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Rücktritt

«Heute ist die Stimmung im Land fatalistisch»: Bundeskanzler Walter Thurnherr nimmt den Hut

Nach über 30 Jahren im Dienste des Bundes tritt Bundeskanzler Walter Thurnherr (Mitte) im Dezember nicht mehr zur Erneuerungswahl an. Er gehört seit Jahren zur den einflussreichsten und brillantesten Köpfen in Bundesbern. 
Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Bild: Keystone

Die politische Betrieb in Bundesbern startet mit einer Überraschung. Bundeskanzler Walter Thurnherr hat am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt. Nach acht Jahren sei es Zeit, den Stab weiterzureichen, sagte der 60-Jährige vor den Medien. Die letzten Jahre seien intensiv und anspruchsvoll gewesen. Er habe das Amt gerne ausgeübt: «Man soll das Amt dann abgeben, wenn man noch auf der Höhe der Anforderung ist.»

Thurnherr ist noch bis Ende Jahr im Amt, was danach kommt, lässt der gebürtige Aargauer offen. Damit muss die Bundesversammlung am 13. Dezember nebst dem Nachfolger von Bundesrat Alain Berset auch einen neuen Bundeskanzler oder eine neue Bundeskanzlerin wählen. Thurnherr gehört der Mitte-Partei an. Bereits Anspruch auf das Amt angemeldet hat die SVP via Twitter.

Der Bundeskanzler ist der Stabschef des Bundesrates. Er nimmt an jeder Bundesratssitzung teil, mitbestimmen kann er aber nicht. Thurnherr sah sich - im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger - nie als achter Bundesrat, sondern als oberster Beamter im Land. Das Amt sei eine Knochenarbeit, sagte Thurnherr vor den Medien. Doch es sei auch eine der spannendsten Tätigkeiten in der Schweiz.

Thurnherr gilt als einer der besten Kenner der Bundespolitik. Nach seinem Physikstudium trat er in den diplomatischen Dienst ein. Der damalige Aussenminister Flavio Cotti ernannte ihn 1997 zum persönlichen Mitarbeiter. Vor seiner unbestrittenen Wahl zum Bundeskanzler war Thurnherr Generalsekretär in drei Departementen.

Nach über 30 Jahren im Dienste des Bundes zeichnet er ein zwiespältiges Bild der Schweiz. Er sprach von einem Paradox. Der Zustand des Landes sei gut, gerade auch im Vergleich mit anderen Ländern. Doch es herrsche keine Aufbruchstimmung mehr wie vor 30 Jahren. Damals sei man der Überzeugung gewesen, man könne etwas gestalten. «Heute ist die Stimmung fatalistisch, als ob wir uns damit abgefunden haben, dass die Situation nicht mehr besser wird.»