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Beschwerde

Wegen Swisscom: JSVP-Präsident Niels Fiechter fordert neue Abstimmung zur E-ID

Äusserst knapp hat das Volk die Vorlage zum elektronischen Identitätsnachweis angenommen. Doch es kommt zu einem juristischen Nachspiel. 
Mehr als nur ein Achtungserfolg: JSVP-Präsident Niels Fiechter (mit Krawatte) und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter am Abstimmungsonntag.
Bild: Peter Schneider/Keystone

Die Schweiz hat die Vorlage zum elektronischen Identitätsnachweis (E-ID) mit 50,4 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Wer will, kann damit vom Staat gratis einen Identitätsausweis für das Internet beantragen. Die E-ID bringt diverse Erleichterungen im Alltag, etwa im Umgang mit Behörden.

Dass die Vorlage zu einer derartigen Zitterpartie werden würde, war nicht absehbar – in Umfragen lagen die Befürworter klar vorne. Am Schluss haben etwas über 20’000 Stimmen den Unterschied gemacht. Entscheidend war die Zustimmung in den Städten.

Die Gegner der E-ID konnten überraschend stark mobilisieren, auch ohne eine breite politische Allianz im Rücken. Getragen wurde der Widerstand von verschiedenen Gruppierungen. Dazu zählen die Freunde der Verfassung, Digitale Integrität, die EDU, die Junge SVP und Mass-Voll.

JSVP-Präsident Niels Fiechter, Mitglied des Nein-Komitees, sieht im Resultat vor allem ein Signal gegen die politische Elite, wie er auf Anfrage sagt: «Es gibt eine Diskrepanz zwischen Politik und Volk. Im Ständerat war praktisch niemand dagegen, im Nationalrat nur wenige, und doch steht das Land 50:50.» Dass die E-ID angenommen wurde, erklärt Fiechter mit zwei «groben Verfehlungen»: von Umfrageinstituten und der Swisscom.

«Manipulierende Umfragen»

Fiechter findet deutliche Worte: «Die Umfragen im Vorfeld lagen falsch und sie manipulieren die Stimmbürger. Viele wollen zu den Gewinnern gehören und stimmen entsprechend.» Er fordert deshalb ein Verbot von Umfragen «mehrere Monate» vor Abstimmungen.

Oliver Strijbis ist Politologe an der Franklin University in Lugano. Den Grund für den Unterschied zwischen den Umfragewerten und dem Abstimmungsergebnis sieht er darin, dass staatskritische Milieus, die während der Corona-Zeit wuchsen, in Umfragen systematisch unterrepräsentiert seien: «Das ist ein Lager, das ungern an Umfragen teilnimmt. Es ist staats- und elitekritisch, und das wurde unterschätzt.» Ein Umfrageverbot hält Strijbis aber für völlig falsch: «Das wäre ein massiver Eingriff in die demokratische Transparenz und Pressefreiheit.»

Der Swisscom-Fauxpas

Eine weitere «Schuld» am Ja zur E-ID gibt JSVP-Fiechter der Swisscom. Konkret kritisiert er deren 30’000-Franken-Spende an das Ja-Komitee sowie die Logo-Präsenz auf Flyern, die für die E-ID warben. «Die Swisscom ist halbstaatlich. So ein Konzern beeinflusst Tausende. Bei diesem knappen Resultat braucht es eine Wiederholung der Abstimmung.»

Das Nein-Komitee hat deshalb bereits eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht. Letztlich dürfte das Bundesgericht darüber entscheiden. Dieses geht bei der Aufhebung von Volksentscheiden jedoch äusserst zurückhaltend vor: Erst einmal seit 1848 hat das höchste Gericht des Landes das Resultat einer eidgenössischen Abstimmung aufgehoben. Es handelte sich damals um die CVP-Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe. Ihre Ablehnung an der Urne erklärte das Bundesgericht 2019 für ungültig, weil der Bundesrat vorgängig falsch informiert hatte: Er sprach von 80’000 statt richtigerweise 454'000 Betroffenen.

Entscheidend für die Aufhebung war damals, dass das hauchdünne Nein an der Urne zu keiner neuen Gesetzesnorm geführt hatte – die Rechtssicherheit war also gewährleistet. Gegen dieses Gut wägt das Bundesgericht jeweils die Schwere der vorgeworfenen Mängel ab. Es klärt also nebst den Folgen der Aufhebung eines Abstimmungsresultats ab, ob die festgestellten Unregelmässigkeiten tatsächlich einen Einfluss auf das Ergebnis hatten.

Politologe Strijbis bezeichnet die Abstimmungsbeschwerde gegen die E-ID als übertrieben: «30’000 Franken entscheiden keine nationale Abstimmung – auch keine knappe.» Politisch unsensibel sei es aber trotzdem gewesen: «Swisscom hätte sich neutraler verhalten sollen.»

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