Die Europäische Zentralbank senkt inmitten der Zollturbulenzen zum siebten Mal seit vergangenem Juni die Leitzinsen. Der für Banken und Sparer wichtige Einlagensatz wird um 0,25 Prozentpunkte auf 2,25 Prozent verringert, wie die Notenbank am Donnerstagnachmittag in Frankfurt mitteilte.
Niedrigere Zinsen machen Kredite tendenziell günstiger. Sie helfen der schwachen Konjunktur in der Eurozone, der mit der Zolloffensive von Donald Trump weitere Rückschläge drohen. Die Wachstumsaussichten hätten sich für die Wirtschaft im Euroraum «aufgrund der zunehmenden Handelsspannungen eingetrübt», heisst es bei der von Christine Lagarde geführten EZB. Die erhöhte Unsicherheit dürfte das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen mindern, hält die Notenbank weiter fest und verweist auch auf die jüngsten heftigen Börsenturbulenzen. Die Notenbank sprach von «aussergewöhnlich hoher Unsicherheit».
Die EZB verringert nicht nur den Einlagensatz, sondern auch den Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können: Statt 2,65 Prozent werden dafür nun 2,4 Prozent Zinsen fällig.
Sorgen um Trumps Zölle
Seit der Verkündung von Trumps globalem Zollpaket Anfang April sind die Sorgen um den Welthandel und die Wirtschaft in Europa stark gewachsen. Der Zollstreit könnte die Wirtschaft im Euroraum erheblich belasten, die nach EZB-Prognose 2025 ohnehin nur minimal um 0,9 Prozent wachsen dürfte.
Zwar hat Trump die pauschalen Zölle von 20 Prozent auf Importe aus der EU für 90 Tage ausgesetzt, ebenso wie jene von 31 Prozent gegenüber der Schweiz. Es bleiben aber der neue US-Basiszoll von 10 Prozent und 25 Prozent Zoll auf Autos, Stahl und Aluminium aus Europa. Trump will zudem neue Sonderzölle im Bereich der Halbleiterindustrie und auf Medizinprodukte ankündigen.
Schon jetzt verunsichert Trumps Zoll-Schlingerkurs Unternehmen weltweit. Nach Ansicht von Ifo-Präsident Clemens Fuest ist eine Weltwirtschaftskrise nicht auszuschliessen. EZB-Präsidentin Lagarde hatte jüngst vor deutlichen Einbussen beim Wirtschaftswachstum in der Eurozone gewarnt, sollte der Handelsstreit mit den USA eskalieren. «Jeder Handelskrieg wird der Weltwirtschaft schaden.»
Inflation schwächt sich ab
Zudem kommt die EZB beim Kampf gegen die Inflation voran. Die Teuerung im Euroraum sank im März auf eine Rate von 2,2 Prozent und liegt damit nahe am EZB-Ziel von mittelfristig 2,0 Prozent. So hat sich der Preisdruck bei Dienstleistungen abgeschwächt, der zuletzt als Inflationstreiber galt. Ihr Ziel stabiler Preise sieht die EZB in greifbarer Nähe.
Im Zollkonflikt hat zudem der Euro zum Dollar stark im Kurs aufgewertet, was Importe nach Europa verbilligt und die Inflation tendenziell dämpft. Auch mit dem gesunkenen Ölpreis schwindet der Inflationsdruck, während der Zollstreit die globale Nachfrage dämpfen dürfte. Sorgen um eine wieder anziehende Teuerung, etwa im Zuge von europäischen Gegenzöllen auf US-Produkte oder wegen des milliardenschweren Finanzpakets von SPD und Union, traten in den Hintergrund.
Es dürften weitere Zinsrunden folgen
Die Zinssenkung war von den meisten Marktbeobachtern erwartet worden. Und viele gehen davon aus, dass die EZB weitere Zinsschritte unternehmen wird. «Wir rechnen mit einer weiteren Zinssenkung im Juni und der Möglichkeit einer weiteren Lockerung im weiteren Verlauf des Jahres, je nachdem, wie die Handelsverhandlungen verlaufen», halten etwa die Ökonomen der UBS fest. (dpa/fv)