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Kommentar

Gelingt der Aufstand von Irans Jugend? Es liegt ein Hauch von 1989 in der Luft

Viele Schweizerinnen und Schweizer knüpfen grosse Hoffnungen und Erwartungen an den Aufstand der rebellierenden Jugend im Islamischen Staat. Trotz aller Sympathien - vor irgendwelcher Euphorie muss ausdrücklich gewarnt werden.

Weltweit und in der Schweiz werden grosse Hoffnungen an den Aufstand der iranischen Jugend geknüpft; wie hier an dieser Solidaritätskundgebung in Istanbul vom vergangenen Wochenende.
Bild: Sedat Suna / EPA

Wird das jahrzehntelang zementiert scheinende Mullah-Regime im Iran durch den Widerstand der eigenen Bevölkerung gestürzt? Es liegt ein Hauch von 1989 in der Luft.

Damals fiel nicht nur die DDR-Mauer, in dessen Folge der sowjetische Herrschaftsbereich kollabierte. Wie Dominosteine implodierten nacheinander auch andere Unrechtsysteme; seien es die Militärdiktaturen in Chile und Paraguay oder, mit kurzer Verzögerung, der südafrikanische Apartheidsstaat. Fast schien es so, als würden. ähnlich zwei Jahrzehnte später beim Arabischen Frühling, Vernunft und Demokratie zum weltweiten Siegeszug antreten. Das Volk hatte schlicht die Nase voll von Unterdrückung.

Mitten im schrecklichen Ukraine-Krieg schüren die Studentenproteste im Iran oder die Massenflucht russischer Kriegsdienstverpflichteter bei uns ähnliche Erwartungen. Was im Iran, deutlich weniger in Russland, klar ist: Die protestierende Jugend geht mittlerweile aufs Ganze und will jetzt nichts weniger als den Sturz des verhassten Mullah-Regimes, nachdem Generationen Aufständischer vor ihr gescheitert sind und resigniert haben.

Viele Schweizer und insbesondere Schweizerinnen bewundern diesen Mut und hoffen, dass es gelingt; im Gegenzug fordert Irans Protestjugend unsere Solidarität und Unterstützung ein. Grund für im westlichen Sinne übersteigerte Erwartungen oder gar Euphorie besteht aber nicht.

Denn das lehrt uns 1989 genauso: Damals gab es nicht nur Mauerfall und die beginnende Befreiung des Ostblocks, sondern auch die blutige Niederschlagung der Proteste am Platz des Himmlischen Friedens. Wohl niemand erinnert sich genauer daran, als Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei. Schliesslich kam der Religionsführer 1989 im Islamischen Staat an die Macht.