GLP hat an ihrer gestrigen Fraktionssitzung die Stossrichtung der Altersvorsorge 2020 nach einer intensiven Diskussion «weitgehend» gutgeheissen. Dies zeigen Recherchen der «Nordwestschweiz». Nur in einem Punkt weicht die Mitte-Partei von Bersets Vorlage ab. So soll der Umwandlungssatz in der zweiten Säule entpolitisiert und künftig mit einer technischen Formel berechnet werden.
Alle anderen Vorschläge von Alain Berset stossen bei der GLP auf Zustimmung. «Das ist eine ausgewogene, intelligente Vorlage», sagt der Zürcher Nationalrat Thomas Weibel auf Anfrage. Für die langfristige Sicherung der Schweizer Altersvorsorge brauche es einen cleveren Mix zwischen Mehreinnahmen und Sparmassnahmen. Dieses Ziel werde mit Bersets Reform erreicht. Es sei richtig, eine Gesamtsicht zur Altersvorsorge zu präsentieren. «Eine Aufschnürung des Pakets kommt für uns nicht infrage», sagt Sozialpolitiker Weibel.
Zuerst in den Ständerat
Mit diesem Positionsbezug steigen die Chancen für Alain Berset, die Grossreform im Kern unbeschadet durchs Parlament zu bringen. Nebst der GLP, die derzeit 14 Sitze im Parlament hat, spricht sich auch die CVP (44 Sitze) mehrheitlich für das Paket aus. «Alles andere, insbesondere eine reine Abbauvorlage, ist nicht mehrheitsfähig», sagt der Bündner Nationalrat Martin Candinas.
Das Reformpaket kommt zuerst in den Ständerat. Dessen Sozialkommission beginnt Mitte Januar mit den Hearings. Frühestens im Frühling, wohl aber erst im Sommer, findet die Diskussion im Plenum statt. In der kleinen Kammer zeichnet sich laut der Aargauer FDP-Ständerätin Christine Egerszegi eine Mehrheit für Alain Berset ab. «Die pragmatischen Kräfte werden sich durchsetzen», sagt sie. Die bürgerlichen Parteien könnten es sich gerade im Wahljahr 2014 nicht leisten, eine so wichtige Reform abstürzen zu lassen.
Im Nationalrat, der als Zweitrat wohl erst nach den Wahlen am Zug ist, wird die Sache enger. Die SVP lehnt die Vorlage ab. Und auch die FDP ist bisher äusserst skeptisch. Für Mitte-Rechts kommt insbesondere die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht infrage. Gewerbe- und Arbeitgeberverband fordern zudem mit Nachdruck eine Aufteilung der Vorlage in kleine Pakete. Die Rechte will in einem ersten Schritt vor allem die Sparmassnahmen, wie etwa die Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 oder die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent, durchboxen. Widerstand gibt es auch von links. Für Gewerkschaften und SP-Frauen kommt die Erhöhung des Frauenrentenalters nur infrage, wenn gleichzeitig die Lohngleichheit garantiert wird. Auch die Senkung des Umwandlungssatzes wird bekämpft.
Beobachter gehen indes davon aus, dass sich in der SP letztlich die pragmatischen Kräfte durchsetzen werden. Für die Partei geht es auch darum, den eigenen Bundesrat zu stützen. Die Zürcher Sozialpolitikerin Jacqueline Fehr etwa sagt: «Alain Bersets Vorlage ist grundsätzlich gut und politisch austariert.» Man merke, dass kompetente Leute wie etwa Jürg Brechbühl, der Chef des Bundesamtes für Sozialversicherungen, oder dessen Vizedirektorin Colette Nova, am Werk gewesen seien. Fehr glaubt, dass ihre Partei einer «Allianz der Vernunft» zur Sicherung der AHV angehören werde – sofern die bürgerliche Mehrheit Bersets Paket nicht
in entscheidenden Punkten verschlechtere.
Der grosse Wurf
Klar ist: Die Zeit drängt. Weil die Menschen immer älter werden und in den nächsten Jahren die Babyboomer ins Pensionsalter kommen, explodieren die Kosten für die Altersvorsorge. Macht die Politik nichts, droht bis 2030 alleine bei der AHV ein Defizit von 8,3 Milliarden Franken.
Alain Berset hat deshalb ein umfassendes Reformpaket vorgelegt. Kernelemente sind das gleiche Rentenalter (65) für Männer und Frauen, die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge an die Entwicklung der Lebenserwartung und der Kapitalrenditen, das heisst eine Senkung von 6,8 auf 6 Prozent. Das Rentenniveau soll gleichzeitig gehalten werden, indem der Koordinationsabzug abgeschafft wird und die Altersgutschriften angepasst werden. Zur Finanzierung der AHV soll die Mehrwertsteuer um maximal 1,5 Prozentpunkte erhöht werden. Eine Schuldenbremse soll zudem verhindern, dass bei Defiziten zu lange keine Massnahmen ergriffen werden.