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Altermatt

«Dies war nicht die letzte Kampfwahl»

Der Verlust eines Sitzes im Bundesrat wäre gut für die FDP gewesen, sagt der Historiker Bundesratskenner Urs Altermatt. Denn die Partei müsse sich erneuern.

Karen Schärer

Mit Didier Burkhalter hat das Parlament einen echten Romand gewählt. Ist diese Wahl wichtig für den Zusammenhalt der Schweiz?
Urs Altermatt: Die Sprachenfrage hat bei dieser Wahl eine grössere Rolle gespielt, als man nach dem öffentlichen Diskurs annehmen konnte. Urs Schwaller hat wegen dieser Frage bei Romands sicher Stimmen verloren. Das Tessin geht leer aus.

Hat sie recht?
Altermatt: Nein, überhaupt nicht. Es gab heute zwar kein Erdbeben. Doch die alte Zauberformel ist tot - sie ist von SVP und FDP 2003 mit der Abwahl von Frau Metzler begraben worden. Wir sind jetzt in einem Stadium der Suche nach einer neuen Zauberformel.

Wie wird sie aussehen?
Altermatt: Das weiss ich nicht. Dies war vermutlich nicht die letzte Kampfwahl FDP-CVP. Wir hatten nun eine Kampfwahl in der Mitte - jetzt weitet sich die Instabilität aus: Wo holen die Grünen ihren Sitz? Wo holt die SVP ihren zweiten Sitz? Es besteht die Gefahr, dass Bundesratswahlen noch mehr zu Kampf- und Zufallswahlen werden. Aber das wäre auch der Fall gewesen, wenn Urs Schwaller gewählt worden wäre.

Der zweite FDP-Sitz ist gerettet. Ist damit der Niedergang des Freisinns aufgehalten oder nur vertagt?
Altermatt: Vertagt. Der Freisinn muss sich erneuern. Möglicherweise wäre - wie bei der CVP - der Verlust eines Sitzes eine gute Kur gewesen für eine Erneuerung.

Didier Burkhalter steht nicht gern im Rampenlicht. Damit ist er kaum einer, der seiner Partei neuen Glanz verleihen kann.
Altermatt: Auch Pascal Couchepin hatte immer schlechte Sympathiewerte in der Bevölkerung. Ich halte nicht viel von solchen Umfragen. Die Wahl von Didier Burkhalter könnte aber beispielsweise dazu führen, dass bei der anstehenden Ständeratswahl im Kanton Solothurn eine bürgerliche Zusammenarbeit zugunsten der CVP spielt. Denn sonst gibt es Frustrationen.

Die Wahl verlief diesmal sehr diszipliniert. Wo liegen die Gründe?
Altermatt: Es standen genug Kandidaten zur Auswahl. Und die Linke hatte von Anfang an nicht wirklich den Willen, der CVP auf Kosten der FDP einen Sitz zu geben. Zudem hat der Pakt FDP-SVP gespielt: Die SVP hat gezeigt, dass sie zu einem taktischen Spiel bereit ist - was sie bei anderen immer als Päcklipolitik anprangert. Anstatt einen eigenen Kandidaten zu bringen, wählte die SVP heute Burkhalter, obwohl er in der für die SVP zentralen Europafrage eine offenere Haltung vertritt. Das Päckli hat gespielt. Die SVP ist also eine ganz normale Partei.

Mit Maurer, Blocher und Leuthard hat das Parlament schillernde Figuren in den Bundesrat gewählt. Kehrt das Parlament mit der gestrigen Wahl zur Tradition zurück, farbloses Mittelmass zu wählen?
Altermatt: Das liegt in der Tradition der Bundesratswahlen: Man will zuverlässige, bewährte Exekutivpolitiker und Teamplayer - keine spektakulären Showmen. Sowohl Burkhalter als auch Schwaller entsprechen diesem Profil. Die Wahl von Didier Burkhalter anstelle von Urs Schwaller wird deshalb vermutlich im Bundesrat selbst nicht viel verändern.