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Magnitski-Affäre

Einflussreicher US-Senator macht Druck auf die Schweiz: Geld soll nicht an Russen zurückfliessen

Der republikanische US-Senator Roger Wicker fordert Aussenminister Antony Blinken auf, bei Bundesrat Ignazio Cassis zu intervenieren: Er solle verhindern, dass die Schweiz im Fall Magnitski mehrere Millionen Franken an sanktionierte Russen zurückerstatte. 

US-Senator Antony Blinken (links) soll die Sache mit Bundesrat Ignazio Cassis thematisieren, fordert der Senator. Im Bild die beiden Aussenminister bei einem Treffen Anfang 2022 in Genf. 
Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone (Genf, 21.1.2022)

Der Ton, den der US-Senator anschlägt, ist harsch. In einem Brief an US-Aussenminister Antony Blinken kritisiert der Republikaner Roger Wicker die Schweiz scharf. Hintergrund ist der Entscheid der Bundesanwaltschaft, das Verfahren einzustellen, das sie im Zusammenhang mit dem Fall Magnitski, einem riesigen Betrugsfall in Russland, geführt hatte. Ein Grossteil der beschlagnahmten 18 Millionen Franken soll dadurch freigegeben werden.

«Der Entscheid der Schweiz, unrechtmässig erlangte Gewinne an die Täter eines Verbrechens des Putin-Regimes zurückzugeben, stellt einen Affront gegenüber unseren Bemühungen dar», schreibt Wicker. Er fordert Blinken auf, die Angelegenheit «umgehend» mit seinem Schweizer Amtskollegen Ignazio Cassis zu besprechen und Zusicherungen zu verlangen, dass diese Gelder nicht an Russland zurückfliessen. Der Senator verweist darauf, dass zwei der drei Personen, welche Geld zurückbekommen würden, auf einer Sanktionsliste der Amerikaner stehen – und zwar seit 2014.

Wicker droht sogar mit einer Zurückstufung der Beziehungen zwischen Bern und Washington und verlangt eine Überprüfung der Rechtshilfeverträge: Die Schweiz sei in diesem und ähnlichen Geldwäschefällen arglistig vorgegangen, behauptet er. Die USA könnten solches Verhalten nicht länger belohnen.

Senator Roger Wicker.
Bild: Jacquelyn Martin / AP

Das Aussenministerium in Washington wollte keine Stellungnahme zu dem geharnischten Schreiben abgeben. Weil Wicker der Republikanischen Partei angehört und Blinken ein Demokrat ist, kann es sich die Regierung leisten, nicht umgehend auf die Kritik des Senators an der Schweiz einzugehen. Ignorieren aber lässt sie sich nicht. Wicker, seit 2007 Senator aus Mississippi, ist im amerikanischen Parlament gut vernetzt und übt in sicherheitspolitischen Debatten einen gewissen Einfluss aus.

Das bekam die Schweiz im vergangenen Frühling zu spüren, als die staatliche Helsinki Commission in Washington in einer Anhörung den Finanzplatz Schweiz wegen russischer Gelder an den Pranger stellte. Wicker spielt in der Kommission eine führende Rolle. Die Veranstaltung warf zwar kein neues Licht auf die angebliche Kooperation zwischen der offiziellen Schweiz und dem Kreml; der Bundesrat zeigte sich in einer Stellungnahme aber dennoch pikiert, dass sie überhaupt stattgefunden hatte, einige Monate nach Beginn des Ukrainekrieges.

Cassis spricht mit US-Botschafter Miller

Aussenminister Ignazio Cassis traf den US-Botschafter in der Schweiz, Scott Miller, am Freitag zu einem geplanten Höflichkeitsbesuch, wie das Aussendepartement (EDA) schreibt. Sie sprachen dabei auch «über die Kommentare von US-Senator Wicker und betonten beide die Bedeutung einer unparteiischen und unabhängigen Justiz».
Zu Wickers Brief hält das EDA fest, das Strafverfahren falle «ausschliesslich in die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft und der Schweizer Gerichte». Die Schweizer Regierung sei nicht involviert. Aufgrund der Gewaltenteilung äussere sich das EDA nicht zum laufenden Strafverfahren.
Weiter verweist das EDA darauf, dass Cassis im Mai 2022 mit US-Aussenminister Blinken telefoniert habe. Dabei habe er die Vorwürfe der Helsinki Commission widerlegt. Von Wickers Brief habe das EDA über die sozialen Netzwerke erfahren.

Bundesanwaltschaft: «Kein erhärteter Tatverdacht»

Im Zentrum der damaligen Anhörung und des aktuellen Briefes steht die Magnitski-Affäre, die seit Jahren international Schlagzeilen macht. Der Fall ist nach dem russischen Steuerberater Sergei Magnitski benannt. Er hatte den Steuerbetrug im Umfang von 230 Millionen Dollar entdeckt, der offenbar durch eine Bande mit gutem Draht in den Kreml begangen wurde. Magnitski starb 2009 unter ungeklärten Umständen in Untersuchungshaft. Er hatte für den britisch-amerikanischen Geschäftsmann Bill Browder gearbeitet, einst einer der grössten Finanzinvestoren in Russland. Heute ist er ein scharfzüngiger Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Ein Teil der Deliktsumme landete in der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft eröffnete 2011 eine Strafuntersuchung wegen Geldwäscherei und beschlagnahmte 18 Millionen Franken. Zehn Jahre später, im Sommer 2021, stellte sie das Verfahren jedoch ein, da «kein erhärteter Tatverdacht» vorliege. Gleichzeitig sprach sie Browders Firma Hermitage Capital Management die Stellung als Privatklägerin ab.

Browder reichte dagegen beim Bundesstrafgericht Beschwerde ein. Nur mit dem Status als Privatkläger hat er die Möglichkeit, die Verfahrenseinstellung anzufechten. Im November 2022 blitzte er mit seiner Beschwerde ab. Er kündigte an, den Fall weiter ans Bundesgericht zu ziehen. Die 14 Millionen, die freigegeben werden sollen, sind wegen der laufenden Verfahren weiterhin gesperrt.

Den Entscheid, das Verfahren einzustellen, kritisiert Browder scharf. In einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen sagte er kürzlich, die Schweiz habe auf die «Expertise ihres Fedpol-Experten vertraut, der sich von Russland schmieren und zur Bärenjagd einladen liess».

Der ehemalige Ermittler wurde der Vorteilsannahme schuldig gesprochen, weil er sich zu einer Woche Bärenjagd in Russland hatte einladen lassen. Das Gericht verzichtete aber auf eine Bestrafung - unter anderem, weil sein Verschulden «sehr gering» sei.