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Pfäffikon

«Fast etwas lächerlich»: SVP-Ständerat Kuprecht kritisiert die Nationalräte seiner Partei

In der letzten SRF-«Arena» vor dem Wahlsonntag hatten die Abtretenden das Wort. Überraschung des Abends: Der Ausserschwyzer Alex Kuprecht stimmte in einer Frage der SP bei. Seine SVP-Parteikollegen im Nationalrat hat er wegen einer «fast etwas lächerlichen Aktion» kritisiert.

Das grosse Sesselrücken kommt näher. Am 22. Oktober entscheidet sich, wer die nächsten vier Jahre in Bundesbern politisieren darf – und wer nicht mehr.

Einige überlassen ihren Sitz freiwillig. Doch bevor sie auf ihre Arbeit zurückblicken können, ging es noch einmal zur Sache: Für die abtretenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in der SRF-«Arena» zu Gast waren:

Alex Kuprecht, SVP-Ständerat, Pfäffikon

Edith Graf, SP-Nationalrätin, Thurgau

Ruedi Noser, FDP-Ständerat, Zürich

Marco Romano, Mitte-Nationalrat, Tessin

«In Gaza die Waffen einziehen»

Während am Freitagabend in Zürich die SRF-«Arena» aufgezeichnet wurde, brodelt tausende Kilometer weit weg der Nahostkonflikt noch immer. Das geht auch an den Studiogästen nicht spurlos vorbei.

«Persönlich betroffen» zeigt sich der abtretende Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser. «Ich kenne jemanden, der gestorben ist», sagt er und schluckt leer. Noser erklärt, dass jemand, den er «vor ein paar Wochen noch gesehen» habe, an dem von der Hamas attackierten Festival ermordet worden sei. Dann redet der FDP-Ständerat Klartext: «Nach diesen Vorfällen muss man in Gaza die Waffen einziehen, das ist die Aufgabe der UNO. So könnte man die Zivilbevölkerung schützen.» Für ihn sei klar, dass ein Zweistaatenmodell nicht möglich sei mit einer «Armee in Gaza».

Dazu sagt der Tessiner Mitte-Nationalrat Marco Romano:

«Israel muss es auch nicht übertreiben»

Es gehe um Leib und Leben von Millionen Zivilisten. Es sei darum «wichtig, dass man die ganze Region» anschaue. In Vergessenheit geraten dürfe auch nicht der Krieg in der Ukraine.

Tessiner Mitte-Nationalrat Marco Romano.
Bild: Bild: Screenshot SRF/Arena

Entwicklungshilfe stoppen: Schnellschuss?

Thematisiert wurde auch, ob man die Entwicklungshilfe für Menschen in Gaza einstellen sollte. FDP-Ständerat Noser verneint. Aber er betont, dass die Gelder an die Bedingung geknüpft werden sollte, dass Gaza waffenfrei werde.

«Wir sollten jetzt keine Schnellschüsse machen», sagt SP-Nationalrätin Edith Graf. Das EDA prüfe das Anliegen zurzeit. Zudem könne die Schweiz als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates Einfluss nehmen, um die Hamas zu verbieten. «Wir müssen sorgfältig prüfen, dass wir nicht die falschen Menschen bestrafen, indem man die Gelder streicht», sagt Graf.

SP-Nationalrätin Edith Graf.
Bild: Bild: Screenshot SRF/Arena

Es dürfe einfach «kein Franken an die Hamas» fliessen, betont der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht. Aber er finde ebenfalls, dass man «die leidende Bevölkerung nicht vergessen» dürfe.

Persönlichkeit oder Parteisoldat?

Ein Thema, bei dem die abtretenden Parlamentarier nichts mehr entscheiden können, sind die kommenden Bundesratswahlen. Über den Sitz von SP-Bundesrat Alain Berset, der nicht für eine weitere Legislatur antritt, bestimmt die neugewählte Bundesversammlung.

Trotzdem macht FDP-Ständerat Ruedi Noser keinen Hehl daraus, wen er wählen würde, wenn er könnte: «Daniel Jositsch», auch wenn er es nicht aufs Ticket der SP schaffen sollte. Noser ärgert sich darüber, dass aktuell im Bundesrat eine Abhängigkeit vom Parlament herrsche. Er sagt:

«Wir haben den Blödsinn angefangen, nur noch Leute aus dem Ticket zu wählen. Aber auf das Ticket kommen nur Parteisoldaten»

Noser ist überzeugt, dass mit dem heutigen System die damaligen Bundesräte Otto Stich, Pascal Couchepin oder Micheline Calmy-Rey nicht gewählt worden wären. «Das waren noch Charakteren. Jetzt haben wir einen Bundesrat von Parteisoldaten», sagt der FDP-Ständerat, der selbst einmal für den Bundesrat kandidierte.

FDP-Ständerat Ruedi Noser.
Bild: Bild: Screenshot SRF/Arena

Das Stichwort von Noser nimmt die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf gleich auf, um zu versichern: «Wir von der SP haben sicher keine Parteisoldaten im Bundesrat.» Noser beginnt zu lachen, wie auch die Studiogäste. Er sagt zur SP-Politikerin: «Jetzt lüpfts mir de Schlammdeckel. Bei den bilateralen Verträgen hat der Parteipräsident der SP den zwei SP-Bundesräten verboten, dafür zu stimmen. Das wäre vor 20 Jahren nie der Fall gewesen.» Er wolle aber nicht die SP an den Pranger stellen, das sei bei anderen Parteien «vielleicht dasselbe».

Was es für Persönlichkeiten im Bundesrat braucht, beschäftigt auch SVP-Ständerat Alex Kuprecht. Er weiss zumindest, was es nicht braucht: «Sie müssen nicht unbedingt Schwarznasenschafe züchten», sagt Kuprecht in Anspielung auf SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Für den SVP-Politiker ist klar: «Wir brauchen Persönlichkeiten, die standfest sind und auch andere Meinungen als die von ihrer Fraktion vertreten können.»

SVP-Ständerat Alex Kuprecht.
Bild: Bild: Screenshot SRF/Arena

Den Angriff auf ihre Bundesrätin lässt Edith Graf nicht einfach unkommentiert: «Ich muss für Frau Baume-Schneider die Lanze brechen. Sie ist sehr engagiert und sie macht einen guten Job. Gerade bei der Asyldebatte, wo die ganze SVP-Fraktion sie mit Fragen löcherte, hat sie die Situation souverän gelöst.»

Daraufhin passiert sogar etwas Unerwartetes: SVP-Ständerat Kuprecht stimmt der SP-Politikerin bei und kritisiert die Nationalräte seiner Partei. «Das war keine gute Aktion, sie war fast etwas lächerlich.»

Szenen aus 30 Jahren «Arena»

Bevor die Politiker zum letzten Mal als gewählte Volksvertreter die «Arena» verlassen, fragt sie SRF-Moderator Sandro Brotz, ob seit ihrer Amtszeit die Debattenkultur extremer geworden sei.

«Nein», sagt dazu ganz simpel Ruedi Noser. Hinzugekommen seien jedoch die sozialen Medien. So habe es sich fundamental verändert, was sich «einige Menschen erlauben» würden, findet der FDP-Ständerat.

Mitte-Nationalrat Marco Romano pflichtet ihm bei und äussert seine Sorgen: «Einige Parlamentarier fokussieren ihre ganze Arbeit auf ihre sozialen Kanäle. Sie haben sogar Mitarbeiter nur dafür.» Es werde problematisch, wenn Tweets mehr Aufmerksamkeit erhielten als eine Ratsdebatte. Auch SVP-Ständerat Alex Kuprecht betrachtet das als Problem und sagt: «Viele Leute stellen sich (in den sozialen Medien) selbst dar, weil ihre Leistung im Parlament relativ schwach ist. Sie nehmen sich wichtiger als ihre Aufgabe.»