notifications
Grossbritannien

Die eiernde Lady: Premierministerin Liz Truss steckt in grossen Schwierigkeiten

Mit der Entlassung von Finanzminister Kwasi Kwarteng vollzieht Truss eine Kehrtwende in ihrer Steuerpolitik. An einer Pressekonferenz gibt sich die Premierministerin, die erst kürzlich ihr Amt antrat, zwar kämpferisch, aber ihr Rückhalt bei der konservativen Partei schwindet. Wird sie schon bald ersetzt?

Die britische Premierministerin Liz Truss bei der Pressekonferenz.
Bild: Daniel Leal / AP

Die britische Premierministerin Liz Truss knickt ein. Sie war schon in den letzten Wochen unter wachsenden Druck gekommen, ihre umstrittenen Steuersenkungspläne zurückzunehmen. Die internationalen Finanzmärkte hatten das Vereinigte Königreich für seine riskante Fiskalpolitik mit fallendem Pfundkurs und steigenden Kreditzinsen abgestraft, nachdem Schatzkanzler Kwasi Kwarteng die Steuersenkungen mit neuen Staatsschulden finanzieren wollte.

Auch der Druck innerhalb der konservativen Regierungsfraktion gegen den marktliberalen Wirtschaftskurs von Truss war immer stärker geworden. Daher musste die Premierministerin am Freitagnachmittag eine spektakuläre Kehrtwende hinlegen: Sie setzte überraschend eine Pressekonferenz an und erklärte, dass die Unternehmensteuern nun doch im nächsten Jahr auf 25 Prozent ansteigen werden und nicht, wie vor drei Wochen noch verkündet, bei 19 Prozent verbleiben.

Musste seinen Hut nehmen: Der geschasste britische Schatzkanzler Kwasi Kwarteng.
Bild: Kirsty Wigglesworth / AP

Zugleich gab sie ihrem Finanzminister Kwasi Kwarteng den Laufpass und ersetzte ihn mit Jeremy Hunt, den ehemaligen Gesundheits- und Aussenminister.

Absturz in der Wählergunst

«The Lady‘s not for turning», lautet eine der berühmtesten Sentenzen von Margaret Thatcher: Die Lady hält nichts von einer Kehrtwende. Der Spruch hatte der früheren Premierministerin Grossbritanniens einst den Beinamen der «Eisernen Lady» eingetragen.

Ihre Nachfolgerin im Amt Liz Truss, die sich nicht nur gerne wie ihr grosses Vorbild kleidet, sondern auch ihre Wirtschaftspolitik «thatcheristisch» ausrichtet, wird dagegen immer mehr zur eiernden Lady, weil sie eine Kehrtwende nach der anderen hinlegen muss.

Zuerst war es die Rücknahme der Streichung des Spitzensteuersatzes – die reichsten Briten zu entlasten während man den Ärmsten die Sozialhilfe kürzen will, war politisch nicht vermittelbar. Jetzt kommt der Umfaller bei den Unternehmenssteuern hinzu und die Entlassung von Kwarteng. Ihre Position innerhalb der Fraktion wird immer prekärer.

Wird der neue Finanzminister Jeremy Hunt der Premierministerin aus der Patsche helfen können?
Bild: Neil Hall / EPA

Truss wird vorgeworfen, dass sie hätte wissen müssen, welche Konsequenzen ihre Politik bei den Finanzmärkten auslösen würde. Denn ihr Rivale, der Ex-Finanzminister Rishi Sunak, hatte es Truss vorbuchstabiert während der Kampagne um den Parteivorsitz im Sommer: Steuersenkungen auf Pump würden inflationär wirken, die Kosten für die staatliche Schuldenaufnahme erhöhen und das Pfund schwächen. All das ist eingetroffen.

Die hausgemachte Finanzkrise hat nicht nur zu einem Vertrauensverlust bei den Märkten, sondern auch zu einem Absturz der Konservativen in der Wählergunst geführt. Mittlerweile liegt man zwischen 25 und 30 Prozentpunkten hinter Labour. Da ist es kein Wunder, dass innerhalb der Fraktion Pläne für ihren Fenstersturz geschmiedet werden.

«Verfallsdatum eines Kopfsalats»

Die «Times» meldete, dass Parteigranden zur Zeit einen «Einheitskandidaten» diskutieren würden, um Truss zu ersetzen. Rund 20 bis 30 ehemalige Minister und ranghohe Hinterbänkler wollen einen «Ältestenrat» bilden, der Truss zum Rücktritt bewegen solle. Als Nachfolger sind im Gespräch Rishi Sunak und Penny Mordaunt, die ehemalige Verteidigungsministerin. Eine «Regierung aller Talente» wolle dann die innerparteiliche Spaltung überwinden.

Die Premierministerin gab sich während ihrer Pressekonferenz kämpferisch und wollte von einem baldigen Rücktritt von ihrem Amt nichts wissen. Doch der «Economist» könne recht behalten. Das Wirtschafts- und Politmagazin hatte Truss vor kurzem das «Verfallsdatum eines Kopfsalats» attestiert.

Sie ist mittlerweile ganze 39 Tage im Amt der Premierministerin. Würde sie tatsächlich demnächst stürzen, hätte sie immerhin den Rekord aufgestellt, die kürzeste Verweildauer aller Amtsinhaber gehabt zu haben. Der vorherige Rekordhalter war George Canning mit 119 Tagen im Job. Aber der hatte immerhin die Entschuldigung, an einer Lungenentzündung verstorben zu sein.