. Eine Strategie, die Ihrer nicht unähnlich ist.
Es ist der CVP-Basis und mir wichtig, unsere Werte zu verteidigen. Von Freysinger unterscheidet mich aber eine ganze Menge.
Der Stil?
Bei Freysinger ist vieles eine Stilfrage, ja.
Oskar Freysinger – seine politische Karriere in Bildern:
Am kommenden Sonntag wird im Kanton Solothurn gewählt. Mit welchem Ergebnis wären Sie zufrieden?
Die beiden Regierungsräte Roland Fürst und Roland Heim machen sehr gute Arbeit, ich zweifle nicht an ihrer Wiederwahl. Im Kantonsrat erhoffe ich mir, den Wähleranteil und die 22 Mandate zumindest halten zu können. Die lokalen CVP-Sektionen führen einen engagierteren, besseren Wahlkampf als vor vier Jahren – wir sind zurück auf den Strassen.
Vor Ihrer Wahl zum CVP-Präsidenten sagten Sie, die Partei komme Ihnen vor «wie eine unterbewertete Aktie». Wie sind Sie mit der Kursentwicklung zufrieden?
Die CVP-Aktie hat noch Potenzial nach oben.
Im Klartext: Sie ist weiter gesunken.
Wenn Sie die nackten Zahlen betrachten, haben wir den Turnaround tatsächlich noch nicht geschafft. Doch die verbesserten Strukturen, die wir intern geschaffen haben, geben viel Anlass zu Hoffnung.
Das nennt sich Zweckoptimismus.
Die kantonalen Wahlen vom vergangenen Herbst kamen zu früh: Die wenigen Monate, die ich damals im Amt war, genügten, um einen Prozess in Gang zu setzen. Nicht aber, um bereits Erträge zu ernten. Deshalb taugen die Wahlen von 2017 besser als Gradmesser als die letztjährigen. Bereits bereiten wir zudem die kantonalen Wahlgänge des nächsten Jahres vor.
Dann würden Sie zum Kauf der CVP-Aktie raten?
Unbedingt. Jeder Börsenguru rät, einzusteigen, wenn der Preis tief ist. Und ich kann Ihnen versichern: In der CVP herrscht Aufbruchstimmung. Erstmals seit Jahren spüre ich bei der Basis wieder Stolz, zu dieser Partei zu gehören.
Obwohl die bürgerlichen Parteien die Wahlen 2015 gewannen, scheint die SP die stärkste Kraft zu sein: Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative setzte sie alte gewerkschaftliche Anliegen durch; sie bodigte die Unternehmenssteuerreform III; nun dürfte sie ihre Ziele dank CVP-Unterstützung auch bei der AHV-Reform erreichen.
Ich glaubte nie, dass die bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 entstandene bürgerliche Mehrheit zur Blockbildung führen und CVP, FDP und SVP gemeinsam durchmarschieren würden. Die Schweiz funktioniert mit wechselnden Allianzen. Und das ist gut so.
Vor zwei Jahren schrieben Sie im «Schweizer Monat» den viel beachteten Essay «Trendwende», in dem Sie eine stärkere Kooperation der drei Parteien SVP, FDP und CVP forderten.
Ich warnte aber auch, dass die Linke zur grossen Gewinnerin werden würde, wenn unsere Zusammenarbeit nicht funktioniert.
Das tut sie nicht?
Nicht gut genug. Und wenn wir mal wie bei der Unternehmenssteuerreform ähnlicher Meinung sind, lassen wir das Fingerspitzengefühl vermissen. In einer direkten Demokratie müssen Vorlagen ausgewogen sein, wenn sie an der Urne bestehen wollen. Daran wurden wir vor einem Monat schonungslos erinnert.