notifications
UBS-CS-Übernahme

So sieht Walter Kielholz das Ende «seiner» Credit Suisse

Die UBS übernimmt die CS offiziell am 12. Juni. Doch faktisch ist die Credit Suisse bereits Geschichte. Nun äussert sich Walter Kielholz zum Aus «seiner» Bank. Für den langjährigen Ex-Präsidenten ist klar, wie es zum Untergang der zweitgrössten Bank der Schweiz kommen konnte. Die Zukunft von UBS-CS sieht er überraschend kritisch.
«Mister CS» Walter B. Kielholz (r.) äussert sich erstmals zum Aus «seiner» Bank. Ebenfalls im Archivbild: Sergio Ermotti, ehemaliger und erneuter UBS-Chef und zwischendurch Kielholz’ Nachfolger bei Swiss Re.
Bild: Bild: Sandra Ardizzone

Er war jahrelang Präsident der Credit Suisse und noch viel länger Mitglied des Verwaltungsrats der Schweizer Grossbank. Während all die CEOs kamen und gingen, blieb Walter Kielholz schlicht der «Mister CS».

Doch dann musste die Nummer 2 im Frühling notfallmässig von der UBS übernommen werden – der Nummer 1 auf dem hiesigen Bankenplatz. Die CS war nicht mehr allein überlebensfähig, hatte das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden verspielt. Natürlich kamen da auch beim «Mister CS» viele Fragen wieder hoch. Wie konnte es nur so weit kommen?

Nun spricht Walter Kielholz erstmals – über die Notübernahme und wie es dazu kommen konnte. Am Pfingstmontag hat er den Tamedia-Zeitungen sein erstes Interview gegeben – das am Montag nun gedruckt wurde . Hier die wichtigsten Aussagen des ehemaligen «Mister CS»:

Wie konnte die Credit Suisse untergehen?

Für den Niedergang der Credit Suisse sieht der ehemalige Präsident zwei Punkte, wie Kielholz sagt: Einerseits den Abgang von António Horta-Osório nach dessen Verletzung der Corona-Quarantänebestimmungen 2022. Dabei sei der portugiesisch-britische CEO «ein hervorragender operativer Bankchef» gewesen. Doch «das Schauspiel, das die Bank da bot, fand ich auf Ebene der Reputation schlicht peinlich», sagt Kielholz.

Und andererseits sei von der letzten Spitze der Credit Suisse im vergangenen Herbst ein Rettungsplan präsentiert worden, «der nie richtig umgesetzt wurde».

Da habe die Bank Anfang Jahr in einem «perfect storm» als Folge von «operativen Fehlern gröberer Art», steigenden Zinsen und dem Kollaps zweier US-Banken keine Chance mehr gehabt. Walter Kielholz: «Da war’s vorbei.»

Wer ist Schuld am Untergang der zweitgrössten Bank der Schweiz?

Zum Fakt, dass die Bank bereits in den Jahren zuvor (und auch seit dem vergangenen Herbst) teilweise Milliardenabschreibungen hinnehmen musste aufgrund von Fehlentscheiden des Managements, sagt Walter Kielholz: «Natürlich hätte das nie so passieren dürfen.»

Und auch die Kultur der Bank und des Managements im Umgang mit eigenen Fehlern kritisiert der ehemalige Präsident im Rückblick heftig: «Man hat dann die entsprechenden Leute ausgewechselt. Und trotzdem kam man da nicht heraus.»

Was machte die Konkurrenz besser?

Die Kontinuität beim Personal der grossen Banken der USA, welche sich die CS immer zum Vorbild genommen hatte, sei viel grösser. Deren Spitzenleute seien jeweils «zehn Jahre und mehr am Steuer», so Kielholz. «Diese Stabilität ist extrem wichtig.»

Was hat der «FDP-Filz» mit dem Untergang zu tun?

Seit der Notübernahme wird in der Schweiz auch politisch nach Schuldigen gesucht. Noch am Abend des UBS-CS-Deals kritisierte die SVP den angeblichen «FDP-Filz» bei der Credit Suisse.

Und später doppelte alt Bundesrat und SVP-Doyen Christoph Blocher nach. Demnach hat «die Misere der CS» schon viel früher begonnen, nämlich «in den 90ern. Eigentlich unter Rainer E. Gut und seinem Nachfolger Kielholz». Diese, so Blocher, hätten mit Urs Rohner die CEOs Brady Dougan und Tidjane Thiam eingesetzt. Es seien diese beiden Bankchefs gewesen, welche «die CS über die letzten fünfzehn Jahre in den Untergang trieben. Es ist eben der alte FDP-Filz», so Blocher.

Alt SVP-Bundesrat Christoph Blocher und langjähriger CS-Kritiker.
Bild: Bild: Keystone

«Herr Blocher und ich waren nie grosse Freunde», sagt dazu Walter Kielholz. Als Freisinniger hat er sich immer wieder für seine Partei und namentlich auch die Zürcher Sektion engagiert, die lange als «Zürcher Wirtschaftsfreisinn» auch national im Verruf stand. Zudem gilt der Ex-CS-Präsident als Verfechter eines EWR-Beitritts – und war bei Blochers politischem Aufstieg einer dessen Gegenspieler.

«Als ich das gehört habe, habe ich diesen ominösen FDP-Filz gesucht, dafür braucht es wohl mindestens drei Personen. Ich habe keinen einzigen FDPler auf entscheidenden CS-Posten gefunden. Wer soll es gewesen sein?»

Überdies sei Rainer E. Gut CVPler, ergänzt Walter Kielholz. Und Urs Rohner sei «ein bekannter Anwalt und Pro-Sieben-Chef» gewesen, als er diesen mit Oswald Grübel zur CS geholt habe.

Wer ist also wirklich Schuld am CS-Untergang?

Urs Rohner: 2011 bis 2021 Präsident der Credit Suisse
Bild: Bild: Keystone

Überhaupt, der Name Urs Rohner. Dieser gilt in der öffentlichen Wahrnehmung in jüngerer Zeit als Hauptschuldiger am Schlamassel der CS, in welchem die Bank schliesslich unterging. Walter Kielholz nennt dies schlicht eine «steile These»:

«Der Verwaltungsrat der Bank hat ihn jedes Jahr zur Wiederwahl vorgeschlagen. Und die Aktionäre haben ihn jedes Jahr wiedergewählt. Sehr viele Leute waren offensichtlich anderer Meinung.»

Der Personalentscheid für Rohner liege zwar bereits 14 Jahre zurück, so Walter Kielholz. Doch: «Ich kann meine Unterstützung aus damaliger Sicht auch heute noch rechtfertigen.»

Als die Bank so richtig in Schieflage geriet, habe aber auch die offizielle Schweiz ihr Schuld am Scheitern. Walter Kielholz: «Die Nationalbank und der Regulator, also die Finanzmarktaufsicht, haben im Herbst zu lange gezögert, um die Liquidität der CS sicherzustellen», kritisiert der frühere, langjährige Präsident der zweitgrössten Bank der Schweiz.

Aus Sorge vor weltweiten Auswirkungen einer so grossen Bankenpleite vermittelten der Bundesrat, die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Finanzmarktaufsicht (Finma) im März die Notübernahme der CS durch die Konkurrentin UBS. Der Bund sicherte die Grossbankenrettung mit insgesamt 109 Milliarden Franken ab. Die Garantie von 100 Milliarden hat die Credit Suisse inzwischen zurückbezahlt. Noch keine Status-Infos bekannt sind zur Absicherung der SNB im Umfang von 100 Milliarden.

Sieht Walter Kielholz auch eigene Fehler?

Auf mehrfaches Nachhaken sagt Walter Kielholz, dass er natürlich auch bei sich Fehler sieht. Wenn auch nicht entscheidende, die nun zum Untergang der CS geführt haben. «Unser Fehler war, dass wir für die Boni keine Limite eingebaut hatten.»

Allerdings habe man «schlicht nicht damit gerechnet (...), dass wir so viel besser sein könnten als die anderen» und Brady Dougan am Ende einen Bonus von rund 70 Millionen zahlen müsse. Im Rückblick geht Kielholz hierzu noch einen Schritt weiter: «Man hätte einfach sagen sollen: Das bezahlen wir nicht.» Heute denke er, dass Dougan das akzeptiert hätte. «Diese Möglichkeit haben wir leider nicht genutzt.»

Wie ist Kielholz' Verhältnis heute zur CS?

«Ich habe seit meinem Austritt aus dem Verwaltungsrat im Jahr 2014 keine vertraulichen Informationen mehr», sagt Walter Kielholz. Und seit seinem Ausscheiden habe er bei der Bank auch «keine Rolle mehr» – obwohl sein Name bis heute unzertrennlich mit jenem der Bank erwähnt wird.

Und so habe er sich am Sonntag, dem 19. März 2023, mit seiner Frau auch vor den Fernseher setzen müssen, um zu erfahren, was mit «seiner» Grossbank geschah. Nämlich der von Bund, Nationalbank und Bankenaufsicht aufgezwungene Notverkauf an die Konkurrentin UBS.

Und weiter sagt der ehemalige «Mister CS» über diesen historischen TV-Abend:

«Da habe ich dann kurz den Boden unter den Füssen verloren.»

Nach seiner Verwaltungsratskarriere bei der CS (1991 bis 2014, davon Präsident von 2003 bis 2009) wechselte Walter Kielholz als Präsident zum Rückversicherer Swiss Re. Dessen Verwaltungsrat präsidierte der heute 72-Jährige von 2009 bis 2021 und wurde dann zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Als Kielholz-Nachfolger bei Swiss Re ist damals übrigens Sergio Ermotti gewählt worden – der ehemalige, langjährige UBS-Chef aus dem Tessin. Mittlerweile ist dieser als neuer CEO der fusionierten UBS-Credit-Suisse wieder ins Bankengeschäft zurückgekehrt.

Wie sieht der ehemalige Credit-Suisse-Präsident die fusionierte UBS-CS?

Schliesslich wird Kielholz auch zu seiner Sicht auf die fusionierte neue UBS-Grossbank angesprochen. Grundsätzlich sieht er diese zwar positiv – «die Schweiz kann das schon», höre er jeweils aus dem Ausland. Doch müsse man «davon ausgehen», dass auch künftig «Fehler passieren, oder auch, dass es Situationen gibt, in denen die Bank unter Druck gerät, ohne dass sie etwas dafür kann». Eine totale Absolution tönt anders.

Und prompt folgt im Interview auch ein prominentes und überraschendes «Aber» des ehemaligen «Mister CS»: «Ich bin mir selber aber gar nicht so sicher. Denn im Krisenfall braucht es vor allem auch den politischen Willen», so Walter Kielholz. Und dieser politische Druck hat – positiv formuliert – am vergangenen 19. März bekanntlich die CS gerettet. Oder negativ ausgedrückt: in die Hände der Konkurrentin UBS getrieben.

12. Juni 2023: Das Datum fürs definitive Aus der CS ist nun bekannt

UBS übernimmt Credit Suisse in einer Woche – dann werden auch die Aktien von der Börse genommen

Nun steht das Datum: Der Notkauf der Credit Suisse durch die UBS soll in einer Woche vollzogen werden. Damit steht die weltweit bedeutendste Grossbankenübernahme seit der Finanzkrise 2008 kurz vor der Vollendung.
Wie die Credit Suisse am Montag in einer Mitteilung schreibt, soll auf dieses Datum hin auch der Handel mit ihren Aktien eingestellt werden. Der Übernahme-Deal wird bekanntlich mit einem Aktien-Tauschangebot an die CS-Aktionäre vollzogen. Diese erhalten für ihre bisherigen Papiere UBS-Aktien.
Wie die CS schreibt, steht die finale Übernahme allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass auch die US-Wertpapieraufsicht SEC der Registrierung der Aktien der fusionierten Bank zustimmt. Auch müsse die UBS selbst die übrigen Vollzugsbedingungen als erfüllt ansehen oder auf deren Einhaltung verzichten.
Auch die Schweizer Börse teilte gleichentags mit, die Aktien der Credit Suisse würden am 12. Juni letztmals an der SIX gehandelt. Danach sollen die Namenaktien der Credit Suisse Group AG mit einem Nennwert von 0.04 Franken dekotiert werden. Wie die CS schreibt, sollen ihre Aktien auch auch von der New York Stock Exchange genommen werden. (sat/dpa)