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Ex-Muslime machen Politik

Der Ganzkörper-Schleier, im Volksmund generalisiserend Burka genannt, ist auch unter Muslimen umstritten.

Karen Schärer

«Man muss die Burka in der Schweiz verbieten», fordert Ebadullah Mehtinezhad im «Sonntag». Der Präsident des Vereins der Ex-Muslime der Schweiz will «gesetzlich verankern, dass man sich auf keinem öffentlichen Platz vermummen darf». Das solle dann ebenso für Fussball-Hooligans wie für die Burka gelten. Auf Anfrage dieser Zeitung zeigte sich gestern, dass der Exil-Iraner, der seit zwei Jahren in der Schweiz lebt, keine klare Vorstellung hat, wie der Verein seine Forderung umsetzen will. «Wir sind nicht sicher, wie wir die Kampagne anfangen sollen», sagt Mehtinezhad.

Denkbar sind Standaktionen, Unterschriftensammlungen oder eine Konferenz. Für die Ex-Muslime sind die Burka-Trägerinnen in der Schweiz kein marginales Phänomen. «Ich sehe oft Frauen mit der Burka», bekräftigt der Präsident des Vereins und bezeichnet den Ganzkörper-Schleier als «schlimmes Symbol der Frauenunterdrückung».

Muslimische Kreise gespalten

In muslimischen Kreisen ist man in der Burka-Frage gespalten. Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, sagt in aller Deutlichkeit: «Wir sind gegen Burkas.» Für die gebürtige Tunesierin ist die Entschleierung Voraussetzung für eine gelungene Integration.

Anders argumentiert Farhad Afshar: «Es gibt keine gesetzlichen Kleidervorschriften für die Schweizer Bevölkerung, also soll es auch keine für einen Teil der Bevölkerung geben», sagt der Präsident der Koordinationsstelle islamischer Organisationen. In seiner Wahrnehmung ist der Ganzkörper-Schleier in der Schweiz nicht präsent: «In der Schweiz trägt niemand eine Burka.»

Da der Vorstoss zu einem Verbot aus dem Kreis der Ex-Muslime kommt, steht für Afshar fest: «Das sind vorgeschobene Argumente, deren Grundlage eine Islam-Phobie ist.» Ex-Muslime hatten sich in der Schweiz erst im vergangenen Frühjahr zu einem Verein zusammengeschlossen. Sie haben entweder den muslimischen Glauben aufgegeben oder stammen aus einem muslimischen Land und kämpfen gegen eine «gefährliche religiöse Gettoisierung der Gesellschaft» und gegen das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst.

Burka ist beim Bund unerwünscht

Bereits 2006 hatte CVP-Präsident Christophe Darbellay einen Vorstoss zum Tragen von Burkas eingereicht. Aus föderalistischen und grundrechtlichen Motiven wollte der Bundesrat aber keine Massnahmen gegen das Tragen von Burkas im öffentlichen Raum ergreifen.

Allerdings hat auch der Bundesrat ein Unbehagen beim Thema: Dies zeigt seine Antwort auf eine Frage von SVP-Nationalrat Hans Fehr, ob der Bundesrat das Tragen einer Burka im öffentlichen Dienst tolerieren würde. Das Tragen einer Burka sei «problematisch», da sie mit Ausnahme der Augenpartien das ganze Gesicht verhülle. Der tägliche Umgang mit Arbeitskollegen werde dadurch erschwert; es könnten sich auch Fragen der Sicherheit stellen. «Aus diesen Gründen steht der Bundesrat dem Tragen einer Burka während der Arbeit in der Bundesverwaltung ablehnend gegenüber.»

Während der Verein der Ex-Muslime der Schweiz seine Vorgehensweise noch nicht klar abgesteckt hat, wird auf dem politischen Parkett vorwärtsgemacht: Wie CVP-Sprecherin Marianne Binder gestern gegenüber dieser Zeitung bestätigte, will Christophe Darbellay bald einen neuen Anlauf starten und einen verbindlichen Vorstoss einreichen, mit dem er ein Burka-Verbot fordert. Dieses soll auch für Touristinnen gelten.

Eine kurze Umfrage bei den Parteien zeigt, dass ein Burka-Verbot breite Sympathien geniesst. Die Ganzkörperverschleierung wird von links bis rechts als problematisch angesehen. Doch bei SP und FDP heisst es auch: «Die Burka ist in der Schweiz kein Problem. Ein Verbot drängt sich deshalb nicht auf.»

Frankreich diskutiert ein Verbot

Ein Verbot kennt man bereits in der belgiscen Stadt Antwerpen: Dort ist es aus Sicherheitsüberlegungen verboten, das Gesicht zu verhüllen. In Frankreich untersucht eine parlamentarische Kommission gegenwärtig die Problematik der Burka und prüft gesetzliche Massnahmen.