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Abstimmung

Ein Vorbild für die Welt? Frankreich verankert Recht auf Abtreibung in Verfassung

In einer symbolträchtigen Abstimmung hat Frankreich die Freiheit auf Abtreibung in der Verfassung verankert. Die dafür nötige Drei-Fünftel-Mehrheit wurde am Montag in Versailles bei einer Sitzung beider Parlamentskammern erreicht.
Abtreibungs-Befürworter vor der Universität La Sorbonne in Paris. 
Bild: Keystone

Frankreich schreibt das Recht auf Abtreibung in die Verfassung - und will ein Vorbild weltweit sein. Nur 72 Abgeordnete stimmten am Montag dagegen, bei 780 Ja-Stimmen. Anschliessend applaudierten die Anwesenden im Stehen. Beide Kammern hatten dem Vorhaben einzeln bereits zuvor grünes Licht gegeben.

Auf den Eiffelturm wurden laut dem Sender BFMTV am Abend die Worte «mein Körper, meine Entscheidung» projiziert. Darunter jubelten die Menschen, als das Ergebnis bekannt wurde. Sie hatten die Abstimmung auf einem Grossbildschirm verfolgt.

Die Zeremonie zur Verfassungsänderung soll am Weltfrauentag an diesem Freitag stattfinden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, ehemals Twitter: «Frankreichs Stolz. Universelle Botschaft».

Premierminister Gabriel Attal sprach von einer «moralischen Schuld» gegenüber allen Frauen, die gelitten hätten. «Uns verfolgen das Leiden und die Erinnerung an so viele Frauen, die jahrzehntelang darunter gelitten haben, nicht frei sein zu können», betonte er und freute sich über den «erfolgreichen Abschluss eines langen Kampfes».

«Historisch» und «ein Versprechen»

Viele Abgeordnete feierten die Abstimmung als «historisch». Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei «La France insoumise» (LFI), Mathilde Panot, sah darin ein Versprechen für alle Frauen, die weltweit für das Recht auf Abtreibung kämpften. Frankreich besinne sich auf seine Berufung als «Leuchtturm der Menschenrechte», sagte Panot, die den ersten Entwurf für die Verfassungsänderung eingebracht hatte.

Viele feierten die Abstimmung auch als wichtiges Symbol, weil weltweit die Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch teils deutlich eingeschränkt werden. In den USA kippte das Oberste Gericht der USA vor knapp zwei Jahren das bundesweit geltende Recht auf Abtreibung. In Polen war 2021 nach einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts ein verschärftes Abtreibungsrecht in Kraft getreten. Seitdem dürfen Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen, wenn ein ungeborenes Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Der neue Ministerpräsident Donald Tusk will das Abtreibungsrecht jedoch wieder lockern.

In Frankreich sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche bereits seit 1975 straffrei. Mittlerweile können Schwangere in Frankreich bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Umfragen zufolge befürworteten mehr als 80 Prozent der Französinnen und Franzosen die Verfassungsänderung.

In Deutschland bleibt in Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. In der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP gibt es aber Überlegungen, den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Während der Abstimmung in Frankreich versammelten sich mehrere Hundert Abtreibungsgegner in der Nähe des Kongresses in Versailles, um gegen die Verfassungsänderung zu protestieren. Auch die katholische Kirche machte deutlich, dass sie Abtreibungen weiterhin ablehnt. Die Päpstliche Akademie für das Leben teilte laut dem Sender BFMTV mit: «Im Zeitalter der universellen Menschenrechte kann es kein «Recht» geben, ein menschliches Leben zu vernichten.» (dpa)