notifications
Pro & Contra

Braucht es eine 13. AHV-Rente? Barbara Gysi und Esther Friedli sind geteilter Meinung 

Am 3. März stimmt die Schweiz über die Initiative des Gewerkschaftsbundes ab, welche die AHV um 8,33 Prozent pro Jahr erhöhen will. Die SP-Nationalrätin Barbara Gysi unterstützt das Anliegen, SVP-Ständerätin Esther Friedli lehnt die Vorlage ab.
Sind beim Ausbau der AHV geteilter Meinung: die St. Galler Parlamentarierinnen Barbara Gysi und Esther Friedli.
Bild: Bild: Michel Canonica

PRO: Barbara Gysi, SP-Nationalrätin

SP-Nationalrätin Barbara Gysi, St. Gallen.
Bild: Bild: Arthur Gamsa

Alles wird teurer: Mieten, Krankenkassen, Energie, Lebensmittel. Doch die Rente reicht nicht mehr aus. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, hat eine anständige Rente verdient und soll im Alter in Würde leben können. Unsere Verfassung verspricht eine existenzsichernde AHV. Doch das ist längst nicht mehr der Fall. Und auch mit der zweiten Säule sind viele Menschen im Alter noch weit von der Existenzsicherung entfernt. Gerade Frauen, die nicht erwerbstätig waren oder nur Teilzeit gearbeitet haben, um die Kinder grosszuziehen, werden vom BVG-System benachteiligt. Zu viel Geld landet in den Taschen der Finanzindustrie, wie das Buch «Das Rentendebakel» der Journalisten Rottaris und Schlumpf enthüllt. Und die dritte Säule? Die muss man sich zuerst leisten können und auch hier fliesst zu viel Geld zur Vermögensverwaltung.

Die AHV hingegen kommt allen zugute und ist für viele Menschen die wichtigste Einnahme im Alter. Die 13. AHV-Rente nützt darum besonders viel. Das ist richtig und wichtig. Denn auch Menschen mit einer Maximalrente, was die meisten Ehepaare und jene Leute betrifft, die keine fehlenden Beitragsjahre haben, erhalten oft nur wenig aus der zweiten und dritten Säule. Eine 13. Rente bringt nicht zuletzt auch den Frauen sehr viel. Denn nur die AHV anerkennt mit Erziehungs- und Betreuungsgutschriften die unbezahlte Sorgearbeit.

Die 13. Rente ist finanzierbar. Die AHV-Finanzen sind im Lot. Denn heute sind viel mehr Personen erwerbstätig als früher. Und dank der massiv gestiegenen Produktivität fliessen der AHV höhere Beiträge zu. Für die meisten Arbeitstätigen ist die AHV die wirksamste Altersvorsorge, weil der Arbeitgeber mitzahlt und Topverdienende die vollen Beiträge bezahlen, aber ihre Rente gedeckelt ist. Die Überschüsse in der AHV decken eine 13. Rente annähernd. Mittelfristig müssten Arbeitnehmende und Arbeitgeber rund 0,4 Prozent höhere Lohnbeiträge aufwenden. Das ist weniger als 1 Franken pro Tag.

Das können wir uns leisten, und das muss es uns wert sein für unsere Rentnerinnen und Rentner, die ein Leben lang zu unserem Wohlstand beigetragen haben. Der Teuerungsschub nimmt ihnen rund eine Monatsrente und reisst ein grosses Loch in manches Budget. Darum Ja für ein würdiges Alter, Ja zur 13. AHV-Rente.

KONTRA: Esther Friedli, SVP-Ständerätin

SVP-Ständerätin Esther Friedli, St. Gallen.
Bild: Bild: Michel Canonica

Seit 1948 dient die AHV der Existenzsicherung im Alter. Damit gehört sie zu den wichtigsten sozialen Errungenschaften der Schweiz. Unser bedeutendstes Sozialwerk steht jedoch vor gewaltigen Herausforderungen. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter, und wir alle werden immer älter. Die Folge: Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Renten finanzieren. Man braucht kein abgeschlossenes Mathematikstudium, um zu verstehen, dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann.

Weiss man, dass die AHV schon in wenigen Jahren mehr ausgibt, als sie einnimmt, steht die Initiative für eine 13. AHV-Rente völlig quer in der Landschaft. Statt die erste Säule nachhaltig zu sichern und tiefe Renten gezielt zu verbessern, bürdet die Initiative kommenden Generationen zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe auf. 2033 würde die Initiative jährlich Mehrkosten von rund 5 Milliarden Franken verursachen. Das ist mehr als dreimal so viel, wie die Rentenaltererhöhung der Frauen an Einsparungen bringt. Noch besorgniserregender ist, dass die Initianten nicht wissen, wer und wie dies zu bezahlen ist. Die logische Konsequenz wären höhere Lohnabzüge und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – also eine Verteuerung des Lebens für alle. Das würde besonders junge Familien und Alleinerziehende hart treffen, die schon heute am meisten mit hohen Mieten und Krankenkassenprämien zu kämpfen haben.

Was mich an der Initiative jedoch besonders stört, ist die Tatsache, dass der AHV-Zuschlag nach dem Giesskannenprinzip verteilt werden soll. Es profitieren also auch all jene, die gar nicht auf das zusätzliche Geld angewiesen sind. Doch es kommt noch dicker: Wer heute bereits eine hohe Rente erzielt, würde künftig den höheren Zuschlag erhalten. Das ist unfair und sozial nicht vertretbar. Anstatt einer Verteilung nach dem Giesskannenprinzip müssen Lösungen gefunden werden, um die tiefen Renten gezielt zu verbessern. Hier ist die Politik auch schon dran.

Die Initiative für eine 13. AHV-Rente mag gut gemeint sein – wer freut sich schon nicht über einen finanziellen Zustupf? –, das Vorhaben zielt jedoch an der Realität vorbei und ist nicht finanzierbar. Wer möchte, dass die AHV auch in fünfzig Jahren noch als Erfolgsmodell gilt, sollte am 3. März deshalb unbedingt ein Nein in die Urne legen.