Warum hat Donald Trump gewonnen und Kamala Harris verloren? Am Tag nach dem Erdrutschsieg des Ex-Präsidenten gegen die aktuelle Vizepräsidentin analysieren die Medien in der Schweiz und in aller Welt die historische Wahl.
So titeln Zeitungen in der Schweiz und in aller Welt am Tag danach:
NZZ: «Harris konnte sich nicht von den Fehlleistungen der Biden-Regierung abgrenzen»
Die Ausgangslage für Kamala Harris sei schwierig gewesen, schreibt die NZZ . «Als Vizepräsidentin konnte sie sich nicht glaubwürdig von den Fehlleistungen der Biden-Regierung abgrenzen. Das hätte ihr Konkurrent sofort ausgeschlachtet.» Die Demokraten werden daher über die Bücher gehen müssen, warum sie eine derartige Wahlschlappe einfahren konnten. «Ganz sicher schadete die misslungene Kandidatur von Joe Biden.»
Donald Trump hingegen machte laut der NZZ viele Fehltritte, aber es spielte keine Rolle. «Für ihn scheinen nicht dieselben Gesetze zu gelten wie für alle anderen. Er folgte auch in diesem Rennen seinem Instinkt und nicht seinen Beratern.» Nach dem Attentat auf Trump in Pennsylvania wurden seine Auftritte zunehmend bizarr. Migranten, die Haustiere essen, politische Gegner, die verfolgt oder gar exekutiert werden müssen. «Doch an Trump bleibt nichts hängen. Mehr noch: Er konnte eine Wählergruppe mobilisieren, die sonst selten hinter dem Computer hervorkommt: junge Männer aller Couleur.»
«Tages-Anzeiger»: Das Trump-Zeitalter erreicht seinen Höhepunkt
Der «Tages-Anzeiger» findet, der Trump-Sieg sei eine Niederlage für die Frauen. «Die Amerikanerinnen und Amerikaner hatten die Wahl zwischen einer Demokratin und einem Demagogen. Sie haben sich für den Kandidaten entschieden, der strafrechtlich verurteilt ist, der einen sexistischen Wahlkampf geführt hat, der die Streitkräfte gegen politische Gegner einsetzen will, der notorisch lügt und der – das ist zentral – in einen Putschversuch gegen die amerikanische Demokratie involviert war.»
Kamala Harris dagegen hatte laut der Analyse einen soliden Wahlkampf hingelegt. Die Frage, ob sie die richtige Gegenkandidatin war, um das Comeback von Trump zu verhindern, sei müssig. Dennoch: «Hätte Nochpräsident Joe Biden ein paar Monate früher eingesehen, dass das Alter an seinen Kräften zehrte, wäre eine reguläre Ausmarchung innerhalb der demokratischen Partei noch möglich gewesen.»
Die bedenkliche Erkenntnis dieser Wahl laut «Tages-Anzeiger»: Harris hätte auch verloren, weil sie eine Frau und dazu noch nicht weiss sei. «Dabei hat Kamala Harris weder ihr Geschlecht noch ihre Herkunft zum Wahlkampfthema gemacht. In diese politische Falle ist sie nicht getappt – und hat so die eigene Würde bewahrt.»
«CH-Media-Zeitungen»: Kamala Harris’ Resultate sind ein Schock
Donald Trump schnitt fast überall besser ab als erwartet. Sein Triumph ist eine «Dagegen-Wahl», schreibt Chefredaktor Patrik Müller in seiner Analyse. Die Amerikaner seien zutiefst frustriert und wollen keine Fortsetzung der Biden-Harris-Politik. «Man ist unzufrieden, vor allem was Migration, Wirtschafts- und Identitätspolitik betrifft. Das spült Trump ein zweites Mal ins Weisse Haus. Allein mit seinen Fans, seiner Stammwählerschaft, die 35 bis 40 Prozent der Bevölkerung ausmacht, hätte er dieses Resultat nie geschafft. Trump brauchte darüber hinaus Unzufriedene.»
Zudem gelang es Kamala Harris nicht, sich von Bidens Vermächtnis zu lösen. «Ihre Auftritte standen bei vielen Europäern für Aufbruch und Zukunft – bei vielen Amerikanern aber für eine Fortsetzung von vier Jahren Biden. Wen, wenn nicht Donald Trump, hätten diese Unzufriedenen wählen sollen?»
«Blick»: «Für die Schweiz wirds komplizierter»
«Als Schweizer muss man es nicht verstehen», versucht schliesslich auch der «Blick» das Unerklärliche doch zu erklären. Die Mehrheit der Amerikaner würden sich von Trump schlicht eine bessere Zukunft als von Kamala Harris erhoffen.
Fazit des «Blick» : «Als Schweizer können wir die Trump-Wahl vielleicht nicht verstehen, aber aus ihr lernen». Zum Glück seien wir hierzulande nicht derart einer einzigen Person ausgeliefert - Dank der direkten Demokratie. Dennoch habe die Wahl auch Auswirkungen auf die Schweiz: «Unter Trump wird auf dem Weltmarkt mit härteren Bandagen gekämpft», prognostiziert der Kommentar. Und als kleines Exportland habe die Schweiz lange vom Freihandel profitiert. Mit Trumps zweiter Amtszeit würden neue Zölle und Handelsbarrieren auch unsere Wirtschaft herausfordern. Fazit: «Für die Schweiz wirds komplizierter.»
«Spiegel»: Wie ein Faustschlag ins Gesicht
Der deutsche «Spiegel» kommentiert die Wahl Trumps als «Faustschlag ins Gesicht.» Jetzt gehe das alles wieder von vorn los. Auf jedem Cover würde man nun ständig dieses Gesicht sehen, in allen Variationen: Nahaufnahme, Totale, Karikatur, Collage, Trump als Dämon, Trump als Kaiser, Trump als Raubtier, Trump, Trump, Trump. «Und wahrscheinlich wird es sogar noch schlimmer als letztes Mal.» Es sei deprimierend.
Es sei ja nicht so, dass es nicht zu ahnen gewesen wäre. «All die Zuversicht nach dem Einstieg von Kamala Harris ins Rennen um die US-Präsidentschaft, seien wir ehrlich, war doch nur Wunschdenken. Es konnte doch nicht sein, dass die da drüben noch einmal diesen Irren ins Weisse Haus wählen, einen verurteilten Verbrecher, einen erklärten Feind der demokratischen Institutionen und internationalen Verträge.» Und dann konnte es doch sein. Die Hoffnung auf niedrige Benzinpreise und steuerfreies Trinkgeld waren offenbar wichtiger als Vernunft und guter Wille.
Die «Zeit» zum Wahlsieg von Donald Trump: Der Albtraum
Klare Worte zur US-Wahl findet auch die deutsche Wochenzeitung «Zeit» : Trumps Wahlsieg sei nicht nur für die Wählerinnen und Wähler der Demokraten in den USA, sondern auch für die meisten Demokraten ein Wirklichkeit gewordener Albtraum.
«Die Menschen in den USA hätten gewusst, was sie sich mit einer Wahl Trumps einhandeln. Die Zustimmung der Menschen, trotz dessen ‹mentaler Konfession›, seiner Frauenverachtung und Hetze, sei vor allem der wirtschaftlichen Lage vieler Wählenden geschuldet, die die wirtschaftspolitischen Erfolge Joe Bidens nicht so recht spürten.»
«Corriere della Sera»: «Sturz der Eliten»
Im Süden Europas wird Trumps Wahl zurück ins Weisse Haus als «Sturz der Eliten» interpretiert. Kamala Harris und mit ihr die aktuelle Regierung von Joe Biden sei schlicht abgestraft worden für deren Politik der vergangenen vier Jahre. Und weiter schreibt der «Corriere», die Wahl entziehe dem aktuell bereits «schwachen Europa» den bislang sicheren «Fallschirm».
Oder umgekehrt gesehen titelt die Zeitung aus Mailand schlicht: «Das Amerika des Trump».
«Nesawissimaja Gaseta»: Trump wird wenig Zeit für Selenskyj haben
In Russland schreibt die Zeitung «Nesawissimaja Gaseta» zur Lage des Ukraine-Kriegs, Trump werde «in nächster Zeit nicht viel Zeit für Selenskyj haben». Denn Selenskyjs Projekte hätten wenig gemein mit den bisherigen Äusserungen des US-Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance zur Beilegung des Konflikts. Und das, obwohl der ukrainische Präsident zu den ersten gehörte, die dem 47. US-Präsidenten zu seinem «erstaunlichen Wahlsieg» gratulierten und sein Engagement für «Frieden durch Stärke» lobten.
Dabei bedeutet der von Selenskyj im Oktober vorgestellte «Siegesplan» laut «Nesawissimaja Gaseta» eigentlich, «Nesawissimaja Gaseta»den Ländern des kollektiven Westens, angeführt von den USA, die Verantwortung für die Fortsetzung des Konflikts mit Russland zu übertragen. Dies entspricht jedoch nicht einer einzigen Grundhaltung von Trump, der es vorzieht, dass andere mehr zahlen.»
«New York Post» spricht von einem Comeback für die Ewigkeit
Die «New York Post» fasst den gestrigen Wahltag kurz zusammen: «Er hat's wieder gemacht», heisst es auf der Titelseite der Boulevardzeitung.
Neben der Schlagzeile ist schlicht der ehemalige und werdende Präsident Trump mit einem breiten Grinsen abgebildet. Er habe ein «Comeback für die Ewigkeit» abgeliefert, so die NYP.
«The New York Times»: Trump verschwindet nicht auf dem Aschehaufen der Geschichte
Kamala Harris bezeichnete Donald Trump letzte Woche als einen Ausreisser, der die USA nicht repräsentiere. Sie sagte: «So sind wir nicht.» «The New York Times» widerspricht: Die meisten US-Amerikanerinnen und Amerikaner seien genau so. Die Annahme, dass Trump eine «Anomalie» sei, die auf dem «Aschehaufen der Geschichte» verschwinden würde, wurde am Wahltag weggespült.
Das politische Establishment könne Trump «nicht länger als vorübergehende Unterbrechung des langen Marsches des Fortschritts abtun, als einen Zufallstreffer, der sich vor acht Jahren ins Weisse Haus geschlichen hat». Mit seinem Sieg gegen Harris könne Trump die USA endgültig nach seinem eigenen Bild umgestalten.
«The Washington Post»: Demokraten hielten Minderheitenstimmen für selbstverständlich
Kamala Harris und die Demokraten müssen gemäss der «The Washington Post» die Verantwortung dafür übernehmen, dass Trump bei den Minderheiten punkten konnte. «Die Demokraten hielten die Minderheitenstimmen für selbstverständlich. Das hat sie die Wahl gekostet.»
Hispanics, Schwarze und vielleicht sogar Puerto Ricaner hätten Trump zum Sieg verholfen, so die «Washington Post». Gemäss den nationalen «Exit Polls» stimmten nämlich 46 Prozent der Hispanics, 39 Prozent der asiatischstämmigen Menschen und 21 Prozent der schwarzen Männer für Trump statt Harris.
«Vanity Fair»: Trump-Sieg ist kein Zufall
Für das amerikanische Gesellschaftsmagazin «Vanity Fair» ist der Sieg von Donald Trump alles andere als ein Zufall. Der Sieg des ehemaligen Präsidenten galt vor acht Jahren als politische Anomalie. «Aber das Rennen 2024 hat gezeigt, dass das Land viel rechtsgerichteter ist, als wir dachten.» Auf seinem Cover ein Bild des neuen Präsidenten mit folgender Aufzählung: 34 Straftaten, 1 Verurteilung, 2 hängige Fälle, 2 Amtsenthebungsverfahren, 6 Insolvenzen, 4 weitere Jahre.
«Le Figaro»: Künftiger Kurs von Trump wird sich schnell zeigen
In Frankreich schreibt die Zeitung «Le Figaro» zur erneuten Wahl von Donald Trump: «Es wird sich schnell zeigen, ob er sich neu erfinden will, um einen Fussabdruck in der Geschichte zu hinterlassen, oder ob sein Appetit auf Rache stärker ist.»
Trump als Kandidat versprach im Vorfeld des Wahltags, nach einer allfälligen zweiten Wahl ins Weisse Haus mit all jenen abzurechnen, die ihn in Stich gelassen hatten. Fazit der Zeitung «Le Figaro»: «Noch wettet niemand auf seine Grossherzigkeit.»
«The Times»: Demokraten haben sich überschätzt
Die englische «Times» findet derweil, die US-Demokraten hätten sich überschätzt. «Sie konnten keine Wahlkampagne nach dem Motto ‹Das Land ist auf dem richtigen Weg› führen. Also versuchten sie es mit ‹Besser den Teufel, den man kennt›.» Wie es aussieht, habe sich dieser als schwächer erwiesen als die Botschaft, dass Veränderungen nötig sei. (...)
Die Demokraten hatten zudem das Gefühl, dass sich die weiblichen Wähler gegen Gesetze zur Einschränkung der Abtreibung auflehnen und auch das «Macho»-Gehabe von Trump nicht mögen würden. Dieser Glaube an die Unterstützung der Frauen für Harris scheint fehl am Platz gewesen zu sein. Weiter hatten sie wohl gehofft, dass sich ihr engagierter Wahlkampf vor Ort – mit Freiwilligen, die von Tür zu Tür zogen, um Wähler zu überzeugen – als entscheidend erweisen würde. «Möglicherweise haben sie diese Art des Wahlkampfs einfach überschätzt.»
«Magyar Nemzet»: «US-Wähler hörten auf ihre nüchterne Vernunft»
Viel Verständnis für Donald Trumps Wahl gibts derweil von der regierungsnahen ungarischen Tageszeitung «Magyar Nemzet»: «Die amerikanischen Wähler, die auf ihre nüchterne Vernunft hörten, haben das Pendel in die Richtung der Normalität ausschlagen lassen», schreibt die Zeitung in einem Kommentar.
Anstelle des Kriegs in der Ukraine hätten sich die Wähler für den Frieden entschieden, so «Magyar Nemzet»: «Gegenüber denen, die für die Rechte der Geschlechtsumoperierten, der Drag Queens und der Gebärmutterauskratzer demonstrieren (...), hätten die US-Bürger für die Werte der jahrtausendealten jüdisch-christlichen Kultur votiert. «Von Trump erwarten wir, dass er in beiden betroffenen Hauptstädten (in Moskau und Kiew) auf die Beendigung des Kriegs in der Ukraine hinwirkt. Wir erwarten von ihm, dass er sein diesbezügliches Versprechen erfüllt.»
«De Telegraaf»: Trump hat es wieder geschafft
Zur US-Präsidentschaftswahl meint die niederländische Zeitung «De Telegraaf»: «Nach dem 6. Januar 2021 dürfte es kaum noch viele Menschen gegeben haben, die auch nur einen Cent auf eine politische Zukunft von Donald Trump gesetzt haben. Schliesslich hatte sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur geweigert, seine Wahlniederlage gegen Joe Biden anzuerkennen, sondern auch einen regelrechten Volksaufstand inszeniert, um zu verhindern, dass sein Vizepräsident Mike Pence diese Niederlage offiziell macht. Dennoch hat er es nun erneut geschafft - die Wähler in den USA machen Trump wieder zu ihrem Präsidenten.»
Mit Material der DPA