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Eskalation im Nahen Osten – das wissen wir zum iranischen Angriff auf Israel

Der Iran macht seine Rache-Drohungen wahr und greift Israel mit Drohnen und Raketen direkt an. Am frühen Sonntagmorgen gibt Israel zwar Entwarnung. Doch die Lage bleibt angespannt, da unklar ist, ob weitere Angriffswellen folgen – und wie Israel reagieren wird.

Anfang April hat – mutmasslich – Israel zwei hochrangige iranische Militärs in der Botschaft des Landes in Syrien mit einem Luftangriff getötet. Der Iran hat daraufhin Rache geschworen. In der Nacht auf Sonntag (Schweizer Zeit) hat das Land die Ankündigungen nun in die Tat umgesetzt und Israel mit zahlreichen Drohnen und Raketen angegriffen. Eine Übersicht.

Das wissen wir über den Angriff

Der Iran hat am Samstagabend (Schweizer Zeit) einen Drohnen- und Raketenangriff gegen Israel gestartet. Dies gab der israelische Armeesprecher Daniel Hagari bekannt. Er gab zu jenem Zeitpunkt weiter an, dass es mehrere Stunden dauern würde, bis die Drohnen israelisches Gebiet erreichen. Es ist der erste direkte Angriff des Irans auf Israel überhaupt.

Die erste Welle erreichte Israel gegen 3 Uhr in der Nacht. Es gab Sirenenalarm in zahlreichen Städten. Auch die Metropolen Jerusalem, Tel Aviv und die Stadt Dimona in der Wüste, wo ein Atomkraftwerk steht und Israel seine Atomwaffen entwickeln soll, wurden demnach vom Iran ins Visier genommen.

Nach Angaben der israelischen Armee leistete das landeseigene Raketenabwehrsystem aber hervorragende Arbeit. Laut einem Militär-Sprecher konnten die meisten Drohnen und Raketen noch ausserhalb des israelischen Staatsgebiets unschädlich gemacht werden. Die Gesamtzahl der aus dem Iran abgefeuerten Flugkörper soll um die 200 betragen haben (Stand 5 Uhr Schweizer Zeit).

Iranische Drohnen über Nordisrael.
Bild: Bild: Keystone

Trotz der mehrheitlich erfolgreichen Luftabwehr verzeichnete Israel Schäden. So bestätigte Armee-Sprecher Hagari, dass es an einer Militärbasis im Süden des Landes zu «geringfügigen Schäden» kam. Der Iran hatte zuvor von «schweren Schlägen» gesprochen. Durch die Raketen verletzt worden, ist laut Angaben Israels einzig ein zehnjähriges Mädchen. Es soll schwere Verletzungen davongetragen haben.

Berichten zufolge bekam Israel bei der Abwehr des Angriffs Unterstützung von zahlreichen Verbündeten. So sollen US-Einheiten beim Abschuss der Drohnen ebenso geholfen haben wie die Briten und Jordanien. Laut der Nachrichtenagentur Reuters haben jordanische Kampfflugzeuge dutzende Drohnen, die auf dem Weg nach Israel waren, über dem eigenen Staatsgebiet abgeschossen

Unklar ist, ob es bei dieser einen Vergeltungswelle bleibt oder ob der Iran Israel erneut attackieren wird. Israel hatte bereits zuvor, als Reaktion auf entsprechende iranische Aussagen, angekündigt, dass ein direkter Angriff «eine adäquate Antwort» Israels zur Folge hätte.

Das sagt der Iran zum Angriff

Der Iran hat den Angriff, der unter dem Namen «Wahres Versprechen» läuft, unmittelbar nach dem Start bestätigt. Das Abfeuern der Raketen, begleitet von einem massiven Drohnenangriff, sei die «Antwort auf die jüngsten Verbrechen des zionistischen Regimes».

Der iranische Verteidigungsminister hat nach dem Beginn der Vergeltungsschläge gegen Israel schon einmal vorsorglich vor Gegenangriffen auf sein Land gewarnt. Jeder Staat, der den Iran angreife, werde eine «entschlossene Reaktion» erhalten, sagte General Mohammed-Resa Aschtiani laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna in der Nacht zu Sonntag.

Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat in den sozialen Medien zudem seine Drohungen gegen den jüdischen Staat erneuert. «Das boshafte Regime wird bestraft werden», hiess es beim offiziellen Account des Religionsführers auf der Plattform X. Das Zitat stammt aus einer Rede vom vergangenen Mittwoch.

Im Iran selbst wird die Vergeltungsattacke auf Israel mehrheitlich begrüsst, wie Bilder von den Strassen Teherans zeigten. Dort brandete nach der Ankündigung der Regierung unter tausenden Demonstrierenden Jubel auf. Unter anderem wurde ein Banner enthüllt auf welchem «beim nächsten Mal wird es verheerender» stand. Auch palästinenische Flaggen wurden geschwenkt und Schlachtrufe wie «Tod für Israel» oder «Tod für Amerika» wurden skandiert.

Iraner feiern den Angriff auf Israel.
Bild: Bild: Keystone

So reagiert Israel

Israel beschränkte sich vorerst auf Informationen zum iranischen Angriff und wie die Abwehrreaktionen darauf aussehen. So gab es im ganzen Land Sirenenalarm, die Bewohnerinnen und Bewohner im Norden und im Süden des Landes wurden aufgerufen, sich in die Nähe von Schutzräumen zu begeben. Dieser Aufruf wurde gegen Morgen dann zurückgenommen, der israelische Heimatschutz gab Entwarnung.

Eine direkte israelische Reaktion auf das Vorgehen des Irans steht indes noch aus. Offen ist damit, ob Israel auf den massiven iranischen Vergeltungsschlag mit einem Gegenangriff reagieren würde.

Das Sicherheitskabinett habe Netanjahu sowie Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, und Verteidigungsminister Joav Galant befugt, Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen, berichtete der Fernsehsender Channel 12. Israels Generalstabschef Herzi Halevi führe im Einsatzzentrum der Luftwaffe eine Lagebeurteilung durch, teilte das Militär in der Nacht mit. Bereits am Freitag hatte Israels Verteidigungsminister Joav Galant bereits angekündigt, dass ein direkter Angriff Irans auf Israel «eine angemessene Antwort Israels einfordern» werde.

So reagiert die Welt

US-Präsident Joe Biden telefonierte noch in der Nacht mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wie die israelische Regierung am frühen Sonntagmorgen mitteilte, führten beide ihr Gespräch nach Beratungen des israelischen Sicherheitskabinetts und des Kriegskabinetts. Das Weisse Haus teilte anschliessend mit, Biden habe den iranischen Angriff «auf das Schärfste» verurteilt und das «eiserne Bekenntnis» der USA zu Israels Sicherheit bekräftigt.

Joe Biden verurteilt den iranischen Angriff «aufs Schärfste».
Bild: Bild: Keystone

Für diesen Sonntag kündigte Biden ein Treffen der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien an. Er werde die Staats- und Regierungschefs der G7 zusammenrufen, «um eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den dreisten Angriff des Iran zu koordinieren».

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz äusserte sich ähnlich zum Vorfall. Er verurteilte die iranischen Angriffe «mit aller Schärfe».

«Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand», erklärte zudem der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach Ankunft von Scholz in China am Sonntag in dessen Namen. «In diesen schweren Stunden steht Deutschland eng an der Seite Israels. Über weitere Reaktionen werden wir uns nun eng mit unseren G7-Partnern und Verbündeten besprechen.»

Auch UN-Generalsekretär António Guterres betonte das Risiko einer katastrophalen Zuspitzung der Lage in Nahost. «Ich bin zutiefst beunruhigt über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region», sagte er in New York. Er verurteile den Angriff des Irans «aufs Schärfste» und fordere eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell schrieb auf X:

«Dies ist eine beispiellose Eskalation und eine ernste Bedrohung für die regionale Sicherheit.»

Das Schweizer Aussendepartement in Bern hat am Samstag in Erinnerung gerufen, dass von touristischen und anderen nicht dringenden Reisen nach Israel abgeraten wird. Von Reisen in einzelne Landesteile werde generell abgeraten.

Zahlreiche Fluggesellschaften meiden zudem den iranischen Luftraum – auch die Swiss. Betroffen seien die Verbindungen von und nach Hongkong, Bangkok, Singapur, Delhi und Mumbai, hiess es. Die Regelung gelte bis zum 18. April. Zudem meide die Swiss während des betreffenden Zeitraums auf diesen Strecken nachts auch den israelischen und den libanesischen Luftraum.

Die Vorgeschichte

In den vergangenen Tagen und Wochen gab es bereits Anzeichen, dass sich der Nahostkrieg zwischen der Hamas in Palästina und Israel ausweiten könnte. So kam es immer wieder zu gegenseitigen Angriffen Israels und der im Libanon ansässigen Hisbollah, welche vom Iran massgeblich unterstützt wird.

Im Südlibanon hat die israelische Luftwaffe kürzlich beispielsweise eine grosse militärische Anlage der vom Iran unterstützten Hisbollah nahe dem Ort Rihan zerstört. Später seien Angriffe gegen Ziele bei den Städten Hula und Beit Lif geflogen worden. Kurz zuvor war der Norden Israels mit etwa 40 Raketen aus dem nördlichen Nachbarland aus angegriffen worden. Einige seien abgefangen worden, andere in offenes Gelände eingeschlagen. Verletzte hat es laut der Armee nicht gegeben.

Der entscheidende Vorfall für die jetzige Eskalation ist aber ein anderer: Am 1. April waren bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus zwei hochrangige Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen Revolutionsgarden (IRGC) getötet worden. Irans Staatsspitze kündigte daraufhin wiederholt Vergeltung an – jetzt hat das Land den Worten Taten folgen lassen.