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Abstimmung

Die SP will die Versicherten von steigenden Prämien entlasten: Wem nützt das? Und was kostet es?

Am 9. Juni entscheidet die Bevölkerung, ob die Krankenkassenprämien auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens limitiert werden sollen. Die SP-Initiative ist Bundesrat und Parlament zu teuer. Sie empfehlen, die Initiative abzulehnen zugunsten eines indirekten Gegenvorschlags. 
Hohe Prämien belasten insbesondere den Mittelstand. Die Prämien-Entlastungs-Initiative will das ändern. 
Bild: Bild: Christian Beutler

1. Warum stimmen wir über die Prämienentlastungsinitiative ab?

Im Februar 2020 ist die Initiative der SP zustande gekommen. Die Ausgangslage, damals wie heute: Die Krankenkassenprämien steigen massiv. Seit 1997 haben sie sich mehr als verdoppelt. Die Kantone haben in den vergangenen zehn Jahren indes die Prämienverbilligungen teils massiv gekürzt.

2. Was will die Initiative ändern?

Die Initiative fordert, dass die Prämien höchstens 10 Prozent des verfügbaren Einkommens der Versicherten betragen dürfen. Das hätte zur Folge, dass die Prämienlast gemessen am Einkommen gedeckelt würde.

3. Was ändert sich im Vergleich zu heute?

Das heutige System ist unübersichtlich. Jeder Kanton regelt selbst, wer eine Prämienverbilligung erhält und wie grosszügig diese ausfällt. Somit fällt die Belastung der Einzelnen durch die Krankenkassenprämien je nach Kanton sehr unterschiedlich aus. Mit einer Annahme der Initiative würde die Vergabe von Prämienverbilligungen schweizweit vereinheitlicht werden.

4. Wie soll die Initiative finanziert werden?

Über den Bund und die Kantone. Mindestens zwei Drittel der Prämienverbilligungen müssten vom Bund finanziert werden, rund einen Drittel sollen die Kantone übernehmen. Klar ist: Die Initiative würde teuer . Bis 2030 geht der Bund davon aus, dass durch die Annahme der Initiative jährliche Zusatzkosten von 8,2 bis 10 Milliarden anfallen würden. Finanziert werden müssten diese gemäss Bund über Steuererhöhungen. Die SP fordert eine Umlagerung der Kosten von Prämien- auf Steuerzahler. Die Bürgerlichen hingegen sehen die Initiative als Anmassung gegenüber dem Bundesbudget.

5. Trägt die Initiative dazu bei, die Gesundheitskosten zu senken?

Nein. Die Initiative bietet keinen Anreiz, die Gesundheitskosten zu senken. Die Befürworter der Initiative hoffen, dass sich Bund und Kantone unter dem verstärkten Kostendruck dazu bewegen, Massnahmen gegen die steigenden Gesundheitskosten auszuarbeiten. Für die Versicherten gibt es im Unterschied dazu keine Anreize, günstige Versicherungsformen zu wählen.

6. Wer profitiert von der Initiative?

Sowohl Personen mit tiefen Löhnen und tiefen Pensen als auch solchen mit mittleren Einkommen käme eine Deckelung der Krankenkassenprämien auf zehn Prozent des verfügbaren Einkommens zugute – insbesondere in jenen Kantonen, welche die Prämien nicht oder nur sehr beschränkt verbilligen.

Wer von der Initiative in welchem Ausmass profitiert, ist von drei Faktoren abhängig: wie hoch die Prämien im Kanton sind, was das verfügbare Einkommen einer Person ist und nach welchen Auflagen ein Kanton Prämienverbilligungen bewilligt. Unklar lässt die Initiative, wie das verfügbare Einkommen definiert wird. Diese Definition ist entscheidend. Denn sie legt die Basis, um zu berechnen, ab wann man eine Prämienverbilligung beantragen kann. Eine weitere offene Frage ist, welche Prämien für die Berechnung massgebend wären im Hinblick auf Altersklassen, Franchisen und Modelle.

7. In welchen Kantonen nützt die Initiative den Menschen am meisten?

Personen in Kantonen wie Tessin mit sehr hohen Prämien, tiefen verfügbaren Einkommen oder Baselland mit ebenfalls hohen Prämien und geringen Prämienverbilligungen würden stark von der Initiative profitieren. In Kantonen wie Zug oder Schwyz hingegen – mit durchschnittlich tiefen Prämien, hohen verfügbaren Einkommen und grosszügigen Prämienverbilligungen – hätte die Initiative kaum Auswirkungen. Für den Kanton Waadt wäre die Begrenzung der Prämien auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens kein Novum. Er hat eine solche Regel auf Kantonsebene bereits umgesetzt und würde nun von den Bundesgeldern profitieren.

8. Warum lehnen Bund und Parlament die Initiative ab?

Die Umsetzung kostet mehrere Milliarden und würde eine Steuererhöhung nach sich ziehen. Zudem müsste der Bund auch für Kosten aufkommen, welche die Kantone massgeblich beeinflussen können, beispielsweise über die Spitalplanung oder die Ärztezulassung. Ausserdem kritisiert der Bundesrat, dass die Initiative sich auf die Finanzierung der Prämien beschränkt und keine Anreize setzt, die Gesundheitskosten zu senken. Bundesrat und Parlament anerkennen das Problem der Prämienlast und haben einen indirekten Gegenvorschlag formuliert.

9. Was verlangt der Gegenvorschlag?

Der Gegenvorschlag würde die Kantone verpflichten, einen Mindestbeitrag für die Prämienverbilligung einzusetzen. Dieser soll 3,5 bis 7,5 Prozent der Krankenkassenprämien entsprechen. Für die Kantone bedeutet dies, dass sie ihre Beiträge an die Prämienverbilligung in Zukunft automatisch erhöhen müssen, wenn die Kosten der obligatorischen Krankenkassenprämien steigen. Der Bund macht dies bereits heute. Wie die Prämienverbilligungen ausgestaltet werden, bestimmen weiterhin die Kantone. Für die Kantone bedeutete der Gegenvorschlag für das Jahr 2030 Mehrkosten zwischen 0,8 und 1 Milliarden Franken.