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SRF-SENDUNG

Bundespräsidentin zerpflückt SP-Chefin in der «Arena» – und für die SVP ist klar: «You are a dreamer»

In der SRF-«Arena» zum Jahresauftakt debattierten die Spitzen der Bundesratsparteien und die Bundespräsidentin über die Sicherheits- und Europapolitik. Die SP hatte dabei einen schweren Stand.

Ein Gipfeltreffen findet nicht nur kommende Woche in Davos am Weltwirtschaftsforum (WEF) statt. Sondern auch in der ersten SRF-«Arena» des Jahres zur Sicherheits- und Europapolitik.

Zur Diskussionsrunde ins Fernsehstudio reisten:

Viola Amherd, Bundespräsidentin und VBS-Vorsteherin

Marco Chiesa, Präsident SVP

Mattea Meyer, Co-Präsidentin SP

Thierry Burkart, Präsident FDP

Gerhard Pfister, Präsident Mitte

Es war vermutlich die Nachricht der Woche: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll ans WEF nach Davos reisen. Damit wird das Weltwirtschaftsforum praktisch zum Kriegsgipfel.

Das WEF werde nach der Konferenz in Lugano bereits «die zweite bedeutende internationale Veranstaltung der Schweiz zur Unterstützung der Ukraine» sein, liess Selenski auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) verlauten. Dieser hatte am Freitagmorgen nämlich mit der Bundespräsidentin und VBS-Vorsteherin Viola Amherd telefoniert.

Wie denn das Telefongespräch abgelaufen sei, will SRF-Moderator Sandro Brotz zu Beginn der «Arena» von Amherd wissen. Sie erklärt, dass das rund 30-minütige Telefonat sehr angenehm gewesen sei und sich Selenski bedankt habe, dass die Schweiz die ukrainische Zivilbevölkerung unterstütze. Die Lieferung von Waffen sei aber kein Thema gewesen. «Die Schweiz kann im humanitären Bereich viel leisten, das wird auch anerkannt», sagt Amherd. In dieser «Arena» sollte es aber weniger um die Ukraine gehen, sondern eher um die Aufstockung des Budgets der Schweizer Armee.

Milliarden für das Militär

Bis 2035 soll das Militärbudget auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Schätzungen gehen davon aus, dass damit die Armee jährlich bis zu 10,5 Milliarden Franken kosten wird. Laut der Finanzverwaltung dürfte deshalb die Bundesrechnung künftig klare Defizite aufweisen – in Milliardenhöhe. Das ist den Linken ein Dorn im Auge.

Bis zu 10,5 Milliarden pro Jahr: So sollen die Armeeausgaben steigen.
Bild: Bild: Screenshot SRF

SP-Präsidentin Mattea Meyer betont, dass die Armeeausgaben bereits seit 2014 ansteigen würden. Sie sagt: «Die bürgerliche Mehrheit möchte das Militärbudget aufblähen. Obwohl noch nicht klar ist, was alles auf dem Einkaufs-Wunschzettel der Armee stehen soll.»

Die SP-Chefin enerviert sich darüber, dass man in allen anderen Bereichen zuerst wissen müsse, wofür man Geld brauche. Erst dann werde ein Budget gesprochen – im Gegensatz zum Militär. Meyer richtet sich an die Bundespräsidentin Viola Amherd: «Sie haben im Mai 2022 gesagt, es sei auch ohne Sparprogramm möglich und niemand müsse unter zusätzlichen Armeeausgaben leiden. Doch das stimmt nicht.» Es würde deswegen zu Abbauprogrammen kommen in den Bereichen Entwicklung und Bildung. «Wir müssen die Prioritäten wieder mehr bei den Menschen ansetzen», sagt Meyer.

SP-Präsidentin Mattea Meyer betont, dass die Armeeausgaben bereits seit 2014 ansteigen würden.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Während der Argumentation der SP-Chefin kann Amherd nur den Kopf schütteln. Danach holt sie zum Rundumschlag aus: «Die Sicherheit ist auch für die Menschen. Wenn wir keine Sicherheit garantieren können, funktioniert die Wirtschaft nicht. Dadurch gibt es keine Wohlfahrt und wir können keine Sozialleistungen erbringen.» Dann spricht Amherd Meyer direkt an: «Sie zitieren mich betreffend Sparmassnahmen wegen der Erhöhung des Armeebudgets. Ich bitte Sie, dies im amtlichen Bulletin nachzulesen und mich ganz zu zitieren. Ich habe gesagt, dass für 2024 eine Erhöhung möglich ist, ohne an anderen Orten einzusparen. Doch ich habe ganz gesagt, dass künftig der gesamte Bundeshaushalt betrachtet werden muss.»

Die Armee leiste bereits ihren Beitrag, betont Amherd. Und zwar, indem das VBS angeboten habe, die Ausgaben bis 2027 langsamer zu erhöhen, damit die Anpassung verträglicher sei. Laut der Bundespräsidentin «wurde in den letzten Jahrzehnten auf dem Buckel der Armee gespart». Es bestehe definitiv «Nachholbedarf».

Bundespräsidentin Viola Amherd.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Amherd zerpflückt auch das zweite Argument der SP-Chefin. «Die Armee weiss, was sie braucht. Es gibt keinen Wunschzettel, sondern es sind notwendige Investitionen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren.» Unter anderem sei dies die Nachrüstung alter Systeme, welche im nächsten Jahrzehnt an ihr Lebensende kommen würden. Die Bundespräsidentin schaut Mattea Meyer direkt an und sagt: «Das können Sie nachlesen, was genau bis wann gekauft werden muss. Diese Angaben finden Sie auf der Website des VBS.»

Keine Panzer am Rhein

Nicht nur die VBS-Vorsteherin schiesst scharf gegen die SP-Chefin, Mattea Meyer wird auch von FDP-Präsident Thierry Burkart in die Mangel genommen. «Die SP wollte einmal die Pflichtlager abschaffen, was zum Glück nicht gelungen ist. Die Armee ist eine Versicherung, die man hofft, nicht zu brauchen. Aber sollte sie zum Einsatz kommen, benötigt man genug Munition», sagt er. Man müsse auch auf klassische Bodenkämpfe vorbereitet sein. Und eine Sicherheit ohne eine Armee funktioniere nicht.

Burkart kann sich auch einen Seitenhieb gegen die Mitte und deren Parteipräsident Gerhard Pfister nicht verkneifen: «Es ist nicht nur Links. Beim letzten Beschluss haben wir gesehen, dass die Mitte dafür sorgt, dass wir nicht nachrüsten können.»

FDP-Präsident Thierry Burkart.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Nach «so vielen absurden Vorwürfen», wie sie sagt, muss Mattea Meyer erst einmal Luft holen. Dann holt sie aus: «Wir sind umgeben von befreundeten Staaten und Nato-Staaten. Die Bedrohungssituation ist sehr unwahrscheinlich, dass wir Bodenkämpfe ausüben müssen...» Burkart fällt der SP-Chefin ins Wort, wie unsolidarisch diese Haltung sei. Meyer führt aber aus, dass eine Situation, bei der Panzer am Rhein stehen würden, ebenfalls unwahrscheinlich sei. Sie sagt zum FDP-Chef: «Ihre Partei sagt jedes Mal, wenn es darum geht, anständige AHV-Renten zu bezahlen, dass wir dafür kein Geld hätten.» Doch beim «Wunschzettel» der Armee sehe es plötzlich anders aus.

Sicherheitsrisiko ist Polemik

Schliesslich kommt auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister dazu, sich gegen die Vorwürfe von Burkart zu wehren. Für ihn sei es nichts Neues, dass die Mitte «von rechts nach links» geschoben werde und «von links nach rechts». Er sagt: «Es ist unsere Aufgabe, eine Gesamtschau zu behalten.»

Mitte-Präsident Gerhard Pfister.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Wie bereits Meyer früher in der Sendung gesagt hat, weist Pfister darauf hin: «Das Parlament war in den letzten 30 Jahren bürgerlich dominiert. Wir Bürgerlichen hatten gesagt, wir müssen (anm. Red.: bei der Armee) nicht mehr ausgeben. Nur weil sich die Umstände verändert haben, können wir jetzt nicht alles verändern und sagen, wer nicht dafür ist, stellt die Sicherheit der Schweiz infrage.» Pfister erinnert auch an frühere VBS-Vorsteher aus der SVP, die ebenfalls betont hätten, die Armeeausgaben würden genügen. Nun zu sagen, dass es ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz gebe, sei Polemik.

SRF-Dompteur Sandro Brotz muss kurz innehalten, um nachzufragen, ob der (abtretende) SVP-Präsident Marco Chiesa gehört habe, dass die Mitte sich zu den Bürgerlichen zähle. Sofort kommt es wieder aus Pfister geschossen: «In Armeefragen kann man nicht sagen, dass die Mitte mehr Gemeinsamkeit hat mit der SP als mit den Bürgerlichen. Auch wenn es Herr Burkart noch 200 Mal sagen wird, bleibt das lächerlich.»

«You are a dreamer»

Danach ist endlich SVP-Chef Marco Chiesa am Zug, der sich die Kritik von Pfister nicht gefallen lassen möchte. «Wir haben immer davor gewarnt, dass die finanziellen Mittel (anm. Red.: für die Armee) zu wenig waren.» Aber es sei immer gesagt worden, die Sicherheit sei nicht in Gefahr.

SVP-Chef Marco Chiesa.
Bild: Bild: Screenshot SRF

Er erwähnt die SP und sagt: «You are a dreamer. Alle haben immer gedacht, dass ein konventioneller Krieg in Europa nicht mehr passieren könne. Nun haben wir einen Krieg in der Ukraine und auch im Nahen Osten.» Chiesa erwähnt, wie die Schweizer Armee in den letzten Jahren geschrumpft sei. «Vor 50 Jahren hatten wir über 200 Kampfflugzeuge, heute noch 50. Früher hatten wir über 800 Panzer, jetzt noch 150.»

Nun 1 Prozent des BIPs in die Armee zu investieren sei «das Mindeste», was die Schweiz machen müsse, auch weil die Nato-Staaten das Doppelte umsetzen würden. Woher man das Geld nehmen könnte, schlägt Chiesa ein paar Minuten später ebenfalls vor: «Die Schweiz investiert jedes Jahr 4 Milliarden Franken ins Asylwesen, darunter auch die Ukraine. Ich würde gerne einen Teil davon für Schweizer in der Schweiz ausgeben.»

Auf diesen Vorschlag will Mattea Meyer nicht einmal eingehen, man sieht ihr förmlich an, wie absurd sie ihn findet. Die SP hatte als Einzelkämpferin in dieser «Arena» mit den Bundesratsparteien und der VBS-Vorsteherin aber sowieso einen schweren Stand.