Worum es beim Konflikt eigentlich geht? Das wissen wohl längst nicht mehr alle. Klar ist nur: Die Mitglieder der SVP Stadt Schaffhausen haben am Dienstagabend einen Entscheid des Vorstandes bestätigt. Sie wollen die Scheidung. Die Stadtsektion hat entschieden, aus der Kantonalpartei auszutreten und direkt bei der SVP Schweiz Mitglied werden.
Der entsprechende Antrag ist bereits in Bern deponiert. Doch die Stadtsektion hat auch zugestimmt, es noch einmal mit einer Mediation versuchen zu wollen, wie die «Schaffhauser Nachrichten» berichten. Es ist ein halber Entscheid also.
Die Ursache des Konflikts ist ziemlich banal
Der Streit innerhalb der Schaffhauser SVP sorgt seit Monaten auch für nationale Schlagzeilen. Streitigkeiten kommen in allen Parteien vor. Doch dass sich gleich eine ganze Stadtsektion abspalten will, ist spektakulär. Und dass selbst Parteiübervater Blocher keinen Frieden stiften kann, noch spektakulärer. «Christoph Blocher in allen Ehren, er hat viel geleistet. Aber ich weiss nicht, was ihn die Sektion Schaffhausen angeht», sagte der Präsident der kantonalen JSVP an einer Delegiertenversammlung im Mai.
Manche sagen, es gehe beim Konflikt um Stadt und Land. Andere, um Alt gegen Jung. Wieder andere, um die mangelnde Arbeit des Parteisekretärs. Um unterschiedliche Auffassungen zum kantonalen Finanzausgleich. Um eine Untersuchung der Rolle der Polizei beim Fall Fabienne W., die in der Wohnung eines stadtbekannten Anwalts zusammengeschlagen wurde. Und und und.
Doch es ist wohl viel banaler: Es geht um einen persönlichen Konflikt zwischen der kantonalen Finanzdirektorin Cornelia Stamm Hurter (62) und dem städtischen Finanzdirektor Daniel Preisig (49). Die beiden können es nicht miteinander. Wo der Konflikt genau angefangen hat, ist schwierig zu sagen. Manche Insider vermuteten in den «Schaffhauser Nachrichten» im letzten November, dass der Streit mit der Regierungsratswahl 2022 zusammenhängt. Preisig wollte kandidieren, verlor aber in der internen Ausmarchung gegen Dino Tamagni, der später auch gewählt wurde. Preisig sagt, das sei Humbug.
Die starke Frau der Schaffhauser Regierung
Dazu muss man wissen: Cornelia Stamm Hurter ist nicht nur seit sieben Jahren die starke Frau in der Regierung – sondern auch in der kantonalen SVP. Ihr Mann ist Thomas Hurter, seit bald 18 Jahren Nationalrat. Sie sind sozusagen das Politik-Power-Paar der SVP und Schaffhausens. Dort sind die hohen Politämter rar. Fünf Regierungsräte hat der Kanton, vier Vertreter schickt er nach Bern. Von diesen neun prestigeträchtigen Ämtern sind vier in SVP-Hand. Die Hälfte davon besetzt das Ehepaar Stamm Hurter.
Daniel Preisig wiederum galt lange als grösstes Talent in der Schaffhauser SVP. Seit zehn Jahren sitzt er in der linken Stadtregierung und versucht, eine urban-konservative Politik zu machen. Anfang Januar trat er aus der SVP aus. Die Zusammenarbeit mit der Kantonalpartei habe sich zusehends verschlechtert. «Öffentlich ausgetragene persönliche Angriffe von Parteimitgliedern anderer Sektionen blieben trotz anderslautender Vorstandsbeschlüsse konsequenzenlos», schrieb er.
Der Streit zwischen Preisig und Stamm Hurter hat sich in den letzten Jahren hochgeschaukelt. Immer wieder kamen neue Elemente dazu, die das Verhältnis der beiden belasteten. Und der Streit zog auch andere Personen in Mitleidenschaft.
Der Sekretär, der seine Absetzung protokollierte
In erster Linie: Mario Fioretti, langjähriger und loyaler Parteisekretär der kantonalen SVP. Er stellte sich hinter Daniel Preisig und bekam das zu spüren. Im letzten November musste er selbst protokollieren, wie der Kantonalvorstand seine Absetzung diskutierte. Vordergründig ging es um seine mangelnden Kompetenzen in Sachen sozialen Medien. Aber: Fioretti ist das Bauernopfer.
Im Dezember mischte sich dann auch noch Christoph Blocher ein: «Schaut, dass ihr dieses Problem bereinigt!», redete er der Partei an der traditionellen Weihnachtsfeier ins Gewissen, wie die «Schaffhauser AZ» schrieb. Später lud Blocher zum runden Tisch in Herrliberg, handelte einen Kompromiss aus. Die Wahl des Parteisekretärs sollte verschoben, die Zeit zur Aussöhnung genutzt werden – und Preisig wieder in die SVP-Familie zurückkehren. Doch an der Parteiversammlung im Mai fand der Kompromiss keinen Anklang. SVP-Ständerat Hannes Germann trat als Friedensstifter auf – und wurde ebenso desavouiert.
Nun ist die Geschichte um ein Kapitel reicher: Die Abspaltung will man zwar immer noch, aber man will auch noch einmal mit der Kantonalpartei reden. Ein unabhängiger Mediator soll schaffen, was Christoph Blocher nicht gelungen ist.
Froh sein über diesen Entscheid dürfte insbesondere auch das Power-Paar Stamm Hurter. Sie sind nämlich selbst Mitglied der Stadtsektion. Mit der Abspaltung wären sie aus der Kantonalpartei geflogen - oder hätten sich eine neue Sektion suchen müssen.
Froh sein dürfte auch die SVP Schweiz. Sie trifft sich Freitag und Samstag in Schaffhausen. Den heiklen Entscheid über den Antrag der Stadtsektion auf Verbleib in der SVP Schweiz wollte der Parteivorstand ohnehin nicht fällen in der Munotstadt. Die Selbstzerfleischung war schon vertagt. Mit dem neuen Mediationsversuch muss sich die Parteispitze auch nicht mehr rechtfertigen dafür.
Und so ist nur eines klar: Die Affäre geht weiter.