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Krieg im Nahen Osten

Der Hamas-Freund im deutschen Kanzleramt: Olaf Scholz empfängt Recep Tayyip Erdogan in Berlin

Der türkische Präsident hat in Berlin den deutschen Kanzler getroffen. Dabei griff Erdogan die Israeli nochmals scharf an. Seinen Faschismus- und Genozid-Vorwurf an die Adresse des jüdischen Staates wiederholte er allerdings nicht.
Angespanntes Verhältnis: Recep Tayyip Erdogan (links) und Olaf Scholz am Freitagabend in Berlin. 
Bild: Bild: Filip Singer/EPA

Sollte man Recep Tayyip Erdogan in Berlin empfangen? Feindseliger gegenüber Israel und dem Westen äussern sich derzeit nur wenige Staatschefs: Die Hamas-Terroristen, die den jüdischen Staat angreifen, sind für den türkischen Präsidenten «Freiheitskämpfer», den Einsatz der israelischen Armee in Gaza bezeichnet er als «Genozid».

Den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz hat das nicht davon abgehalten, Erdogan am Freitag zu empfangen. Natürlich war die Visite hoch umstritten: Wer das Existenzrecht Israels leugne, dürfe kein Partner sein, sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Politiker aller relevanten Parteien äusserten sich ähnlich.

Es war ein betont glanzloser Besuch

Doch Europa und die Türkei brauchen einander: 2016 schloss die EU mit Ankara ein Migrationsabkommen, das dazu führte, dass fast keine Flüchtlinge mehr über die Ägäis kamen. Dieses Abkommen, das Erdogan 2020 de facto kündigte, würde Scholz gerne wiederbeleben. Wirtschaftlich sind beide Seiten aufeinander angewiesen. Zudem will die Türkei 40 Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter Typhoon kaufen. Dafür benötigt sie Berlins Zustimmung.

Den Besuch gestalteten die Gastgeber betont glanzlos: Am Mittag landete Erdogan in Berlin, am Nachmittag traf er zunächst Steinmeier, dann Scholz, mit dem er schliesslich noch zu Abend ass. Ursprünglich hatte der Gast aus der Türkei zusammen mit dem Kanzler das Fussball-Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei besuchen wollen, das am Samstag im Berliner Olympiastadion stattfindet, doch Scholz lehnte ab. Bereits am Freitagabend flog Erdogan wieder in die Türkei.

Bei einigen seiner letzten Visiten in Deutschland hatte der Gast aus Ankara jeweils vor einem grossen Publikum gesprochen. Ein solcher Auftritt blieb ihm diesmal versagt. Insgesamt leben 2,7 Millionen türkische und türkeistämmige Bürger in Deutschland. Erdogans Versuche, auf sie Einfluss zu nehmen, sorgen seit langem für bilaterale Verstimmungen.

«Zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen»

Vor ihrer Unterredung am Freitagabend traten Scholz und sein Gast vor die Presse. Zunächst lobte der Kanzler Erdogans Rolle als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine. Dass der türkische Präsident und er «zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen» auf den Nahost-Konflikt hätten, sei kein Geheimnis. Scholz betonte sowohl Israels Recht, sich selbst zu verteidigen, als auch Deutschlands humanitäre Hilfe für Gaza.

Erdogan redete deutlich länger als der Kanzler und wirkte sehr viel aggressiver. Er behauptete, ständig werde über die Opfer der Hamas geredet, aber kaum einmal über jene des israelischen Einsatzes in Gaza. Die Israeli lögen, töteten Kinder und griffen Spitäler an.

Seinen Faschismus- und Genozid-Vorwurf an die Adresse des jüdischen Staates wiederholte er allerdings nicht. So ersparte er Scholz eine Situation wie im Sommer letzten Jahres: Damals hatte der Kanzler den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zu Gast, der sich zu einem absurden Holocaust-Vergleich verstieg. Dass Scholz es versäumte, Abbas zu widersprechen, brachte dem Kanzler sehr viel Kritik ein.

Der Frage eines deutschen Journalisten, was er meine, wenn er Israel Faschismus unterstelle, wich Erdogan am Freitagabend aus. Weitere Fragen liess Scholz nicht zu: Gerade wenn man unterschiedlicher Meinung sei, sei es wichtig, im Gespräch zu bleiben, sagte der Kanzler und beendete die Pressekonferenz zügig.