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Pro & Contra

Braucht die Schweiz ein neues Stromgesetz? Susanne Vincenz-Stauffacher und Magdalena Martullo sind geteilter Meinung

Am 9. Juni stimmt die Schweiz ab über eine neue Stromversorgung: Bundesrat und Parlament möchten den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben, Umweltkreise haben dagegen das Referendum ergriffen. FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher stimmt Ja zur Vorlage, SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo lehnt sie ab. 

PRO: Ein Ja zur Versorgungssicherheit der Schweiz

Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP SG.
Bild: Alessandro Della Valle / KEYSTONE

Erinnern Sie sich noch an den ersten Wimbledon-Titel von Roger Federer? Das war im Jahr 2005. Federer hat seine Karriere inzwischen beendet. Die Erhöhung der Grimsel-Staumauer wartet jedoch immer noch auf eine Bewilligung, obwohl diese ebenfalls im Jahr 2005 beantragt wurde. Wie soll der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz gelingen, wenn selbst die Erhöhung einer bestehenden Staumauer nicht vorankommt?

Wenn es uns ernst ist mit dem Ziel, von fossilen Energieträgern wegzukommen, wird sich der Strombedarf in der Schweiz bis ins Jahr 2050 massgebend erhöhen. Um diesen Bedarf abzudecken und die Versorgungssicherheit vor allem im Winter sicherzustellen, muss die Schweiz in den nächsten Jahrzehnten die Speicherkapazität ausbauen und zugleich mehr inländischen, klimafreundlichen Strom produzieren. Das Stromgesetz will genau das erreichen. Es beinhaltet Fördermassnahmen für Projekte von nationaler Bedeutung. Den Hauptteil machen Wasserkraft und Solarenergie aus, massvoll ergänzt mit Windenergie.

Das Stromgesetz bietet Investitionsanreize und schafft Planungssicherheit. Speziell zu erwähnen ist die Wasserkraft: Am Runden Tisch wurden 16 Projekte ausgewählt und priorisiert. Für die Wasserkraft ist das Stromgesetz ein Meilenstein! Den Anliegen des Naturschutzes wird Rechnung getragen, indem die Kantone geeignete Gebiete für Energieanlagen ausscheiden. Damit wird der Schutz nicht geschmälert, sondern im Gegenteil verstärkt. Im Parlament wurde während zwei Jahren hart gerungen. Beide Seiten mussten Kröten schlucken – was in der Regel kein allzu schlechtes Zeichen ist.

Für mich als gewählte Volksvertreterin hat die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in unserem Land oberste Priorität. Ohne genügend Strom nimmt nicht nur unsere Wirtschaft und damit unser Wohlstand grossen Schaden. Energieversorgungssicherheit betrifft uns alle. Übernehmen wir Verantwortung und sagen Ja zu einer sicheren und zukunftsfähigen Stromversorgung, mit einem Ja zum Stromgesetz am 9. Juni.

CONTRA: Wenig Strom für hohe Kosten

Magdalena Martullo-Blocher SVP GR.
Bild: Claudio Thoma

Das Stromgesetz verspricht eine «sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien». Das Gegenteil ist der Fall.

Ohne Kern- und fossile Energie braucht die Schweiz viel neuen Strom. Das Parlament flüchtet sich in einen vermeintlichen «Befreiungsschlag». Mit dem Stromgesetz sollen zehnmal so viel erneuerbare Energien zugebaut werden wie heute. 90 Prozent davon durch grosse Solar- und Windkraftwerke. Dafür müssen 9000 Windturbinen oder Solaranlagen auf einer Fläche fünfmal so gross wie der Zürichsee installiert werden! Statt einer «sicheren Stromversorgung» erhalten wir Flatterstrom.

Neu sind Wind- und Solarparks «im nationalen Interesse». Die Kantone haben dafür «geeignete Gebiete» auszuscheiden. Im Kanton Zürich sollen 120 Windräder auf jeder zweiten Hügelkuppe, in Graubünden 25 grosse Windparks in den Tourismusdestinationen entstehen. Luzern, St. Gallen und Zürich planen über 80 Windparks. Naherholungsgebiete, Alpen, Wälder und Nutzflächen werden vollgepflastert. Es braucht Rodungen, Betonverankerungen und Zufahrtsstrassen. Viele Gemeinden wollen dies nicht, können sich aber nicht mehr wehren. Das nationale Interesse (wie bei Autobahnen oder fürs Militär) geht vor. Die Kantone müssen sie sogar mittels Enteignungen durchsetzen. Graubünden plant einen Windpark, wo das Volk dies ablehnt. Die Zürcher Regierung erklärt Gemeindeentscheide als nichtig. Der Kanton Luzern will Windparks selber genehmigen, nachdem sie lokal abgelehnt wurden. Stimmbürger und Gemeinden werden entmachtet.

Über die Hälfte der gigantischen Ausbaukosten wird uns auf die Stromkosten geschlagen. Man schätzt Kosten von über 100 Milliarden Franken, was pro Person 11000 Franken bedeutet! Wir müssen aber nicht nur viel mehr bezahlen, sondern unseren Stromverbrauch auch noch halbieren! Und bei wenig Wind und Sonne wird uns in Zukunft sogar der Strom abgedreht! Das ist im Gesetz so vorgesehen. Wir bekommen also wenig für viel Geld und eine massive Landschaftsverschandelung. Bürger und Gemeinden haben keine Rechte mehr. Wir müssen deshalb das Stromgesetz überzeugt ablehnen!