Bern hat Erfahrung mit der Zweiklassengesellschaft. «Syt diir öpper oder nähmet dir Lohn?», fragte die Patrizierin Madame Elisabeth de Meuron-von Tscharner, wenn sie jemanden nicht kannte. Das Stadtberner Original ist noch heute unvergessen.
Kürzlich berichtete CH Media , dass junge Journalistinnen und Journalisten, die ein Praktikum in einer der Bundeshausredaktionen absolvieren, seit dem 1. August zwar an den Medienkonferenzen des Bundesrates teilnehmen dürfen (wenn die Bundesratssprecherin das vorgängig genehmigt). Einem Mitglied der Landesregierung eine Frage stellen hingegen dürfen sie nicht. «Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, ist mit einer Akkreditierung verbunden und daher akkreditierten Medienschaffenden vorbehalten», begründete die Bundeskanzlei die Regelung in der seit diesem Monat geltenden Verordnung.
Köppel löchert die Bundesräte mit Fragen
Doch offenbar gilt das nicht für alle: «Weltwoche»-Verleger und -Chefredaktor Roger Köppel ist laut einsehbarer Liste auf der Website der Bundeskanzlei nicht für das Bundeshaus akkreditiert, sitzt aber hin und wieder in den Medienkonferenzen des Bundesrats und löchert die Magistraten mit Fragen.
So geschehen jüngst am Donnerstag, als Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin über ihre Reise nach Washington und den Zoll-Schock informierten.
Frage an die Bundeskanzlei: Ist der alt SVP-Nationalrat vielleicht mittlerweile akkreditiert und damit zu Fragen berechtigt? Oder ist er – im Gegensatz zu Praktikanten –, um es mit Madame de Meuron zu sagen, «öpper»?
Voraussetzung ist, die Voraussetzung nicht zu erfüllen
Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage, dass auch eine Tagesakkreditierung dazu berechtigt, an den Medienkonferenzen Fragen zu stellen. Die dafür nötige Voraussetzung erfülle Köppel. Zudem akzeptiere man für eine Übergangszeit auch noch die alte Regelung, wonach jeder, der einen Presseausweis und einen amtlichen Ausweis hat, zu den Bundesräten vorgelassen wurde.
Könnten also auch Praktikantinnen eine Tages-Akkreditierung beantragen und so Fragen stellen? Nein, das bleibt ihnen verwehrt.
«Im Himmel obe sy mer mynetwäge alli glych, aber hie unde wei mer einschtwyle no Ornig ha!», ist ein anderes Bonmot, das man Madame de Meuron zuschreibt. Das gilt nach wie vor in Bern.