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Alkoholtest

Fall Gobbi: Tessiner Kantonspolizisten freigesprochen

Nach einem Unfall hätten zwei Beamte bei Staatsrat Norman Gobbi einen Blut-Alkoholtest anordnen müssen. Doch als «Begünstigung» ist das Versäumnis nicht zu werten.
Hat mittlerweile die Führung des Polizeitdepartement abgegeben: Norman Gobbi.
Bild: SAMUEL GOLAY

Der Fall könnte als Lappalie erscheinen. Doch er hat die Tessiner Politik fast zwei Jahre beschäftigt. Nun sind am Mittwoch nach einem eintägigen Prozess vor dem Strafgericht in Bellinzona zwei Kantonspolizisten vom Vorwurf der Begünstigung freigesprochen worden. Sie hatten in ihren emotionalen Schlussworten nochmals unterstrichen, dass ihr Handeln nie darauf ausgerichtet war, Staatsrat Norman Gobbi (Lega dei Ticinesi) einen Gefallen zu erweisen oder ihn vor einer allfälligen Strafuntersuchung zu schützen.

Was ist geschehen? Gobbi war in der Nacht des 14. November 2023 auf dem Heimweg nach Airolo kurz nach Mitternacht in eine Kollision mit einem deutschen Fahrzeuglenker verwickelt. Er rief selbst die Polizei und einen Pannendienst. Eine erste Streife, die vor Ort war, unterzog Gobbi einem Alkoholtest, der 0,28 mg/l ergab. Da bei dem Gerät jedoch die Kalibrierung abgelaufen war, musste ein neues Atemalkoholmessgerät vor Ort gebracht werden.

Weshalb die Beamteten verzichteten

Zwei vorgesetzte Beamte, die im Dienst beziehungsweise auf Pikett waren, machten sich mit diesem Gerät von Bellinzona auf den Weg. Dieses zeigte dann bei einem Test um 02:32 Uhr einen etwas niedrigeren Wert von 0,24 mg/l an. Gleichwohl war dieser Wert so hoch, dass laut Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV) eine Blutprobe hätte entnommen werden müssen. Die beiden Kantonsbeamten verzichteten allerdings darauf, weil sie Gobbi bis zum Spital nach Bellinzona hätten begleiten müssen und die Frist von zwei Stunden seit dem Unfall für einen obligatorischen Bluttest nur um wenige Minuten überschritten war.

In diesem Verhalten sah Generalstaatsanwalt Andrea Pagani ein Fehlverhalten, das die Einzelrichterin aus objektiven Gründen teilte. Denn die Vorschrift in der SKV wurde missachtet. Sie sprach die beiden Beamten gleichwohl vom angeklagten Vorwurf der Begünstigung frei, weil sich in ihrem Verhalten keinerlei Vorsatz erkennen liess: «Es gibt keinen Grund, warum sie Gobbi hätten begünstigen wollen.»

Anders gesagt: Warum hätten sie für diesen Gefallen ihre Karriere aufs Spiel setzen sollen? Die beiden Kantonspolizisten hatten bei ihrer Befragung vor dem Strafgericht beteuert, eine gängige Praxis angewandt zu haben, unabhängig von der Tatsache, dass es sich bei der beteiligten Person um einen Staatsrat handelte. Unverständlich blieb allerdings, warum sie Gobbi keinerlei Fragen nach seinem Alkoholkonsum vor Fahrtbeginn stellten.

Kein Verfahren gegen Gobbi selbst

Der Unfall in der Leventina hatte erhebliche politische Konsequenzen für Norman Gobbi, den amtsältesten und mit Abstand bekanntesten Staatsrat in der Tessiner Kantonsregierung. Mitte-Präsident und Grossrat Fiorenzo Dadò reichte im März 2024 eine detaillierte Interpellation ein, in welcher er nach Details zu dem Unfall fragte und suggerierte, die Polizisten hätten ihrem obersten Chef eine Sonderbehandlung zukommen lassen.

Daraufhin eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren, das zur Anklageerhebung gegen die beiden Kantonspolizisten wegen des Vorwurfs der Begünstigung führte. Staatsrat Gobbi war als Informationsperson einvernommen worden, aber es hat kein Verfahren gegen ihn gegeben.

Als Vorsteher des Polizeidepartements und der Kantonspolizei trat er aber auf eigenen Willen vorübergehend in den Ausstand – bis September 2024. Ein weiteres Jahr später trat Gobbi die Verantwortlichkeit für das Polizeidepartement im Rahmen einer kleinen Rochade an den Kollegen Claudio Zali ab. Ein Grund für diese Rochade war auch die Tatsache, dass er vom Prozess gegen die beiden Polizisten mittelbar betroffen war.