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Le Pen

Enthüllen, entlarven: Wie Frankreich die Rechtsradikalen bekämpft

Frankreich hat eine lange Erfahrung im Umgang mit den Rechtsradikalen der Le-Pen-Partei. Verbieten und dämonisieren ist – anders als in Deutschland – out. Die neue Methode heisst: Faktencheck.
Rechte unter sich: Marine Le Pen (links) in Begleitung des niederländischen Wahlsiegers Geert Wilders. 
Bild: Bild: Peter Dejong/AP

In Deutschland ist im Dezember erstmals ein AfD-Kandidat zum Bürgermeister gewählt worden – in Pirna (40'000 Einwohner) im Bundesland Sachsen. Frankreich hat einen solchen Wahlsieg der Rechten schon 1995 erlebt.

Vor bald dreissig Jahren gewann Jean-Marie Le Chevallier vom rechtsextremen Front National (FN) die Lokalwahlen in Toulon. Er hielt sich sechs Jahre lang als Stadtpräsident von 180'000 Einwohnern; 2001 wurde er wegen Korruption im Amt verurteilt. Seither regieren wieder die konservativen Republikaner in der traditionell rechtslastigen Hafenstadt am Mittelmeer.

Seither wogt in Frankreich die Debatte, ob und wie Wahlsiege «antirepublikanischer» Kräfte verhindert werden könnten. Die Linke setzte zuerst auf die «Dämonisierung» des FN; sie forderte einen «cordon sanitaire», ein Sicherheitsband, um den Front National des rassistischen Hetzers Jean-Marie Le Pen. Auch ein Verbot der unter anderem von einem Veteranen der Waffen-SS gegründeten Partei wurde früher eifrig diskutiert.

Die gemässigte Rechte lehnte dies immer ab, aber sie beteiligte sich an der Ausgrenzung des «FN», dessen «N» wie «haine» (Hass) ausgesprochen wird. In der Sache plädierten die Republikaner für die «Bagatellisierung»: Die Le-Pen-Partei sei nur ein Symptom für effektive Fehlentwicklungen im Land und habe auf nationaler Ebene keine echten Siegeschancen.

Der konservative Gaullist Jacques Chirac verweigerte sich 2002 trotzdem einer TV-Debatte mit Jean-Marie Le Pen, der sensationell in den zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen vorgedrungen war. Die präsidiale Stichwahl verlor Le Pen mit weniger als 18 Prozent. Seine ihm nachfolgende Tochter Marine Le Pen erhielt dann aber 2017 schon 34 Prozent gegen Emmanuel Macron; 2022 kam sie auf gut 41 Prozent.

Verteufeln zieht nicht mehr

Und jetzt, wo ihr Einzug in den Élysée-Palast bei den Präsidentschaftswahlen 2027 in den Bereich des Möglichen rückt, wird die Debatte virulenter denn je: Was tun, damit die Nation der Aufklärung und der Menschenrechte nicht in die Hände der «extrême droite», der Rechtsextremen fällt?

Die alte Streitfrage – Dämonisieren oder Bagatellisieren – hat sich entwickelt. Denn beides zieht nicht mehr. Das Verteufeln mit der Moralkeule schon gar nicht: Bei den Europawahlen vom Juni dürfte das gegenüber dem FN aufpolierte «Rassemblement National» (RN) von Marine Le Pen, dem eher das Prädikat «rechtspopulistisch» als «rechtsextrem» zukommt, mit Abstand die stärkste Landespartei werden.

Dadurch unter Druck geraten, ändert Macron nun die Taktik. In einer Regierungssitzung erklärte er, der Kampf gegen die Lepenisten könne «nicht mehr über moralische Argumente» laufen: «Man kann nicht Millionen von Franzosen glauben machen, dass sie Faschisten sind, wenn sie RN wählen.» Macron will Le Pen eher mit ihren eigenen als mit fremden Waffen schlagen, wie er mit seinem neuen Einwanderungsgesetz klarmachte.

In einem Punkt sind sich die etablierten Parteileitungen einig: Eine Wahlallianz mit Le Pen kommt nicht infrage. Ohne Koalition in der Nationalversammlung könnte aber auch eine gewählte Präsidentin Le Pen nicht regieren.

Die Brandmauer bröckelt allerdings, so nicht zuletzt an der Basis der konservativen Republikaner. Ihr rechter Flügel argumentiert inhaltlich sehr ähnlich wie Le Pen. Auch Macron nähert sich. Anders als Chirac sucht er geradezu die Debatte mit den Lepenisten. In den beiden präsidialen TV-Streitgesprächen von 2017 und 2022 wurde ihm deshalb vorgeworfen, er legitimiere seine Widersacherin als «normale Politikerin».

Im vergangenen Oktober wurde die RN-Gründerin zudem erstmals an einer Grossdemo gegen Antisemitismus geduldet. Und dies, obwohl mehrere Studien von Umfrageinstituten bestätigen, dass Le Pens RN die Partei ist, in der Antisemiten am zahlreichsten sind.

Ein anderes Beispiel, wie der doppelte Diskurs des RN entlarvt wird: Recherchen der US-Zeitung «Washington Post» ergaben, dass Jordan Bardella, der RN-Vorsitzende, nach einem Kontakt mit Wladimir Putins Kabinettschef fast wörtlich russische Positionen wiedergibt, als wäre er ein Kreml-Sprecher.

Der RN-Sekretär denke offenbar eher an die Sicherheit Russlands als die von Frankreich, kommentierte die Sozialistische Partei in Paris. Der Macron-Abgeordnete Stéphane Vojetta schob nach: «Für Le Pen und Bardella zu stimmen, bedeutet, für Putin zu stimmen.»