
Sie gilt schon lange als Geheimwaffe im Wahlkampfarsenal der Republikaner: Am Dienstagabend (Ortszeit) konnten sich nun erstmals Millionen von amerikanischen Fernsehzuschauern ein eigenes Bild von Ann Romney machen, der Gattin des konservativen Präsidentschaftskandidaten. Ann Romney hielt am Parteitag der Republikaner in Florida (www.gopconvention2012.com) eine mit Spannung erwartete, 20 Minuten dauernde Rede, in der sie dem Land «die Liebe meines Lebens» vorstellte: Mitt Romney, der Mann, der trotz seines fünfjährigen Dauerwahlkampfs immer noch ein Rätsel ist. Die Kernbotschaft der 63-jährigen Ann Romney, die seit mehr als 40 Jahren mit dem Obama-Herausforderer verheiratet ist: «Sie können Mitt vertrauen! Dieser Mann wird nicht scheitern. Dieser Mann wird uns nicht enttäuschen.» Denn er habe noch jedes Problem gelöst, mit dem er sich konfrontiert sah.
Um diese Ansage zu untermauern, schlug Ann Romney einen grossen Bogen ins Jahr 1965, dem Jahr, in dem sich Ann und Mitt ineinander verliebten. Er, der Sohn des Gouverneurs von Michigan, führte sie, die Tochter eines Geschäftsmanns, zu einer Schulparty aus. Und dann habe er förmlich nicht mehr losgelassen, erzählte sie vor Tausenden von Delegierten und Schaulustigen.
Junges Glück und Schicksalschläge
Obwohl die Eltern mit Hinweis auf das junge Alter des Paars vor vorschnellen Schritten abgeraten hatten, heirateten die beiden – und gründeten, mit dem Vermögen ihrer Eltern im Rücken, eine eigene Familie. Fünf Söhne und 18 Grosskinder später, sagte Ann Romney, werde ihre Beziehung häufig als «Ehe aus dem Bilderbuch» beschrieben. Ihrer Meinung nach treffe dies nicht zu, denn in Bilderbüchern werde nie über Krankheiten wie Brustkrebs und Multiple Sklerose (MS) gesprochen – zwei Schicksalsschläge, gegen die Ann Romney in den vergangenen Jahren erfolgreich angekämpft hat, auch weil die Familie über ausreichend finanzielle Ressourcen verfügt.
«Eine Bilderbuch-Ehe? Nein, überhaupt nicht. Was Mitt und ich haben ist eine echte Ehe», sagte sie. Warmer Applaus prasselte auf die Rednerin nieder und Ann Romney lachte ihr natürliches Lachen, mit dem sie auch über ihre anfängliche Nervosität hinwegtäuschte.
Weniger gut gelang es der potenziellen First Lady allerdings, den Zuschauerinnen und Zuschauern vor
den Fernsehgeräten Einblick in die verborgenen Seiten ihres Gatten zu geben. Zwar versprach Ann Romney zu Beginn ihrer Rede, dass sie ihr «Herz sprechen lassen» werde, um Amerika von den Qualitäten des Geschäftsmanns und Ex-Gouverneurs von Massachusetts zu überzeugen: Ein Mann, der «mich immer noch zum Lachen bringt» und den sie auch nach vier Jahrzehnten noch liebe.
Keine Anekdoten und Emotionen
Doch die «Mitt-Versteherin», wie sie scherzhaft auch schon genannt wurde, scheiterte bei diesem Unterfangen. Denn sie wartete nicht mit launigen Anekdoten auf, um den Vorbehalt zu widerlegen, Mitt Romney sei ein hölzerner Polit-Roboter und Wendehals. Mit keinem Wort erwähnte Ann Romney beispielsweise die herzergreifende Geschichte aus dem Jahr 1998, als sie im Massachusetts General Hospital erstmals von ihrer MS-Erkrankung erfuhr. Und wie ihr Mitt damals versichert habe, dass ihr Leben weitergehen werde. Auch schwieg sie sich über die Fehlgeburt aus, die sie in den frühen 1990er-Jahren erlitt, und über die sie kürzlich auf dem Fernsehsender CBS gesprochen hatte.
Stattdessen versuchte sie skeptische Wählerinnen davon zu überzeugen, dass sie trotz der Millionen, die ihr Gatte verdient hatte, eine ganz normale Hausfrau geblieben sei. Eine Hausfrau, die sich nachts im Bett wälze, weil sie sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder und deren Kinder mache. «Die vergangenen Jahre», sagte Ann Romney an die Adresse der Mütter Amerikas, «waren schwierig. Schwieriger, als sie es hätten sein sollen.»
Und dann folgte die wohl beste Rede-Passage des ganzen Abends, in der sich Ann Romney direkt an die Wählerinnen Amerikas richtete: «Wir sind schlau genug, um zu wissen, dass es keine einfachen Antworten» auf die Probleme der USA gibt. Aber wir sind nicht dumm genug, um zu akzeptieren, dass es keine besseren Antworten gibt.» Für diesen Seitenhieb gegen Präsident Barack Obama erntete Ann Romney tosenden Jubel. Und noch lauter wurde der Applaus, als am Ende ihres Auftritts Gatte Mitt auf die Parteitags-Bühne trat, sie küsste und ihr zur Rede gratulierte. Dazu plärrte aus den Lautsprechern der alte Schlager «My Girl», der ein Gassenhauer war, als sich die beiden vor fast 50 Jahren kennenlernten. «Ich brauche kein Geld, Glück oder Ruhm», heisst es in dem Liebeslied, «denn ich habe alle Reichtümer, über die ein Mann verfügen kann.»