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Kommentar

Die Kanzlerkandidatin und ihre Steuern: Alice Weidel wirkt dünnhäutig

Die deutsche Spitzenpolitikerin redete ihr Leben in der Schweiz klein. Eine Einschätzung.
Die Schweiz im Rücken: Alice Weidel posiert am Bodensee in Überlingen.
Bild: Karin Hofer / NZZ

Die Stärke von Alice Weidel ist, dass sie Klartext spricht und sich mutig in Debatten stürzt. Sie profiliert sich mit rhetorischem Krawall und lässt harmoniesüchtige Politiker blass erscheinen.

Bisher inszenierte sie auch den Widerspruch ihres Lebens gekonnt. Sie vertritt konservative und nationalistische Werte. Selber aber lebt sie modern und international. So teilt sie ihr Bett in Einsiedeln mit einer Frau und lässt sich mit dieser zu Kylie Minogue tanzend im Auto filmen. Die AfD-Fans schien das nicht gross zu stören. Für manche Unentschlossene wirkte ihr Lebensmodell aber attraktiv.

Als nun allerdings in der Endphase des deutschen Wahlkampfs ihre Steuern zum Thema wurden, reagierte sie unsouverän. Vor dem deutschen Fernsehpublikum behauptete sie, dass sie nur in Deutschland Steuern zahle, keine in der Schweiz, und selbst ihre Kinder würden dort wohnen. Doch das stimmt nicht. Als Wohnungsbesitzerin in der Schweiz muss sie auch hier Steuern zahlen. Und ihre Kinder gehen hier zur Schule.

Weidel wirkt dünnhäutig, wenn sie Fragen dazu abblockt und Ausreden sucht. Damit untergräbt sie ihre Glaubwürdigkeit. Eine Recherche dieser Redaktion sorgte deshalb sogar in der «Bild»-Zeitung für eine Schlagzeile.

Weidel hätte auf RTL so offen kommunizieren sollen wie auf einer Bühne in Zürich, wo sie ihrer Frau im Publikum zurief: «Sarah, ich liebe dich!» Sie hätte dazu stehen sollen, dass sie ihr Familienleben in der Schweiz führt und hier auch ein bisschen Steuern zahlt. Mit einem Liebesbekenntnis hätte sie die Widersprüche zu ihrem Parteiprogramm weglächeln können.

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