notifications
Gotthard

Das Gotthardrätsel: Weshalb dauert die Wartezeit pro Kilometer Stau vor dem Tunnel in Airolo länger als in Göschenen?

Ein Kilometer Stau verursacht beim Südportal längere Wartezeiten als am Nordportal. Wie ist das möglich? Simonetta Sommaruga äussert Vermutungen. Doch jetzt will die Verkehrsministerin das Gotthardrätsel mit vertiefen Abklärungen lösen.

Pfingstau in Richtung Südportal beim Gotthardtunnel: Pro Staukilometer müssen sich die Autofahrer und Autofahrerinnen länger gedulden als vor dem Nordportal.
Bild: Bild: Samuel Goaly/Keystone/Ti-Press (Ambri-Piotta, 16. Mai 2016)

Nationalrat Fabio Regazzi (Mitte, TI) sass in seinem Auto, als er am Freitag, 16. September, im Radio eine Verkehrsmeldung hörte, die ihn stutzig machte. Um 12 Uhr stauten sich die Autos vor dem Südportal des Gotthardstrassentunnels in Airolo auf einer Länge von 4 Kilometern. Im Norden, im Kanton Uri, erstreckte sich die Blechkarawane auf 6 Kilometer. Und jetzt kommt der Clou: Die Wartezeit betrug auf beiden Seiten – eine Stunde. Regazzi lauschte in der Folge den Verkehrsmeldungen zu und stellte fest: Die unterschiedliche Wartezeit vom 16. September ist kein Einzelfall, sondern notorisch. Fahrzeuglenker und -lenkerinnen, die vom Süden in den Norden fahren, müssen sich also pro Staukilometer länger gedulden, bis sie endlich in den Tunnel fahren dürfen als jene, die in umgekehrter Richtung unterwegs sind. Wer in den Herbstferien jetzt dann bald in Richtung Süden aufbricht, dem blüht auf dem Heimweg potenziell mehr Ärger.

Der Tessiner Mittel-Nationalrat Fabio Regazzi der Wandelhalle des Nationalrats in Bern. 
Bild: Bild: Alessandro della Valle/Keystone

Bundesrätin verspricht Detektivarbeit

In der Fragestunde des Nationalrats bestätigte Simonetta Sommaruga Regazzis Beobachtung. Bisherige Versuche, die Disparität zu korrigieren, hätten kein Resultat gebracht, sagte die Verkehrsministerin. Zur Ursache des eigenartigen Warteunterschieds hat die Sozialdemokratin bloss eine Vermutung. Bisherige Analysen hätten gezeigt, dass es am Verhalten der Verkehrsteilnehmer liegen könnte. Fahren diese im Süden vorsichtiger und gemächlicher in den Tunnel als im Norden? Regazzi hält das für wenig plausibel. Er verlangt, dass der Bund dem Problem auf die Spur geht und es auch löst. «Stau ist lästig. Noch lästiger ist es, wenn die Wartezeit auf einer Seite des Gotthardtunnels auf mysteriöse Weise länger dauert als auf der anderen.»

Immerhin: Sommaruga hat weitere Detektivarbeit versprochen: Das Bundesamt für Strassen (Astra) werde sich nochmals vertieft mit dem Thema auseinandersetzen. Stand heute kann es in der Tat keine abschliessende Erklärung für das Gotthardrätsel liefern. Fest steht nur: Pro Staukilometer beträgt die Wartezeit im Süden in der Regel zwischen 12 und 15 Minuten, im Norden liegt sie relativ stabil bei 10 Minuten. Astra-Sprecher Thomas Rohrbach weist darauf hin, den «einen Grund» für die gemessenen Differenzen gebe es wohl nicht. Er erwähnt verschiedene Einflussfaktoren, die eine Rolle spielen mögen – zum Beispiel die unterschiedliche Linienführung bei der Tunneleinfahrt. So folgt nach Airolo ziemlich rasch eine Kurve, welche die Autofahrer möglicherweise abbremst – weswegen es wiederum länger dauern könnte, bis das nächste Fahrzeug in den 17 Kilometer langen Tunnel fahren darf. Was es auf jeden Fall zu vermeiden gilt, ist ein Stau im Tunnel. Aus diesem Grund dürfen pro Stunde und pro Richtung höchstens 1000 Personenwagen durch den Tunnel brettern.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga während der Herbstsession.
Bild: Bild: Anthony Anex/Keystone 

Harte Geduldsprobe in diesem Sommer

Einen kleinen Erfolg kann das Astra verbuchen. Von Mitte Juli bis zum letzten Wochenende durften Autofahrer vor der Ausfahrt Airolo den Pannenstreifen nutzen, wenn sie die Autobahn verlassen und zum Beispiel über die Gotthardpasstrasse fahren wollen. Im Verlauf dieses Tests stellte das Astra beim Südportal eine Wartezeit von 12 Minuten fest – 3 Minuten weniger als sonst üblich. Verkehrsteilnehmende hatten jedoch in diesem Sommer am Gotthard generell eine harte Geduldsprobe zu bestehen. In den Monaten Juni, Juli und August wurden auf beiden Seiten des Tunnels im Vergleich zu den letzten fünf Jahren am meisten Staustunden registriert.