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Jura-Porträt

Das ist die Heimat von Elisabeth Baume-Schneider: Sieben abenteuerliche Fakten über den jüngsten Kanton der Schweiz

Mit der Wahl der ersten Bundesrätin hat der jüngste Kanton der Schweiz endgültig zu den anderen aufgeschlossen. Seinen Ruf als Sehnsuchtsort wird er trotzdem behalten. Aber warum eigentlich? Was macht ihn so besonders?

Der Wind treibt den Nebel über den Jura.
Bild: Kuno Bieri

Der Bundesplatz am Mittwochmorgen war ein rot-weisses Fahnenmeer. Dutzende Menschen schwenkten das Wappen mit dem roten Bischofsstab, weil mit Elisabeth Baume-Schneider zum ersten Mal eine Jurassierin in die Landesregierung gewählt wurde. Der jüngste Kanton der Schweiz ist eine spezielle Gegend, mit einer reichen Geschichte an Eigenwilligkeiten.

Keine Ampeln

Es ist eine Tatsache, die in keinem Porträt über den jüngsten Kanton der Schweiz fehlen darf: Auf dem ganzen Kantonsgebiet steht keine einzige Ampel. Jurassierinnen und Jurassier halten den Verkehr gerne mit Kreiseln flüssig, Lichtsignale kommen hingegen höchstens während Baustellen vorübergehend zum Einsatz.

Ursprung des Frauenstreiks

Antiautoritärer Widerstand ist Bestandteil der jurassischen Identität. Viel ist in diesen Tagen zu lesen über den Befreiungskampf des Juras, oft mit Querbezügen als Geburtsort einer anarchischen Bewegung. Was vielleicht weniger bekannt ist: Auch der Frauenstreik 1991 fand im Jura seinen Ursprung. Eine Gruppe von Arbeiterinnen aus der Uhrenbranche empörte sich über ungleiche Löhne. Der Protest schwoll zu einem landesweiten Streik mit Hunderttausenden Frauen auf den Strassen an.

Nachfahren der Gallier

Wer dieser Tage durch den Jura fährt, der wird die zweisprachigen Ortsschilder bemerken. Es handelt sich dabei um eine Aktion, um die jurassischen Dialekte in Erinnerung zu behalten: die patois jurassiens. Linguistisch betrachtet sind sie eine Schweizer Ausnahme: Im Unterschied zu sämtlichen anderen Mundarten, handelt es sich bei den jurassischen Patois um galloromanische Varianten. Das liest sich dann so: «Î se sôle, î veus bïn dremi» – «Ich bin müde, ich werde gut schlafen».

Saurier auf der Autobahn

Die windigen Freiberge, die abschüssigen Talflanken des Doubs: Der Jura ist nicht eben die Sonnenstube der Schweiz. Vor etwa 150 bis 200 Millionen Jahren muss hier aber ein tropisches Klima geherrscht haben: mit einer Küste, die von zahlreichen Sauriern bevölkert wurde. Ihre Spuren zeigen noch heute davon, wie etwa Arbeiter während des Baus der Autobahn A16 feststellen mussten. Auf dem Trassee der Transjurane fanden Paläontologinnen schliesslich über 14'000 Fossilien, die schönsten 1000 sind inzwischen eingelagert in der Nähe von Delsberg.

Abfallhalde der Schweiz

Der Jura ist eine Randregion, und manche Weiler davon weit entfernt von den Augen der Regierung in Bern. Das wusste auch die Basler Chemie, als sie in den 60er- und 70er-Jahren einen grossen Teil ihres Abfalls dort entsorgte: In einer stillgelegten Tongrube bei Bonfol in der Ajoie. Die Schweizer Armee kippte ebenfalls alte Batterien in die Grube. Sprichwörtlich liess man Gras über die Sache wachsen, doch das ging schief: Plötzlich färbten sich irgendwann im benachbarten Frankreich die Bäche in allen Farben. Bonfol wurde zum immens teuren Sanierungsfall – und auch zum Symbol des Widerstands eines jungen Kantons gegen die Basler Grosskonzerne.

Yukon der Schweiz

Nicht wenige reden vom Jura als «Yukon der Schweiz», mit seiner wilden, archaischen Natur. Tatsächlich gibt es hier einige Orte, an denen sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Denn obwohl der Jura in etwa die gleiche Fläche aufweist wie die Stadt Berlin, ist er die Heimat von ungleich weniger Einwohnenden: Etwa 73'000 Menschen leben auf einer Fläche von rund 840 Quadratkilometern. In Deutschlands Hauptstadt sind es mehr als 3,6 Millionen. Ein Yukon im Hosensackformat quasi.

Doch nur ein Katzensprung zur Welt

Der Jura gehört zu den strukturschwächsten Regionen der Schweiz. Wer in den Freibergen wohnt, wird über kurz oder lange um ein Auto nicht herumkommen. So betrachtet hat auch der Beruf des neuen Bundesratsgatten, dem Ehemann von Elisabeth Baume-Schneider, Zukunft: Er ist Fahrlehrer. Gerne geht vergessen, dass etwa Delémont recht gut an das internationale Schienennetz angebunden ist – nicht zuletzt dank der Nähe zu Frankreich. Innert fünf Stunden gelangt man von hier locker nach Paris, Köln oder Mailand – und von Porrentruy in der selben Zeit fast an die Küste von Marseille.