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Schweizer Hochsee-Flotte

Eine Pleite und ihre Folgen: Fünf Jahre Knast für einen Reeder, neue Steuerprivilegien für alle anderen

Wegen Betrug um Schiffsbürgschaften wurde Reeder Hans-Jürg Grunder in bisher zwei Instanzen verurteilt. Andere könnten indirekt von der Affäre profitieren.
Der angeklagte Reeder Hans-Jürg Grunder (Mitte) am 22. Juni 2020 vor dem Berner Wirtschaftsgericht.
Bild: Bild: Karin Widmer / Keystone

Die Pleite der Hochsee-Flotte von Reeder Hans-Jürg Grunder: Im Mai 2017 bewilligte das Bundesparlament einen Nachtragskredit von 215 Millionen Franken. 200 Millionen Franken, das rechnete 2019 die Finanzdelegation (FinDel) des Bundesparlaments vor, kostete die Flotten-Pleite letztlich den Bund. Es sollten weitere Verluste hinzukommen, weil auch mit anderen Reedereien Probleme auftraten.

Denn die Risiken, die der Bund eingegangen war, waren enorm: 50 Hochseeschiffe, betrieben von sechs Reedereien, waren Stand 2017 mit Bundesgeld auf den Weltmeeren unterwegs. Insgesamt 1,1 Milliarden betrug der Bürgschaftsrahmenkredit.

In der Folge wurden die Bürgschaften reduziert, es werden keine neuen mehr gesprochen. Die letzten laufen 2032 aus. Laut Angaben des Schweizerischen Seeschifffahrtsamts in Basel sind derzeit noch 14 Seeschiffe unter Schweizer Flagge von noch zwei Reedereien unterwegs. Alles Massengutfrachter. Sechs betreibt die Reederei Zürich, acht die Suisse-Atlantique in Morges.

Der Bundesrat möchte die umstrittene Tonnage-Tax einführen. Sie wurde massgeblich vom ehemaligen Genfer Mitte-Nationalrat Guillaume Barazzone propagiert, der sie als Ersatz für das Bürgschaftssystem anpries.

Kein Wunder: Bei der Tonnage-Tax werden die Schiffsbetreiber statt nach Gewinn nach Ladekapazität besteuert, und rentable Unternehmen wie die in Genf ansässige Mediterranean Shipping Company (MSC) sparten so Steuern in grossem Stil. Der Nationalrat hat der Vorlage im Dezember 2022 zugestimmt. Nun berät die zuständige Ständeratskommission darüber.

Kann auf Steuergeschenke hoffen: Gianluigi Aponte, Gründer der weltweit grössten Container-Reederei MSC mit Sitz in Genf.
Bild: Bild: Thomas Samson / AFP

MSC, mit 800 Schiffen die weltweit grösste Container-Reederei, gehört der bei Genf wohnhaften Familie des Italieners Gianluigi Aponte, ehemaliger Seemann, der einen kometenhaften Aufstieg hinter sich hat. Aber das ist eine Geschichte für sich.

Reeder Hans-Jürg Grunder, dessen Flotte den Bund 200 Millionen kostete, wurde 2022 vom Berner Obergericht in zweiter Instanz zu fünf Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Das Obergericht sprach Grunder unter anderem des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und des Leistungsbetrugs schuldig.

Grunder zog das Urteil ans Bundesgericht weiter; dort ist der Fall noch hängig, es gilt die Unschuldsvermutung. Das Verfahren gegen einen ehemaligen Chefbeamten des Bundes, der für die Bürgschaftsvergaben zuständig war und später in Grunders Reederei arbeitete, wurde dagegen eingestellt. Eines der Grunder-Schiffe, die «Sabina», war nach der Tochter des Beamten benannt. Der Mann hatte womöglich Glück, dass, weil er Bundesbeamter war, die Bundesanwaltschaft das Verfahren führte und nicht, wie bei Grunder, der Kanton Bern.