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Debakel

Die Mitte hat einen neuen Präsidenten – und Viola Amherd macht einen Bogen um den F-35

Philipp Bregy ist neuer Mitte-Präsident – und bereits ein historischer. Alt Bundesrätin Viola Amherd wurde an der Delegiertenversammlung der Partei offiziell verabschiedet – das Kampfjetdesaster grosszügig ausgeklammert. Zwischen den Zeilen verteidigte sich Amherd leise.
Fraktionschef Philipp Bregy ist neuer Mitte-Präsident. Er folgt auf Gerhard Pfister.
Bild: Anthony Anex/Keystone (Bern, 28. Juni 2025)

«Das könnte jeder Kiosk-Inhaber»: SVP-Nationalrat Alfred Heer teilte in der «Arena» von SRF heftig gegen Viola Amherd aus. Und er war nicht allein mit seiner Kritik. Die ehemalige Verteidigungsministerin ist seit zwei Monaten nicht mehr im Amt und trotzdem in aller Munde. Denn die Beschaffung des neuen Kampfjets F-35 wird wohl teurer als versprochen. Der Schweiz drohen Mehrkosten von bis zu 1,3 Milliarden Franken. Und dies, obschon Viola Amherd stets beteuerte, der Bund habe mit der US-Regierung einen Fixpreis abgemacht. Die Amerikaner sprechen von einem Missverständnis. Aufräumen muss nun Amherds Nachfolger, Mitte-Bundesrat Martin Pfister.

Just am Ende der Woche trafen sich die Delegierten der Mitte-Partei in Bern. Auf der Traktandenliste stand auch die offizielle Verabschiedung von Viola Amherd. Trotz der harten Kritik der letzten Tage reiste sie an. Journalistenfragen zum F-35 wollte sie aber nicht beantworten. Und im offiziellen Teil der Veranstaltung fiel kein Wort zum delikaten Dossier. Der scheidende Präsident Gerhard Pfister würdigte Amherd für den Armeeeinsatz in der Corona-Pandemie, die Stärkung der internationalen Kooperation im Sicherheitsbereich und für die Aufstockung des Armeebudgets. Das Ja der Stimmbevölkerung zum neuen Kampfjet liess Pfister hingegen aus, obwohl dieses Resultat unbestrittenermassen einer der grössten Erfolge in Amherds Amtszeit war.

Die beiden alt Bundesrätinnen Viola Amherd und Doris Leuthard.
Bild: Anthony Anex/Keystone (Bern, 28. Juni 2025)

«Nach bestem Wissen und Gewissen»

An einem Podium stand Amherd gemeinsam mit ihrem Nachfolger Martin Pfister Red und Antwort. Die Kampfjets waren natürlich auch da kein Thema. Dafür mahnte Amherd, es müsse endlich in den Köpfen ankommen, dass wir mehr in die Sicherheit investieren müssen. Ihrem Nachfolger Pfister wollte sie keine Tipps geben: «Er braucht keine Ratschläge von mir». Sie sehe, dass er sich gut ins Kollegium einbringe, die richtigen Akzente setze und die Dossiers mit Bestimmtheit an die Hand genommen habe. Und Amherd sagte auch: «Ich habe mich immer nach bestem Wissen und Gewissen eingesetzt.» Aber natürlich könne auch mal etwas schiefgehen. Die Aussage war zwar grundsätzlich gemeint, konnte aber auch als leise Verteidigung zum F-35-Fiasko gehört werden.

Im Zentrum der Delegiertenversammlung stand nicht nur das Erbe von Viola Amherd, s ondern auch jenes von Gerhard Pfister. Nach neun Jahren gab der Zuger Nationalrat den Stab an Philipp Bregy weiter. Alt Bundesrätin Doris Leuthard würdigte Pfister für seine strategische Weitsicht. Unter Pfister fusionierte die CVP mit der BDP und wurde zur Mitte-Partei, um auch neue Wählerschichten anzusprechen. Von der Milieu- zur Ideenpartei wie Leuthard sagte. Pfister habe diesen Wandel als selbstbewusste Weiterentwicklung vorangetrieben – und nicht als Bruch mit der Vergangenheit.

Was bleibt? Pfister selbst gab die Antwort: «Was bleibt, ist eine Partei, die gelernt hat, sich selbst ernst zu nehmen – und gleichzeitig offen zu bleiben für die Gesellschaft, die sich verändert.»

Die Mitte wird zur Referendumspartei

Philipp Bregy wurde einstimmig als neuer Präsident gewählt. Der Walliser versprach, den Kurs weiterzuführen. «Wir wollen wachsen!», sagte er. Seine Rede blieb sehr wolkig. Viel war die Rede von Zusammenhalt, Verantwortung, Stabilität, Lösungen und Gemeinsinn. Die Mitte als Gegenkonzept zur Polarisierung; unspektakulär, aber mit Substanz.

Immerhin, am Humor fehlt es Bregy nicht. Und an Selbstbewusstsein auch nicht. Er stellte fest, dass auch er bereits ein historischer Präsident sei. Denn die Delegierten der Mitte entschieden zum ersten Mal überhaupt, ein Referendum zu ergreifen. Nämlich gegen die Einführung der Individualbesteuerung. Das Parlament hat im Juni beschlossen, dass Ehepaare künftig zwei Steuererklärungen ausfüllen müssen. So soll die steuerliche Heiratsstrafe abgeschafft werden. Die Mitte spricht von einem Bürokratiemonster, das neue Ungerechtigkeiten schaffe.

Und so wird die Mitte unter Bregy zur Referendumspartei. Ganz so, wie es die Polparteien schon lange sind.