2003 hatte sich Angela Merkel als Oberreformerin in Szene gesetzt, sie wollte Steuern senken und das Steuersystem radikal vereinfachen. Auch in der Gesundheitspolitik wollte sie einschneidende Reformen. In der Grossen Koalition konnte Merkel diese hoch gesteckten Ziele nicht umsetzen. Zusammen mit der FDP kann sie jetzt ihre bürgerlichen Vorstellungen stärker zum Tragen bringen - wenn sie denn will.
«Konservativ war sie nie, wirtschaftsliberal nur eingeschränkt, der Vernunft halber», schreiben Eckart Lohse und Markus Wehner über Kanzlerin Merkel in ihrem Buch «Rosenkrieg» über die Grosse Koalition.
Die MZ hat für sechs Bereiche die Reformprojekte von Schwarz-Gelb zusammengestellt. Die Opposition hat gestern bereits ihren Widerstand angekündigt, beispielsweise gegen eine Renaissance der Atomkraft. «Da werden wir hart dagegenhalten», sagte SPD-Chef Frank-Walter Steinmeier.
Tiefere Steuern
Schwarz-Gelb stellt Steuersenkungen in Aussicht. Die CSU möchte die Senkungen 2011 und 2012 realisieren. Die FDP will die Steuern aber deutlich stärker senken als die Union und ruft nach einer radikalen Vereinfachung des Steuersystems. Offen ist, wie die schwarz-gelben Steuerpläne angesichts der rapide wachsenden Staatsverschuldung realisiert werden können.
Atomkraft nutzen
Schwarz-Gelb will den von der Regierung Schröder beschlossenen Atomausstieg rückgängig machen. Vom Bau neuer AKW spricht zwar niemand, doch wollen Union und FDP die Laufzeiten für neuere Atommeiler verlängern. Vorangehen soll es bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Das Endlager in Gorleben soll weiter auf seine Tauglichkeit hin untersucht werden
Privatisierungen
Schwarz-Gelb ist gegen Staatskredite und Konjunkturspritzen und wird die Wirtschaft wieder verstärkt dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Die FDP fordert den zügigen Rückzug des Staats aus den angeschlagenen Banken, Finanzmarktregulierungen gegenüber hat sie Reserven. Schwarz-Gelb dürfte die Privatisierung der Deutschen Bahn vorantreiben.
Kein Mindestlohn
Die von den linken Parteien mit Nachdruck geforderte Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns - die Rede ist von 7.50 oder 10 Euro pro Stunde - hat unter einer schwarz-gelben Regierung keine Chance. Union wie FDP lehnen diese Forderung ab und wollen die Löhne weiterhin allein durch die Sozialpartner ausgehandelt sehen.
Steuerflucht
SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hat den Kampf gegen Steuerflüchtlinge mit Kavallerie- und Peitschen-Rhetorik forsch vorangetrieben. Für Schwarz-Gelb hat die Eindämmung der Steuerflucht nicht dieselbe Priorität wie für die linken Parteien. Die laufenden Verhandlungen um ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz dürften jetzt entspannter ablaufen.
Bürgerrechte
Online-Durchsuchungen privater Computer, Vorratsdatenspeicherung und automatische Autokennzeichen-Erfassung sind der FDP ein Dorn im Auge. Offen ist, wieweit sie der Union in Fragen Bürgerrechte Zugeständnisse abringen kann. Dies gilt auch bei den Bundeswehreinsätzen im Innern, welche die Union befürwortet, die FDP dagegen entschieden ablehnt.