Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos sagte am Mittwoch (Ortszeit) in Havanna nach seinem Treffen mit FARC-Chef, Timoleón Jiménez alias Timochenko, das endgültige Friedensabkommen werde in spätestens sechs Monaten unterzeichnet.
Santos und Timochenko nahmen an der Zeremonie in Kubas Hauptstadt teil, in der beide Seiten eine Vereinbarung über den juristischen Umgang mit Verbrechen während ihres jahrzehntelangen Konflikts unterzeichneten.
Es war das erste Treffen von Santos mit dem 56-jährigen FARC-Chef, der in Kolumbien wegen Mords, Terrorismus, Entführung und Rebellion gesucht wird und das erste Treffen eines kolumbianischen Präsidenten mit einem FARC-Chef seit 14 Jahren. Santos' Besuch in Havanna war erst kurz zuvor bekannt geworden.
Wichtige Punkte noch offen
Der kolumbianische Staatschef sagte in Anwesenheit von Timochenko und Kubas Staatschef Raúl Castro, er habe mit dem FARC-Chef "vereinbart, dass spätestens in sechs Monaten diese Verhandlungen abgeschlossen werden und der endgültige Friedensvertrag unterzeichnet werden muss". Dies werde "keine leichte Aufgabe", weil "noch viele wichtige Punkte" offen seien.
Bei den im November 2012 aufgenommenen Friedensverhandlungen war der juristische Umgang mit den Verbrechen während des Konflikts der Knackpunkt. Die FARC lehnte Gefängnisstrafen für ihre Kämpfer ab, die Regierung wiederum stellte sich gegen Straflosigkeit.
FARC: Die älteste Guerillaorganisation Lateinamerikas
Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee (FARC-EP) sind die grösste und älteste Guerillaorganisation Lateinamerikas. Gemeinsam mit anderen Rebellengruppen kontrollierten sie einst grosse Teile Kolumbiens.
Die Ursprünge der FARC liegen im Bürgerkrieg zwischen der liberalen und konservativen Partei in Kolumbien in den 1950er Jahren. Später diente die Guerilla der Kommunistischen Partei als militärischer Arm. Mit der Partei Unión Patriótica (UP) versuchte die FARC ab 1984, in die Politik einzusteigen. Rechte Paramilitärs töteten daraufhin Tausende Anhänger und Politiker der UP.
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht führte die FARC zwischen 1998 und 2002 bereits einmal Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung. Damals wurde ihr eine demilitarisierte Zone von der Grösse der Schweiz eingeräumt. Allerdings nutzten die Rebellen das Gebiet als Rückzugsort nach Angriffen und die Verhandlungen scheiterten.
Die FARC finanzieren sich vor allem durch den Drogenhandel, den illegalen Bergbau und Entführungen. Eines der prominentesten Opfer war die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die bis zu ihrer Befreiung 2008 mehr als sechs Jahre in der Gewalt der Rebellen war.
Nach Einschätzung von Experten verfolgen die FARC kaum noch politische Ziele. Auch in ihrer Basis auf dem Land haben sie an Rückhalt verloren und arbeiten im Drogenhandel teilweise mit kriminellen Banden zusammen.
Seit 2002 drängte das Militär die FARC immer weiter zurück. Nach Einschätzung von Experten ist die Guerilla aber noch immer in 25 der 32 Departements aktiv und verfügt über rund 8000 Kämpfer.
Die nun getroffene Vereinbarung sieht eine möglichst weitgehende Amnestie für 'politische Delikte' und damit in Verbindung stehende Taten vor. Ausgenommen seien allerdings Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen.
Geiselnahmen und andere schwere Formen des Freiheitsentzugs sollen demnach ebenso geahndet werden wie Folter, Hinrichtungen ohne rechtliche Grundlage, Vertreibungen, das Verschwindenlassen von Menschen sowie sexuelle Gewalt. Dafür sollen eigens Sondergerichten mit kolumbianischen und ausländischen Richtern eingerichtet werden.
Kritik vom Ex-Präsidenten
"Die Sonderjustiz ermöglicht es uns, nach vorne zu schauen und die Vergangenheit hinter uns zu lassen", sagte FARC-Chef Timochenko. "Das System erlaubt es allen Konfliktparteien, die Wahrheit offen zu legen."
Kolumbiens Ex-Präsident Álvaro Uribe kritisierte die Übereinkunft. Sie ermögliche es Kriegsverbrechern, sich ihrer Strafe zu entziehen, sagte er vor Anhängern. Ausserdem werde Terroristen erlaubt, sich künftig am politischen Leben Kolumbiens zu beteiligen. Der konservative Hardliner gilt als scharfer Kritiker des Friedensprozesses mit den Farc.
"Keine Umkehr"
Das kolumbianische Präsidialbüro hatte vorab erklärt, eine Einigung im Bereich Justiz würde bedeuten, dass es "keine Umkehr" bei den Friedensverhandlungen mehr gebe.
Unter Vermittlung Kubas und Norwegens hatten beide Seiten bereits in mehreren Kapiteln Einigungen erzielt, etwa über die künftige politische Beteiligung früherer FARC-Mitglieder und den Kampf gegen den illegalen Drogenanbau. Nun müssen unter anderem noch die Modalitäten der Ratifikation eines endgültigen Friedensabkommens geklärt werden.
Konflikt mit 220'000 Toten
Die linksgerichtete FARC hatte 1964 ihren gewaltsamen Kampf gegen Grossgrundbesitzer und die Regierung begonnen. Sie zählt heute noch immer zwischen 7000 und 8000 Kämpfer und ist die grösste noch aktive Rebellengruppe in Kolumbien.
Im jahrzehntelangen Konflikt, an dem auch andere Rebellengruppen, rechtsgerichtete Paramilitärs und Drogenhändler beteiligt waren, wurden nach offiziellen Angaben etwa 220'000 Menschen getötet. Zudem wurden sechs Millionen Menschen zur Flucht gezwungen.
Zuletzt hatten die FARC am 20. Juli einseitig einen Waffenstillstand ausgerufen, die kolumbianische Regierung wiederum ordnete das Ende der Bombardierung von FARC-Stellungen an.
US-Aussenminister John Kerry nannte die Vereinbarung vom Mittwoch einen "historischen Fortschritt hin zu einem abschliessenden Friedensabkommen zur Beendigung eines bewaffneten Konflikts von mehr als 50 Jahren". Der Frieden sei für das kolumbainsiche Volk nun "näher denn je", erklärte Kerry in Washington.