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China schafft Ein-Kind-Politik ab – weil das Reich der Mitte zu schnell altert

Nach fast vier Jahrzehnten hat China seine umstrittene Ein-Kind-Politik abgeschafft. Künftig werden allen Paaren zwei Kinder erlaubt. Damit soll der Überalterung des Milliardenvolkes und dem drohenden Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden.

Der Wechsel war am Donnerstag zum Abschluss der Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in Peking kommuniziert worden. Das hohe Parteigremium hatte einen neuen Fünf-Jahres-Plan beraten und die Weichen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes gestellt. Der Plan soll im März vom Volkskongress gebilligt werden.

Die überraschende Wende in der staatlich verordneten Familienpolitik erfolgte als Reaktion auf die schnelle Alterung des Milliardenvolkes und die rückläufige Geburtenrate. Die Volksrepublik zählt heute mehr als 1,3 Milliarden Menschen. Bereits Ende 2013 gab es eine Lockerung der Ein-Kind-Politik. Danach durften Paare, von denen einer der Partner ein Einzelkind ist, schon zwei Kinder haben.

Der Schritt hatte nicht zu einem Babyboom geführt. Angesichts hoher Mieten und teurer Schulbildung fürchten viele Paare in den Metropolen ohnehin, dass sie sich kein zweites Kind leisten können. "Nur wenn auch die Kosten, ein Kind aufzuziehen, gesenkt werden können, wird diese neue Politik funktionieren", hiess es unter anderem in spontanen Reaktionen in Internetforen.

Gesellschaftlicher und finanzieller Druck

Die Ein-Kind-Politik war heftig umstritten. Menschenrechtsgruppen beklagten immer wieder Spätabtreibungen, insbesondere bei unverheirateten Frauen und bei Paaren, die sich vor dem gesetzlichen Heirats-Mindestalter von 22 Jahren bei Männern und 20 Jahren bei Frauen zusammentaten. Wer gegen die staatlichen Vorgaben verstiess, musste mit finanziellen und gesellschaftlichen Nachteilen rechnen.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüsste denn auch die Abschaffung als "Schritt in die richtige Richtung", wie Sophie Richardson sagte. Viele Menschen in und ausserhalb vonChina hätten das Ende seit langem gefordert, sagte die in New York ansässige Expertin.

Doch bedeute die Zulassung der Zwei-Kind-Familie nicht, dass es jetzt Fortpflanzungsfreiheit in China gebe. "Der Staat greift aus unserer Sicht weiter willkürlich und unnötig in die reproduktiven Rechte der Menschen ein", sagte Richardson.

Die Ein-Kind-Politik war 1979 eingeführt worden. Das wachsende Riesenvolk musste ernährt und die knappen Ressourcen geschützt werden. Ohne die strikte Familienpolitik würden heute in China nach offiziellen Angaben schätzungsweise 300 Millionen Menschen mehr leben. Mit vielen Ausnahmen für ethnische Minderheiten oder Bauern betrafen die Regeln aber nach Angaben von Experten nur noch ein Drittel der Paare.

Weniger Mädchen

Chinas Akademie der Sozialwissenschaften hatte schon im Sommer laut Medienberichten eine Zwei-Kind-Lösung als Antwort auf die älter werdenden Gesellschaft und die geringe Geburtenfreudigkeit vorgeschlagen. Jede Chinesin bekommt demnach im Schnitt weniger als 1,6 Kinder. Für eine stabile Bevölkerungsentwicklung sei eine Quote von 2,1 nötig, hiess es weiter.

Infolge der Ein-Kind-Politik verschob sich das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern: 2014 kamen knapp 116 neugeborene Jungen auf 100 Mädchen. Das hat damit zu tun, dass die Landbevölkerung wegen der traditionellen Bevorzugung von Jungen das Recht auf ein zweites Kind erhielt, wenn das erste ein Mädchen war. Auch wurden weibliche Föten gezielt abgetrieben.

Gewitzte Chinesen fanden auch Wege, die Beschränkungen zu umgehen. Wer genug Geld hat, zahlte häufig einfach die Strafen, die bei einem zweiten Kind verhängt werden. Die Höhe war je nach Region unterschiedlich.