Pro: Wenn weg, dann so
Eigentlich wird dem Eigenmietwert zu viel Bedeutung beigemessen. Er stellt weder jene unerträgliche Zusatzbelastung dar, die der Hauseigentümerverband so laut beklagt. Noch ist er jenes ideale Umverteilungsinstrument zwischen Besitzenden und Mietenden, wie von links propagiert.

In den meisten Kantonen liegt der Eigenmietwert deutlich unter dem Marktwert. Der böse Steuervogt lässt also Milde walten, zumal ja Unterhaltskosten und Hypothekarzinsen abgezogen werden können. Wären die Zinsen wie in der Vergangenheit höher, würde kaum jemand über den Eigenmietwert diskutieren wollen.
In der aktuellen Tiefzinsphase aber, die wohl kaum schnell beendet sein wird, spült das System eine schöne Stange Geld in die öffentlichen Kassen. Und viele Eigentümer zahlen unter dem Strich mehr Steuern, weil die Abzüge zu gering sind. Kein Wunder wehren sich klamme Kantone vehement gegen eine Abschaffung und drohen mit Steuererhöhungen, sollte sich das Stimmvolk unbotmässig verhalten. Die Linke wiederum findet die Situation richtig, dass Besitzende stärker zur Kasse gebeten werden. Die Kombination - linke Neidrhetorik plus kantonale Sparszenarien - dürfte dem Eigenmietwert daher wohl das Leben retten.
Dabei ist diese Reform erstmals in der langen Geschichte der Eigenmietwertdebatten ausgewogen und steuersystematisch korrekt. Der Eigenmietwert wird abgeschafft und gleichzeitig entfallen die meisten Abzüge für Schuldzinsen und Unterhalt. Die Eigentümer bekommen eben gerade nicht den Fünfer und das Weggli, wie es ihre Lobby immer gewünscht hat. Nur jene, die erstmals ein Haus oder eine Wohnung erwerben, können zehn Jahre lang Abzüge geltend machen.
Die Auswirkungen einer Abschaffung des Eigenmietwerts auf den Immobilienmarkt dürften zudem, entgegen den Befürchtungen, die gestreut werden, überschaubar sein. Die Preise steigen in der Schweiz so oder so weiter an. Grund dafür sind primär die zu geringe Bautätigkeit, das Bevölkerungswachstum und die vielen Einsprachen. Unabhängig vom Steuersystem kann sich ohnehin nur eine Minderheit eigene vier Wände leisten.
Die Tourismuskantone Wallis, Graubünden und Tessin schliesslich werden erfinderisch genug sein, die hohen Steuerausfälle, die für sie durch eine Abschaffung des Eigenmietwerts resultieren, durch eine Abgabe auf selbst genutzte Zweitliegenschaften zu reduzieren.
Contra: Ein unnötiges Geschenk
Fällt der Eigenmietwert, profitieren vor allem Personen, die schon heute gut gestellt sind. Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber im Moment nicht angebracht. Die Abschaffung führt zu Mindereinnahmen in der Höhe von 1,8 Milliarden Franken. Das bleibt vielfach in Portemonnaies, wo eh schon viel Geld drin ist. Und es fehlt in Töpfen, in denen es sonst schon fehlt. Die Finanzlage bei Bund und in mehreren Kantonen ist angespannt.

Selbst bei einem sehr hohen Eigenmietwert ist die zusätzliche steuerliche Belastung in der deutlich Regel geringer, als die jährliche Miete in einer vergleichbaren Wohnung kosten würde. Das Ungleichgewicht zwischen Mieterinnen und Eigentümern würde nur noch grösser – und das in einer Zeit, in der der überhitzte Wohnungsmarkt eine der Hauptsorgen der Bevölkerung ist.
Natürlich: Es gibt jene Rentner, die wegen des Eigenmietwerts in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Denen soll gezielt geholfen werden. Härtefälle sollen vermieden werden – aber ohne zusätzliche Geschenke für jene, die es gar nicht nötig haben. Mehrere Kantone kennen dafür schon geeignete Systeme.
Sowieso: So schlecht wie das System Eigenmietwert von seinen Gegnern gemacht wird, ist es nicht. Zahlreiche Ökonomen und auch das Bundesgericht taxieren es als Naturaleinkommen – also nicht als fiktive Steuer, wie immer behauptet. Das ändert freilich nichts daran, dass man sich daran stören kann: Nur all diesen Fachleuten komplette Ahnungslosigkeit vorzuwerfen, wie das im Abstimmungskampf teilweise gemacht wird, zeugt mehr von ideologischer Getriebenheit. Vielfach liegt der berechnete Eigenmietwert zudem deutlich unter den Marktpreisen.
Auch der Eigenmietwert hat Fehler. Er führt zu falschen Anreizen bei der Verschuldung. Das würde zwar beim Systemwechsel reduziert, gleichzeitig schafft es aber andere Fehlanreize: Durch die wegfallenden Abzugsmöglichkeiten steigt die Gefahr von Schwarzarbeit, und energetische Sanierungen dürften sich in vielen Kantonen verteuern.
Die Objektsteuer auf Zweitwohnungen, die parallel zur Abschaffung eingeführt wird, droht ein Papiertiger zu bleiben. Zu kompliziert in der Ausgestaltung, zu unsicher bei der Einführung. Gerade in strukturschwachen Kantonen dürften bei der Streichung des Eigenmietwerts höhere Steuern blühen. Am Ende bezahlen dort alle für wenige.
Das sollten wir uns sparen.